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E-Book, Deutsch, 176 Seiten

OSB Widerstehen und Wachsen

Die Macht des Dunklen in unserer Zeit – und wie wir ihr entgegentreten
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-451-83920-7
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die Macht des Dunklen in unserer Zeit – und wie wir ihr entgegentreten

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

ISBN: 978-3-451-83920-7
Verlag: Verlag Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Gibt es das: Dämonen und böse Geister? Oder handelt es sich um Relikte eines längst vergangenen Denkens, das in unserem Leben schon lange keine Rolle mehr spielt? In seinem neuen Buch richtet Anselm Grün den Blick auf die Dämonen unserer Gegenwart, die uns nicht nur im persönlichen Leben begegnen, sondern auch unsere Gesellschaft prägen. Ob es sich um destruktive Gefühle wie Zorn oder Trägheit handelt, um eine Verabsolutierung der Ökonomie oder eine alles überflutende Kommunikation, die uns den Blick für das Wesentliche raubt. Wie können wir heute auf diese 'bösen Geister' reagieren und uns ihnen widersetzen? Und wie kann Heilung geschehen? Anselm Grün verknüpft geistliche Weisheit mit modernen psychologischen Ansätzen. Ein Buch, das dazu inspiriert, destruktiven Einflüssen zu widerstehen und innerlich zu wachsen. 

Anselm Grün, Dr. theol., geb. 1945, Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, geistlicher Begleiter und Kursleiter in Meditation, Fasten, Kontemplation und tiefenpsychologischer Auslegung von Träumen. Seine Bücher zu Spiritualität und Lebenskunst sind weltweite Bestseller - in über 30 Sprachen. Sein einfach leben-Brief begeistert monatlich zahlreiche Leser.
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2.


Die Evangelien berichten davon, dass Jesus immer wieder Dämonen ausgetrieben hat. Die Bibel nennt die Dämonen oft »unreine Geister«. Es sind Mächte, die unser Denken trüben. Der Theologe Fridolin Stier nennt diese Dämonen auch Abergeister. Solche Abergeister zeigen sich in Menschen, die auf der einen Seite gerne geheilt werden möchten, aber dann doch Angst davor haben und sich daher der Heilung widersetzen. Manchmal treffe ich im Gespräch Menschen, die mich in ihren psychischen Problemen um Hilfe bitten. Wenn ich sie frage, was ihnen helfen könnte oder was ihnen guttut, verstummen sie. Sie finden nichts, was ihnen helfen könnte. Und wenn ich dann vorsichtig Vorschläge mache, was helfen könnte, dann antworten sie immer wieder: Aber bei mir geht das nicht. Aber das hilft mir nicht weiter. Ich spüre, wie mich diese Abergeister aggressiv machen. Und so ist es für mich verständlich, dass Jesus diese Abergeister nicht auflöst, sondern sie kraftvoll vertreibt, damit sie den Menschen nicht mehr beherrschen.

Die Dämonen in der Bibel stehen für innere Zwänge, für Lebensmuster, die den Menschen gefangen halten. So ein Lebensmuster, das uns am Leben hindert, ist der Gedanke: Keiner mag mich. Keiner will sich mit mir abgeben. Ich bin uninteressant für die andern. Ich bin langweilig. Ich bin eine Last für die Menschen.

Dämonen können auch unser Gottesbild trüben. Das zeigt Markus beim ersten Heilungswunder, das er berichtet. Jesus predigt in einer Synagoge »wie einer, der Vollmacht hat« (Mk 1,22). Im Griechischen steht hier: exousia. Das bedeutet: Er spricht aus dem Sein heraus, er spricht so von Gott, dass Gott erfahrbar, dass er spürbar wird. Da schreit auf einmal ein Mann in der Synagoge, der von einem unreinen Geist besessen war: »Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret. Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen?« (Mk 1,24) Da Jesus von Gott so spricht, wie es seinem Sein entspricht, wird das kranke Gottesbild in diesem Mann hervorgelockt. Vielleicht hat er Gott für sich benutzt, indem er sich über die andern stellte, indem er Gott für sich vereinnahmte und meinte, ihn genau zu kennen und zu besitzen. Dämonen vermitteln uns also kranke Gottesbilder. Und die Vertreibung der Dämonen ermöglicht uns den Blick auf den Gott, den uns Jesus verkündet: den barmherzigen Vater, den Gott, der die Menschen heilen und zu sich selbst befreien möchte.

Der Dämon kann auch ein stummer Geist sein, der den Menschen verstummen lässt. So beschreibt es uns Markus bei der Heilung eines besessenen Jungen (Mk 9,14–29). Offensichtlich ist der Sohn vor dem Vater verstummt, weil der Vater nicht an ihn geglaubt hat. Was Jesus hier heilt, ist die Beziehung zwischen Vater und Sohn. Der Dämon kann eine Verwicklung zwischen Vater und Sohn sein, die beiden nicht guttut. Jesus verteilt hier keine Schuldgefühle, es geht ihm nicht um die Frage, ob der Vater an der Besessenheit des Sohnes schuld ist. Er löst die Verwicklungen auf. Dämonen können somit Bilder für Beziehungen sein, die durcheinandergeraten sind und aus denen die Menschen selber nicht mehr ausbrechen können.

Die Vertreibung der Dämonen bedeutet also die Heilung des Einzelnen und die Heilung von Beziehungen. Doch wir können die Dämonenaustreibungen auch als Bild für die Reinigung und Heilung der Gesellschaft verstehen. In diesem Sinn möchte ich die Heilung des Besessenen von Gerasa auslegen (Mk 5,1–20). Da ist ein Mann, der aus der Gesellschaft ausgeschlossen ist und in Grabhöhlen haust, weil er es offensichtlich in der Gesellschaft nicht aushält. Die Leute versuchen ihn mit Fesseln zu bändigen, sie wollen ihn in das Netz ihrer Normen zwingen. Aber sie haben damit keinen Erfolg. Dieser Mann begegnet nun Jesus. Aber er bittet ihn nicht etwa darum, geheilt zu werden. Vielmehr schreit er Jesus an: »Was habe ich mit dir zu tun, Jesus, Sohn des höchsten Gottes!« (Mk 5,7) Er möchte in Ruhe gelassen werden. Und er spürt zugleich, dass er sich vor Jesus nicht verstecken kann.

Jesus hat sofort den unreinen Geist erkannt und befiehlt ihm, diesen Mann zu verlassen. Doch der unreine Geist gehorcht Jesus nicht. Er lässt sich nicht einfach durch einen Befehl austreiben. Daher beginnt Jesus ein Gespräch mit dem Mann. Er fragt ihn: »Wie heißt du?« Er spricht ihn als Person an. Er sieht hinter diesem nach außen hin chaotischen Mann die einmalige Person. Doch was antwortet der Mann? Er sagt: »Mein Name ist Legion; denn wir sind viele.« Der Mann ist nicht er selbst. Er ist von tausend verschiedenen Tendenzen hin- und hergerissen. Die verschiedenen Kräfte der Gesellschaft zerren ihn hin und her. Heilung kann nur gelingen, wenn er zu seinem wahren Selbst findet und all die Kräfte, die ihn in ihrer Macht halten, entmachtet werden.

Die Geschichte nimmt einen eigenartigen Verlauf, der uns beim Lesen erst einmal befremdet. Die Dämonen bitten Jesus, sie in die Schweine fahren zu lassen. Jesus erlaubt es ihnen, und die 2000 Schweine stürzen sich in den See. Wie soll man das verstehen? Es gibt sicher viele Deutungen dieser merkwürdigen Wendung. Die negativen Kräfte, die aus der Gesellschaft auf den Mann einströmen und ihn gefangen halten, lassen sich nicht einfach auflösen. Aber sie müssen als das entlarvt werden, was sie sind: schweinische Kräfte, die dem Menschen seine Würde rauben. Sie müssen ins Meer hinein. Das könnte man so verstehen: Sie müssen aus dem Bewusstsein des Mannes ausgewiesen werden und ins Unbewusste hinabgestoßen werden, sodass sie das Bewusstsein des Menschen nicht mehr trüben und beherrschen. Wir können die negativen Kräfte in unserer Gesellschaft nicht völlig auflösen. Aber es ist wichtig, sie beim Namen zu nennen und sie dann dorthin zu schicken, wo sie hingehören, in das Reich des Unbewussten. Unser Unbewusstes – so sagt C. G. Jung – ist oft durch die Geschehnisse der Vergangenheit geprägt. Das können wir nicht verhindern. Aber indem wir uns das Unbewusste bewusst machen, verliert es die Macht über unser bewusstes Denken und Handeln.

Wenn wir diese Geschichte auf unsere gesellschaftliche Situation hin interpretieren, stehen die Dämonen für die Vergangenheit unseres Landes. Was die Nationalsozialisten in der Seele der Menschen bewirkt haben, das wirkt im Unbewussten weiter. Wenn heute rechte Parolen wieder auftauchen, so geschieht das vor allem bei Menschen, die mit den unbewussten Tendenzen ihrer Seele nicht in Berührung sind. Weil sie sich dem Unbewussten nicht stellen und die Vergangenheit nicht bearbeitet haben, tauchen die Nazi-Tendenzen aus dem Unbewussten in ihr Bewusstsein auf, ohne dass diese Menschen merken, dass sie von diesen Parolen beherrscht werden. Die rechten Tendenzen lassen sich wie die Dämonen nicht aus der Gegend vertreiben. Aber sie müssen im Meer ertrinken, sie müssen ins Unbewusste hinab, sodass sie unser Bewusstsein nicht mehr beherrschen können.

Jesus treibt nicht nur selber Dämonen aus, er gibt auch seinen Jüngern den Befehl: »Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!« (Mt 10,8) Wir Christen haben also den Auftrag, dämonische Tendenzen in unserer Gesellschaft zu entlarven und aus den Menschen Dämonen auszutreiben. Wir sollen sie von trüben Geistern befreien, die ihr Denken verdunkeln und verwirren, sie von inneren Zwängen erlösen, derer sie sich oft gar nicht bewusst sind. Jesus sendet uns in die Welt, damit wir in seinem Namen Widerstand leisten gegen dämonische Kräfte in unserer Gesellschaft, gegen Tendenzen, die den Menschen krank machen und ihm schaden.

Das Neue Testament kennt aber nicht nur die Vertreibung der Dämonen durch Jesus und den Befehl Jesu an seine Jünger, auch in ihrer Verkündigung die Dämonen auszutreiben und die Menschen von den unreinen Geistern zu befreien, die ihr Denken trüben. Vor allem die Briefe des Neuen Testaments sprechen oft vom Widerstand, den wir gegen die Dämonen und die Mächte der Finsternis leisten müssen. Indem er auf das Schicksal Jesu verweist, fordert etwa der Hebräerbrief von uns: »Denkt an den, der von den Sündern solchen Widerstand gegen sich erduldet hat; dann werdet ihr nicht ermatten und den Mut nicht verlieren. Ihr habt im Kampf gegen die Sünde noch nicht bis aufs Blut Widerstand geleistet.« (Hebr 12,3 f.) Es geht also um einen zweifachen Widerstand: einmal um den Widerstand gegen die Sünder. Wir sollen ihnen keine Macht über uns geben. Und es geht um den Widerstand gegen die Sünde. Sünde ist für den Hebräerbrief das Verfehlen des Ziels (hamartia). In uns gibt es die Tendenz, an uns vorbei und nicht unserem Wesen entsprechend zu leben. Dieser Tendenz müssen wir mit Widerstand begegnen. Dann werden wir wie Jesus nicht ermatten, sondern kraftvoll unseren Weg gehen können. Das Ziel des Widerstands ist, dass wir innerlich stärker werden, dass unsere Seele wieder ihre ursprüngliche Kraft (dynamis) gewinnt.

Der Epheserbrief ruft uns dazu auf, uns eine geistliche Waffenrüstung anzulegen, um uns für den Kampf gegen das Böse zu rüsten: »Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt.« (Eph 6,11) Wenn hier von listigen Anschlägen des Teufels die Rede ist, sind damit die Worte gemeint, mit denen wir unser Tun oft rechtfertigen, obwohl wir in unserem Herzen genau wissen, dass es nicht stimmt. Es sind Gedanken, die uns auf falsche Fährten führen möchten, die uns überreden möchten, uns genauso zu verhalten wie alle andern, da alle andern doch auch so denken und handeln. Aber das Neue Testament versteht unser christliches Leben als Widerstand gegen Tendenzen, die unserem Wesen als Mensch und die uns...


OSB, Anselm Grün
Anselm Grün, Dr. theol., geb. 1945, Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, geistlicher Begleiter und Kursleiter in Meditation, Fasten, Kontemplation und tiefenpsychologischer Auslegung von Träumen. Seine Bücher zu Spiritualität und Lebenskunst sind weltweite Bestseller – in über 30 Sprachen.
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Anselm Grün, Dr. theol., geb. 1945, Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, geistlicher Begleiter und Kursleiter in Meditation, Fasten, Kontemplation und tiefenpsychologischer Auslegung von Träumen. Seine Bücher zu Spiritualität und Lebenskunst sind weltweite Bestseller – in über 30 Sprachen.
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