E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Oakley Mit jedem Tag wächst meine Sehnsucht
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7337-7730-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7337-7730-2
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zum Wohl ihrer kleinen Tochter Chloë, erklärt die aparte Künstlerin Lucy sich bereit, mit dem erfolgreichen Journalisten Daniel Grayling eine Vernunftehe einzugehen. Es ist der einzige Weg, das Sorgerecht für Chloë zu behalten. Doch mit jedem Tag, den Lucy mit Daniel in seiner eleganten Londoner Stadtvilla verbringt, wird die Situation komplizierter. Mal küsst Daniel sie zärtlich, dann zieht er sich wieder zurück. Wenn Lucy nur wüsste, wie Daniel für sie empfindet, wenn er nur reden würde! Aber er zieht sie nur in seine Arme - und schweigt ...
Auf die Frage 'Was willst du denn werden, wenn du groß bist?' hatte Natasha Oakley schon in der Grundschule eine Antwort. Jedem, der es hören wollte, erzählte sie, dass sie einmal Autorin werden würde. Ihr Plan war es, zu Hause bei ihren Eltern in London, wohnen zu bleiben und sich von ihrer Mutter in regelmäßigen Abständen Kaffee bringen zu lassen. Zu der Zeit mochte sie Kaffee noch nicht einmal, aber er gehörte zu ihrer Vorstellung einer fleißigen Autorin nun mal dazu. Die Kaffeesucht wurde tatsächlich zur Realität, auch wenn Natasha Oakley nicht mehr bei ihren Eltern lebt, sondern mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Bedfordshire, England. Mit dem Schreiben begann sie, als ihr fünftes Kind die Nächte durchschlief, und 2003 kaufte der Verlag Mills & Boon den zweiten Roman, den sie einsandte. In ihrer Freizeit, das heißt, wenn sie nicht gerade auf ihre 'Meute' aufpassen muss, geht Natasha Oakley gerne auf Antiquitätenmärkten und Auktionen auf Schatzsuche.
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2. KAPITEL
Lucy sah auf die Uhr und zuckte vor Schreck zusammen, denn es war schon nach sieben. Eigentlich hatte sie beim Treffen mit Daniel ruhig und gelassen sein wollen, sorgfältig zurechtgemacht und beherrscht. Doch die Zeit war wie im Flug vergangen. Nachdenklich blickte sie zu Chloë, die auf dem Spielplatz herumtollte.
„In fünf Minuten müssen wir los zu Grandma, Chloë!“ rief Lucy, während sie die Überreste des Picknicks einpackte.
Chloës blondes Haar wehte im Wind, als sie zu der riesigen Rutsche rannte. Lucy musste lächeln. Chloë lebte in einer heilen Welt. Und das wird auch so bleiben, schwor sie sich, was auch immer Daniel Grayling ihr an diesem Abend erzählen oder irgendein Gericht entscheiden mochte.
„Chloë, wir müssen los!“ Sie wollte die Picknickdecke zusammenlegen und hielt plötzlich inne, weil ein Mann sie beobachtete. Spielte die Fantasie ihr einen Streich, oder war es Daniel? Er würde doch sicher nicht einfach herkommen, ohne das mit ihr vorher besprochen zu haben. Plötzlich näherte sich der Mann, so dass sie ihn erkennen konnte.
„Hallo“, begrüßte Daniel sie.
„Was machen Sie denn hier? Sie sind über eine Stunde zu früh dran!“ rief Lucy wütend. „Wie können Sie es wagen? Chloë kennt Sie doch gar nicht! Sie hätten meine Tochter furchtbar erschrecken können!“
„Es tut mir Leid.“
Doch Daniel schien sein verfrühtes Auftauchen nicht zu bereuen. Er wirkte so gelassen und ruhig, wie Lucy es auch gern gewesen wäre.
Mit zusammengekniffenen Augen blickte er sie an. „Habe ich Ihnen vielleicht Angst eingejagt?“
Die Frage traf Lucy unvorbereitet. Sie überlegte kurz und erwiderte dann: „Ja.“
„Das tut mir Leid.“
Ihr Ärger war schon wieder fast verflogen. Sogar am Telefon hatte Daniel eine faszinierende Ausstrahlung, doch wenn sie ihm gegenüberstand, war die Wirkung noch viel stärker. Er hatte sandbraunes Haar und war schlank, aber muskulös, und hatte breite Schultern. Ein Mann, auf den man sich verlassen konnte. Und ein Gesicht, das man malen sollte, fügte Lucy in Gedanken hinzu. Durch ihre Kinder existierte eine Verbindung zwischen ihnen. Deshalb war es ganz normal, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Als er jungenhaft und ein wenig verlegen lächelte, verflog auch der letzte Rest ihrer Empörung.
„Ich konnte einfach nicht mehr zu Hause herumsitzen. Und die Fahrt von London hierher ging viel schneller als angenommen.“
Trotzdem hätte er mich nicht heimlich beobachten sollen, dachte Lucy und wandte ihm den Rücken zu. Aber es gelang ihr nicht, Daniel böse zu sein.
„Ich wollte nur ein bisschen spazieren gehen, Lucy. Dass Sie hier sein würden, konnte ich doch nicht wissen.“
Beim warmen, erotischen Klang seiner Stimme drehte sie sich zu ihm um. Erotisch. Sie erschrak über den Gedanken, denn wegen Michael kam es ihr wie ein Verrat vor.
Außerdem war Daniel Grayling zwar ein sehr angenehmer Mensch, aber ein Fremder, obwohl sie das Gefühl hatte, ihn bereits seit vielen Monaten zu kennen. „Warum sind Sie nicht weggegangen, als Sie mich gesehen haben?“
„Hätten Sie das denn getan?“
„Nein“, gab sie zu. Die Versuchung wäre viel zu stark gewesen: Abigail eine Weile zu beobachten und nach Ähnlichkeiten zu suchen, damit sie endlich mit ganzem Herzen glauben konnte, dass die Kleine ihre Tochter war.
„Übrigens hatten Sie Recht: Chloë ist wirklich sehr hübsch. Sie hat dasselbe aschblonde Haar wie Eloise.“
„Oh …“ Lucy presste die Decke an sich.
Er warf ihr einen schnellen Blick zu. „Hätte ich das nicht sagen sollen?“
„Doch, natürlich“, sagte sie stockend und bemerkte nicht, dass Chloë zu ihnen gerannt kam.
„Müssen wir jetzt los?“
„Ja.“ Lucy umfasste die Schulter ihrer Tochter. Was mochte Daniel wohl in diesem Moment empfinden?
„Kann ich nicht noch fünf Minuten bleiben?“
„Nein, leider nicht.“ Lucy traute sich nicht, Daniel anzusehen, spürte jedoch, dass er unbeweglich dastand. Es war ein bedeutsamer Augenblick für ihn – und auch für Chloë. Sie atmete tief ein. „Chloë, das ist Dr. Grayling. Erinnerst du dich, dass ich dir von ihm erzählt habe?“
Chloë drehte sich um und betrachtete den fremden Mann. Offenbar gefiel er ihr, denn sie lächelte plötzlich. Das war ungewöhnlich. Sonst sprach sie selten mit Erwachsenen, die sie nicht gut kannte, jetzt aber sagte sie: „Ich heiße Chloë.“
„Ich weiß, deine Mutter hat mir nämlich schon viel von dir erzählt.“ Über den blonden Schopf hinweg sah Daniel Lucy an. Sein Blick drückte Dankbarkeit aus und beruhigte sie gleichzeitig. Sie war überzeugt, richtig gehandelt zu haben.
„Ich darf heute bei Grandma schlafen.“
„Auch das hat deine Mummy mir erzählt.“ Er lächelte Chloë an, doch gleichzeitig wirkte er tieftraurig. Lucy wurde von heftigem Mitgefühl ergriffen: mit ihm, Chloë, Abby und allen Menschen, die sie liebten. Ihre Mutter liebte Chloë abgöttisch. Die Kleine war ihre Enkelin – und andererseits wiederum nicht. Und auch Daniel hatte sicher eine Mutter, die ihre leibliche Enkelin nie kennen gelernt hatte. Das alles zog endlose Kreise.
„Bist du ein neuer Freund von Mummy?“ fragte Chloë neugierig.
„Ja“, bestätigte Daniel ohne Zögern.
„Komm, Chloë, Grandma wartet sicher schon.“ Lucy nahm die Hand ihrer Tochter und drückte sie. Es war ein tröstliches Gefühl, die kleinen Finger in ihren zu halten. Daniel dagegen war allein. Sie konnte nur mutmaßen, wie er sich fühlte, als sie weggingen.
Vier Wochen zuvor war ihre Welt zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre zusammengestürzt. Lucy hatte es sich seitdem nicht erlaubt, über Abby nachzudenken. Zuerst musste Chloës Herz untersucht werden. Nach einer schier endlosen Wartezeit bekam sie die Nachricht, dass alles in Ordnung war. Dann musste sie mit den Juristen sprechen, die über den rechtlichen Status entscheiden würden. Und die ganze Zeit fühlte sie sich noch einsamer als nach Michaels Tod. Denn nun trug sie ein furchtbares Geheimnis mit sich herum, das sie niemandem anvertrauen konnte. Nur Daniel. Seine Anrufe waren der einzige Lichtstrahl gewesen, der die Dunkelheit der vergangenen Wochen erhellt hatte.
„Darf ich bis zum Frühstück bei Grandma bleiben?“ wollte Chloë wissen und zog leicht an ihrer Hand.
„Natürlich.“
„Wirst du auch dabei sein?“
Lucy musste lächeln. Sie wusste, dass Chloë ihre Großmutter gern für sich allein haben wollte. „Nein. Ich hole dich dann später ab.“
Chloë drehte sich um. „Dr. Grayling steht immer noch da. Er hat sich gar nicht von der Stelle bewegt.“
„Vielleicht ist er einsam und würde gern mit uns nach Hause fahren.“
Darüber dachte Chloë eine Weile nach. „Er sieht nett aus. Vielleicht könnten wir beide mit ihm befreundet sein.“
War das wirklich so einfach möglich? Lucy umfasste Chloës Hand fester. Was auch immer geschah, sie würde ihre kleine Tochter beschützen.
Eine Weile später drehte Lucy sich kurz um. Daniel stand noch immer am selben Fleck und sah ihnen nach. Er hatte die Hände in die Taschen seiner Jeans geschoben und wirkte sehr angespannt – und einsam.
Bald würde es ihr selbst so gehen. Ob sie das ertragen könnte? Sie konnte kaum ermessen, wie sie sich dabei fühlen würde. Werde ich mich in Abby wiedererkennen, fragte sie sich. Würde es so sein wie bei Chloës Geburt, als sie ihr in die Arme gelegt wurde – diese überwältigende Liebe, gemischt mit einem starken Verantwortungsgefühl? Damals hatte Lucy kaum glauben können, dass durch sie so etwas Vollkommenes wie Chloë entstanden war. Plötzlich gab es ihr einen Stich ins Herz. Ich habe Chloë nur zur Welt gebracht, dachte sie. Entstanden ist sie durch Daniel und Eloise.
Noch nie war Daniel etwas so schwer gefallen. Er blickte Lucy nach – und Chloë. Helles, aschblondes Haar und ein herzförmiges Gesicht. Genau wie Eloise, und doch so anders.
Chloë war sonnengebräunt und steckte voller Energie. Ihre Haut wirkte frisch und gesund, und ihre Augen glänzten. Mit dem verblichenen T-Shirt, den alten Shorts und dem zerzausten Haar sah sie dem Bild nicht sonderlich ähnlich, das er sich in den vergangenen Wochen von ihr gemacht hatte. Und doch gefiel sie ihm viel besser als in seiner Vorstellung. Er würde nie vergessen, wie er sie beim Balancieren auf der Wippe beobachtet hatte. Chloë war einfach glücklich gewesen.
Er konnte ihre kleine Hand in der ihrer Mutter kaum sehen. Die enge Bindung zwischen ihnen war nicht zu verkennen. Chloë bekam offenbar viel Liebe und Geborgenheit. Doch jetzt genügte es ihm nicht mehr, das zu wissen. Er wollte, dass seine kleine Tochter ihn kennen lernte.
Während der vergangenen Wochen hatte er die ganze Zeit an Chloë und ihre Mutter denken müssen. Lucy unterschied sich grundlegend von Eloise. Seine Frau war kultiviert, intelligent und bildhübsch gewesen, doch unter diesem Druck wäre sie zerbrochen. Lucy dagegen wurde mit der Situation fertig. Sie strahlte eine unbeugsame innere Stärke aus. Gleichzeitig brachte sie es fertig, dass ihre Tochter fröhlich und unbekümmert aufwuchs.
Ein Picknick im Park. Daniel konnte sich nicht daran erinnern, mit Abby je so etwas unternommen zu haben. Seit die Kindergartenzeit begonnen hatte, waren ihre Tage mit Klavier-, Ballett- und Gymnastikunterricht ausgefüllt. Wenn er abends aus seinem Arbeitszimmer kam, war sie meist sehr müde. Dann...