Niemeyer Sozialpädagogik als Sexualpädagogik

Beiträge zu einer notwendigen Neuorientierung des Faches als Lehrbuch. Mit einem Vorwort von Micha Brumlik. Mit Online-Material
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7799-5290-9
Verlag: Beltz Juventa
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

E-Book, Deutsch, 464 Seiten

Die Studie thematisiert in 15 sowohl historisch (Teil I) als auch systematisch (Teil II) angelegten Kapiteln den Zusammenhang zwischen der Tabuisierung der sexuellen Frage im Verlauf der Fachgeschichte und der aktuellen, bloß technischen, nur die Profession und nicht die Disziplin betreffende Reaktion auf sexualisierte Gewalt in konfessionellen als auch in reformpädagogischen Einrichtungen öffentlicher Erziehung seit 2010. Als Ergebnis dessen scheint die Gefahr evident, dass die Sozialpädagogik zur 'eroberten Provinz' einer rein sexualerzieherisch angelegten Sexualpädagogik degeneriert, wenn sie es nicht schafft, sich weit über Paul Natorp hinausgehend nicht nur als Antwort auf die 'soziale Frage' neu auszulegen, sondern auch als eine solche auf die von Freud im Nachgang zu Nietzsche eindrucksvoll und umfänglich thematisierte 'sexuelle Frage', mit dem Effekt einer neuen, epistemologisch ausgewiesenen Fachlichkeit. Im Ergebnis dieser Neuorientierung des Faches scheint es möglich, in Zukunft nicht nur Antworten in Richtung 'guten', sondern auch 'richtigen' Lebens zu geben.

Christian Niemeyer, Jg. 1952, Dr. phil., Dipl.-Päd., Dipl.-Psych., ist Professor für Sozialpädagogik i.R. mit dem Schwerpunkt Erziehung und Bildung und Erziehung in früher Kindheit und Herausgeber der Zeitschrift für Sozialpädagogik.

Autoren/Hrsg.

Niemeyer, Christian

Inhaltsverzeichnis

1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Vorwort;12
3;Prolog;16
4;Kapitel I. Sozialpädagogik als Sexualpädagogik – einführende Bemerkungen zur überfälligen „sexualpädagogischen Wende“ von Disziplin und Profession;24
5;Kapitel II. Play: Die sexuelle Frage im Verlauf der neueren (Sozial-)Pädagogikgeschichte von 1750 bis 1895;47
5.1;1. Das 19. als das angeblich ‚pädagogische‘ Jahrhundert – ein Problemaufriss;50
6;Kapitel III. Replay: Das 19. Jahrhundert, sich allmählich in ein sozialpädagogisches mit sexualitätstheoretischem Defizit wandelnd;126
6.1;1. Rousseau, der Vorlagengeber;133
6.2;2. Pestalozzi, genannt ‚Chancentod‘;143
6.3;3. Wichern, der Rechtsaußen, der sich im Kreuz verfing;151
6.4;4. „And the winner is…“: Nietzsche;154
7;Kapitel IV. „Geist? Was ist mir Geist! Was ist mir Erkenntniß! Ich schätze nichts als Antriebe“. Nietzsches Triebphilosophie, im Kontext eines Briefes an Lou von Salomé betrachtet und als Teil einer ‚Psychoanalyse avant la lettre‘ gelesen;171
8;Kapitel V. Und was ist mit Syphilis? Über die mutmaßlichen Hintergründe für eine offenkundig „verschwiegene Wahrheit“ (Zarathustra) bei Nietzsche, aber auch in der literarischen Sozialpädagogikund Vererbungskonstruktion des Émile Zola (1840–1902);187
8.1;1. Über (die) Syphilis (Nietzsches);187
8.2;2. Über die (Folgen der) Nicht-Thematisierung von Nietzsches Syphilis;190
8.3;3. Zwei Gespenster gehen um in Zolas Romanen: Syphilis – und Nietzsche;192
9;Kapitel VI. Und was ist mit Luther? Über das eigentliche geistige wie geistliche Zentrum aller ‚Schwarzen (Sozial-)Pädagogik‘ und Nietzsches „Schwert“ wider das Böse der Reformation zugunsten des Guten der Renaissance;198
9.1;1. Luther zwischen 1933 und 1945 (im Vergleich zu Nietzsche);200
9.2;2. Luther als Erzieher (im Vergleich zu Nietzsche);203
9.3;3. „Here we go again…“: Luther und die Syphilis;209
9.4;4. „… and again“: Über die Syphilis ‚der‘ Renaissance-Päpste;212
9.5;5. „… and again“: Über Oskar Panizzas Nietzsche-Überbietungsgeste in seiner Anti-Syphilis-Groteske Das Liebeskonzil (1894);219
9.6;6. Quod erat demonstrandum: Nietzsches 95 Thesen, gelesen als Vorschein einer ‚weißen‘, sozialpädagogisch aufgeklärten Sexualpädagogik;223
10;Kapitel VII. Hans Paasche unter Töchtern der Wüste? Über die mutmaßlichen Hintergründe der sexualerzieherischen Ambition in Herrmann Poperts Anti-Syphilis-Roman Helmut Harringa (1910);229
10.1;1. Hans Paasche, von der Satire Lukanga Mukara (1913) ausgehend rückwärts betrachtet bis zu seinem tiefsten Geheimnis;230
10.2;2. Helmut Harringa – ein Anti-Syphilis-, Anti-Nietzsche- und, letztlich, Anti-Paasche-Roman?;238
10.3;3. Paasche im Mai 1920: Mord? Totschlag? Suizid?;245
11;Kapitel VIII. Wandervogel: Die Päderastie an der Wiege der deutschen Jugendbewegung? Eine Journalistenthese und deren Claqueure auf dem Prüfstand kritischer Jugendbewegungshistoriographie;251
11.1;1. Heinrich Sohnrey (1859–1948): Ein ‚alter Herr‘ an der „Wiege der deutschen Jugendbewegung“ mit ziemlich brauner Weste;256
11.2;2. Hermann Hoffmann[-Fölkersamb] (1875–1955) – oder: Vom Wandern als Revolutions- wie Sexprophylaxe;258
11.3;3. Ludwig Gurlitt (1855–1931): Vom Wandern aus Perspektive eines Oberlehrers, der anfangs für Nietzsche und spatter für Karl May schwärmte sowie am Ende für „hochgebaute, goldblonde, blitzäugige Germanen“ (à la Wilhelm Schwaner);260
11.4;4. Karl Fischer (1881–1941) – ein autoritärer Asket mit Ehrensold der HJ und Tendenzen hin zum gleichen Geschlecht;262
11.5;5. Hans Breuer (1883–1918) – ein schwer rückwärtsgewandter ‚Zupfgeigenhansl‘ mit Hang zum Liebesidyll vom Typ Hausfrau (und Mutter);265
11.6;6. Hans Blüher (1888–1955), ein ‚Invertierter‘, der seine Homosexualität als Männerbundideologie schönschrieb und derlei als ‚Revolution‘ verbrämte, im erweiterten Kontext betrachtet;269
11.7;7. Fazit: Oelkers’ Füller – nur ein Tintenkleckser?;276
12;Kapitel IX. Völkische Sexualitätskonzepte in Jugendromanen und Erzählungen Jugendbewegter. Eine kleine Bücherschau der Jahre 1912 bis 1937;280
12.1;1. Hermann Burte: Wiltfeber, der ewige Deutsche (1912);281
12.2;2. Artur Dinter: Die Sünde wider das Blut (1918);287
12.3;3. Hjalmar Kutzleb: Das Brautpaar (1922) – und weiterer völkischer Schund, bis hin zu Gorgo (1937);289
12.4;4. Hans Zöberlein: Der Befehl des Gewissens (1937);294
13;Kapitel X. Vom Nutzen und Nachteil der Säuglingsonanie für das (Über-)Leben. Oder: Herman Nohl und die Zeitschrift für Kinderforschung zwischen 1923 und 1938;297
14;Kapitel XI. „Wer zweimal mit derselben pennt…“ Über die dunkle Seite der Studentenbewegung und der (dritten) „sexuellen Revolution“;310
14.1;1. Was sich da alles so hinweglästern lässt, nach den Methoden à la Götz Aly;311
14.2;2. Und was da alles war: Summerhill, „Whole lotta love“, Jerry Rubin & Co.;315
14.3;3. Über die wirklich ziemlich dunkle Seiten der Studentenbewegung, zum Beispiel Wilhelm Reich (und die Folgen);320
14.4;4. Wie wäre es (gewesen) mit ein wenig Theorie, etwa Adorno plus Bloch/Nietzsche?;326
15;Kapitel XII. Über ‚sexuelle Verwahrlosung‘ aus sozialpädagogischnietzscheanischer Perspektive;330
16;Kapitel XIII. Sexualpädagogik der Einfalt? Wieso Aufklärung gerade jetzt, nach dem Skandal um die „Horror-Kita“ (Bild) in Mainz, an der Zeit ist, vor allem jene über (katholische) Gegenaufklärer;342
17;Kapitel XIV. Sex sells? Moral Panic works? Mutmaßungen über den Niedergang des Projekts ‚Pädagogik als Wissenschaft‘ am Beispiel der Erstedition von Gustav Wynekens autobiographischem Text Kritik der Kindheit (1944);353
17.1;1. Zur These;353
17.2;2. Zur Person Gustav Wyneken (1875–1964);361
17.3;3. Zum Text;366
17.4;4. Zum Kommentar;373
17.5;5. Fazit;381
18;Kapitel XV. Sozialpädagogik als sexualpädagogisch ambitionierte Wissenschaft und Profession – ein Versuch;384
18.1;1. ‚Sozialpädagogik als Wissenschaft‘ – Sackgassen und Überholspuren;388
18.2;2. ‚Sozialpädagogik als Profession‘ – Sackgassen und Überholspuren;393
19;Epilog;418
20;Dokumentenanhang. Pädagogische Professionalität, Macht und Sexualität in non-formalen Sozial- und Bildungseinrichtungen (2011);423
21;Literatur;433
22;Danksagung;464