E-Book, Deutsch, Band 302, 144 Seiten
Reihe: Historical MyLady
Nichols Wer sind Sie wirklich, Miss Sophie?
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95446-020-5
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 302, 144 Seiten
Reihe: Historical MyLady
ISBN: 978-3-95446-020-5
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Als die temperamentvolle Charlotte Hundon ausgerechnet den hochgestellten Richard, Viscount Braybrooke, für sich einnimmt, ahnt niemand, dass es sich bei der vermeintlich mittellosen und absolut nicht standesgemäßen jungen Dame in Wahrheit um Miss Sophie Roswell handelt. Aus Furcht nur des Geldes wegen umworben zu werden, hat die reiche Erbin des ehrwürdigen Herrensitzes Madderlea nämlich die Rolle mit ihrer wenig begüterten Cousine getauscht - um nun allenfalls als Maitresse für den Mann ihrer Träume in Frage zu kommen! Ein Mann, den Sophie zudem nicht einzuschätzen vermag: Ist er der berechnende Machtmensch, als den seine hohen Ansprüche an Stand und Herkunft ihn erscheinen lassen, dann will Sophie ihn nicht. Ist er integer und um wahre Werte bemüht, hat sie mit ihrer Lüge wohl sein Vertrauen verspielt...
Mary Nichols wurde in Singapur geboren, zog aber schon als kleines Mädchen nach England. Ihr Vater vermittelte ihr die Freude zur Sprache und zum Lesen - mit dem Schreiben sollte es aber noch ein wenig dauern, denn mit achtzehn heiratete Mary Nichols. Erst als ihre Kinder in der Schule waren, fand sie genügend Zeit, sich ganz dem Schreiben zu widmen und damit ihren Traumberuf zu ergreifen. Marys Lieblingsautorinnen und Vorbilder sind Jane Austen und Georgette Heyer.
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1. KAPITEL
“Das ist nicht gut, gar nicht gut”, murmelte William Hundon, als er den Brief las, der soeben auf den Frühstückstisch gelegt worden war. “Da muss was geschehen.”
“Schau nicht so finster drein”, mahnte seine Gattin und blickte von ihrer gebutterten Brotscheibe auf. “Wenn du die Stirn runzelst, bekommst du Falten.”
“Falten! Als wäre das meine einzige Sorge!”
“Ein Brief von Mr Sparrow? Nur der kann dich in so schlechte Laune versetzen.” Obwohl sie an sehr schmerzhaftem Rheumatismus litt, bestand sie darauf, täglich im Morgenmantel herunterzukommen und zu frühstücken, was ihre Tochter Charlotte und ihre Nichte Sophie einschloss, die seit zwei Jahren im Haus wohnte.
Von Mr Sparrows Namen aufgeschreckt, wandte sich Sophie an ihren Onkel. “Stimmt was nicht auf Madderlea?”
“Dort gibt es immer Probleme”, erwiderte er und schlug mit dem Brief auf seinen Handrücken. “Diesmal will er Geld für die Renovierung des Stalls, letzte Woche entdeckte er eine undichte Stelle im Dach des Westflügels. Entweder ist er unfähig oder kriminell …”
“Doch nicht kriminell?”, fiel ihm seine Gattin erschrocken ins Wort.
“Möchtest du nicht einen anderen Verwalter für Madderlea einstellen, Onkel William?”, schlug Sophie vor.
“Und wie sollte ich wissen, ob der tüchtiger wäre? Wir leben zu weit von Madderlea entfernt, und ich kann nicht dauernd hinfahren und mich vergewissern, dass der Mann seine Pflicht erfüllt. Zudem gehört ihm der Landsitz nicht. Wäre er ein Familienmitglied, würde er sich sicher eifriger bemühen.”
“Außer Sophie gibt es keine Familie, Papa …”, warf Charlotte ein. Verwirrt verstummte sie, als die Mutter ihr einen missbilligenden Blick zuwarf. In Sophies Gegenwart wurde der Verlust ihrer Familie nie erwähnt, weil man ihr den Kummer ersparen wollte.
“Genau”, bestätigte William.
Seit Generationen befand sich Madderlea Hall im Besitz der Roswells. Sophies Vater hatte das Haus stets als Heim der Familie bezeichnet, sogar während ihres Aufenthalts in Brüssel. Um vor Napoleons tyrannischer Herrschaft auf dem Kontinent zu fliehen, waren sie nach England zurückgekehrt – eine grauenhafte Reise für eine Fünfzehnjährige. Wegen der vielen blockierten europäischen Häfen hatten sie bis nach Danzig fahren müssen. Dorthin brachten britische Schiffe Waffen und Munition, um den Russen beizustehen, die sich vor Napoleons Marsch in Richtung Moskau zurückzogen.
Was Sophie unterwegs beobachtet hatte, grub sich unauslöschlich in ihre Erinnerung. Auf der Suche nach Lebensmitteln plünderten die französischen Soldaten das Land, das die Bewohner bereits verwüstet hatten, um die Eindringlinge auszuhungern. Die Felder waren ungepflügt oder von Flammen verkohlt, das Vieh geschlachtet. Schon auf dem Vormarsch der Franzosen fanden Männer und Pferde den Tod. Der Vater gab seine gesamten Ersparnisse aus und verkaufte die Juwelen der verstorbenen Mutter, um eine Passage auf einem Frachtschiff nach England zu erwerben. In London angekommen, brachte er Sophie zu ihrem Onkel, dem Earl of Peterborough. Wenig später war er auf einem spanischen Schlachtfeld gefallen.
Infolge dieser Erlebnisse wirkte sie älter und klüger, als es ihren Jahren entsprach, und meisterte die kleinen Schwierigkeiten des Alltags mühelos. Sie trauerte nur selten. Dafür war das Leben zu kurz, und sie besaß einen ausgeprägten Sinn für Humor.
Onkel Henry behandelte sie wie die Tochter, die ihm nie geschenkt worden war, und sie liebte ihn ebenso wie seine Gattin. Diese beiden Menschen ersetzten ihr die Eltern. Deshalb verdrängte sie keineswegs die liebevollen Erinnerungen an die Mutter, die schon lange unter der Erde lag, und an den tapferen, zärtlichen Vater. Aber Madderlea war ihr Zuhause gewesen, ein sicherer Hafen. Bis …
An jenen Tag wollte sie nicht denken. Aber er würde stets im Hintergrund ihres Bewusstseins haften bleiben. Der Tag hatte eine glückliche junge Dame, die sich auf ihre erste Saison freute, in eine stille, verschlossene Frau verwandelt, von körperlichen und seelischen Schmerzen gepeinigt. Zwei Jahre später war ihr Körper wunderbarerweise genesen. Doch der Herzenskummer begleitete sie immer noch und würde sie wohl niemals verlassen. Auch jetzt, während sie in Onkel Williams komfortablem, aber schlichtem Haus am Frühstückstisch saß, kehrten die Bilder aus der Vergangenheit zurück.
Sie waren auf dem Weg nach London gewesen, wo Sophies gesellschaftliches Debüt stattfinden sollte. Fröhlich und erwartungsvoll schmiedete sie Pläne, plauderte über die Kleider, die sie kaufen wollte, und hoffte zuversichtlich, unter den auf all den Bällen und Partys ihren künftigen Ehemann zu finden. Tante Margaret behauptete, ihre Nichte würde die beste Partie der Saison sein, und Sophie sah keinen Grund, daran zu zweifeln. Sie fand sich nicht schön, zu groß und schlank für die derzeitige Mode, und ihr Haar schimmerte rotblond, während gerade Schwarz war. Doch sie besaß einen makellosen Teint, strahlende graugrüne Augen und eine beträchtliche Mitgift – vorausgesetzt, der Onkel und die Tante akzeptierten den Mann, den sie erwählen würde. Nun, das war nur recht und billig, und sie hatte deshalb keine Bedenken.
Bei prachtvollem Wetter waren sie auf Madderlea in die Familienkutsche gestiegen. Aber als sie Newmarket Heath erreichten, verdunkelte sich der Himmel. Es begann zu regnen, Blitze zuckten über der Heide, von unheimlichen Donnerschlägen begleitet. Nirgendwo fanden sie Unterschlupf. Tante Margaret wollte umkehren. Doch der Onkel erklärte, das Unwetter würde nordwärts ziehen. Wenn sie die Rückfahrt antraten, würden sie ihm folgen. Führen sie indes Richtung London weiter, müssten sie bald wieder im Sonnenschein reisen.
Nie zuvor hatte Sophie ein so schlimmes Gewitter erlebt. Der Kutscher konnte die verängstigten Pferde nicht bändigen. Blindlings galoppierten sie dahin, kamen von der Straße ab und sprengten über die unebene Heide. Nur mühsam hielten sich die Insassen des schwankenden Wagens fest. Plötzlich hörten sie einen gellenden Schrei, als der Fahrer zu Boden stürzte. Der Reitknecht, der ebenfalls auf dem Kutschbock saß, versuchte vergeblich, die Zügel zu ergreifen. Wenig später prallte ein Rad gegen einen Stein, das Vehikel kippte um, und Sophie versank in schwarzem Nichts.
Wie lange sie bewusstlos gewesen war, wusste sie später nicht. Von rauen Stimmen geweckt, hörte sie die schrecklichen Worte: “Alle sind tot.”
“Jedenfalls können wir sie nicht hier liegen lassen. Finden wir heraus, wer sie sind, und holen wir Hilfe.”
Da begann sie zu schreien. Über den Trümmern des Wagens tauchte ein Mann auf, der sie vom Gewicht ihrer toten Tante befreite. “Oh, das Mädchen lebt! Keine Bange, Miss, jetzt sind Sie in Sicherheit.”
Ja, in Sicherheit – aber schwer verletzt … Wochenlang litt sie unter qualvollen Schmerzen, und eines Morgens erwachte sie in einem hübschen, von Sonnenschein erfüllten Schlafzimmer. Tante Madeleine, die Schwester ihrer Mutter, lächelte sie an, das blasse Gesicht voller Sorge.
“Wie bin ich hierhergekommen?”, fragte Sophie.
“Sobald wir die traurige Nachricht erhielten, holten wir dich aus dem Hospital von Newmarket.” Seit ihrer Heirat lebte die Tante in England, und sie sprach sehr gut Englisch, allerdings immer noch mit einem leichten französischen Akzent, der Sophie an ihre Mutter erinnerte.
Nur vage entsann sie sich, dass man sie in einen Wagen gelegt hatte. Von Schmerzen gepeinigt, wäre sie am liebsten gestorben. Doch dann hatte sie in einem weichen Bett gelegen, eine zärtliche Hand auf der Stirn gespürt, eine beruhigende Stimme gehört und war wieder eingeschlafen. “Wann?”
“Vor zwei Monaten.”
“Vor zwei Monaten! Onkel Henry – Tante Margaret …”
“Tut mir leid, Liebes. Nur du hast den Unfall überlebt, und wir fürchteten, auch dich zu verlieren. Jetzt geht es dir besser. Charlotte wird sich zu dir setzen.”
Einige Tage später erfuhr Sophie, sie habe Madderlea Hall geerbt. “Dein Vater und dein Onkel Henry sind tot”, erklärte William Hundon, Tante Madeleines Ehemann. “Außer dir gibt es keine Nachkommen.”
Nun war sie die Herrin von Madderlea! Aber nach dem Gesetz durfte eine ledige Frau ihr Erbe nicht selbst verwalten. Bis zu ihrer Heirat musste sich ein Treuhänder darum kümmern. In seinem Testament hatte Onkel Henry diese Aufgabe dem Anwalt William Hundon übertragen. Dieser hatte einen Verwalter engagiert, der auf Madderlea nach dem Rechten sah, und Sophie wohnte bei ihren Verwandten in Upper Corbury.
Das Arrangement missfiel ihr, denn Madderlea brauchte nicht nur einen Verwalter, sondern jemanden, der das Haus liebte. Während sie nun am Frühstückstisch saß, teilte sie ihrem Onkel und der Tante mit, sie würde es vorziehen, auf ihrem Landsitz zu leben. Entsetzt rangen sie die Hände. “Das ist unmöglich, Sophie!”, entschied William. “Selbst wenn das Gesetz dergleichen gestatten würde – als dein Treuhänder muss ich es verbieten. Bedenk doch, wie viele Mitgiftjäger dich bedrängen würden!”
“Aber für dich ist die Verantwortung für Madderlea eine Bürde, die ich dir nicht zumuten will, Onkel. Du hast schon genug für mich getan.”
“Für dieses Problem gibt es nur eine einzige Lösung”, betonte Tante Madeleine. “Du solltest heiraten, Sophie.”
Und wo würde sie einen passenden Ehemann finden? Im abgeschiedenen Upper Corbury sicher nicht. Die geeigneten Junggesellen im County konnte sie an einer...