Paqué Wachstum!
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-446-42541-5
Verlag: Hanser, Carl
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Die Zukunft des globalen Kapitalismus
E-Book, Deutsch, 289 Seiten
ISBN: 978-3-446-42541-5
Verlag: Hanser, Carl
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Doch diese Sicht wird zunehmend in Frage gestellt. Immer mehr Wachstumskritiker fordern die Abkehr vom "Wachstumswahn". Sie tun es laut und offen. Ihre Argumente: Wachstum zerstört unsere Lebensgrundlagen, es führt zu unbeherrschbaren Finanzkrisen, es spaltet die Gesellschaft in Arm und Reich.
Karl-Heinz Paqué nimmt diese Kritik sehr ernst, vertritt aber eine ganz andere Sicht. Er zeigt in seinem Buch: Die drängenden ökologischen und sozialen Probleme der Menschheit sind nur durch Wachstum zu lösen. Wer Wachstum verteufelt, der liegt nicht nur sachlich falsch. Er begibt sich auch moralisch auf abschüssigen Grund.
Die Frage, wie wir Wachstum bewerten - ob wir es entschieden bejahen oder zutiefst ablehnen -, ist alles andere als ein akademisches Problem. Sie ist entscheidend für die Weichenstellungen, die wir in der Politik und in der Wirtschaft vornehmen: Sollen wir für die Zukunft unserer Gesellschaft weiterhin auf Wachstum setzen? Und wenn ja, wie muss dieses Wachstum aussehen?
"Eine überzeugende Analyse: Nicht Geld und Gier, sondern Technik und Wissen sind der Kern dessen, was Wirtschaftswachstum in der Globalisierung ausmacht. Deshalb, so Paqué, muss Wachstum ein politisches Ziel bleiben. Recht hat er." Prof. Dr. Roman Herzog, Bundespräsident a. D.
Der Autor Karl-Heinz Paqué stammt aus dem Saarland. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre, seit 1996 auf einem Lehrstuhl für Internationale Wirtschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Er ist auch Dekan der dortigen Fakultät für Wirtschaftswissenschaft. Von 2002 bis 2006 war er Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt. Er ist Mitglied des Konvents für Deutschland und Autor des Buches "Die Bilanz - Eine wirtschaftliche Analyse der Deutschen Einheit" (Carl Hanser Verlag 2009).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Impressum;5
2;Inhalt;8
3;Vorwort;10
4;1 Kräfte des Wachstums;12
4.1;1.1 Weltweite Industrialisierung;12
4.2;1.2 Wer gewinnt, wer verliert?;42
4.3;1.3 Der Preis der Abschottung;53
5;2 Grenzen des Wachstums;66
5.1;2.1 Bevölkerung und Ernährung;66
5.2;2.2 Energie und Klimawandel;81
5.3;2.3 Klimapolitik und Wertewandel;105
6;3 Risiken der Finanzmärkte;120
6.1;3.1 Was ist normal?;120
6.2;3.2 Die globale Krise;132
6.3;3.3 Was ist zu tun?;146
7;4 Wandel des Sozialstaates;168
7.1;4.1 Alter und Gesundheit;168
7.2;4.2 Arbeit und Bildung;192
7.3;4.3 Schulden und Steuern;208
8;5 Zukunft des Kapitalismus;220
8.1;5.1 Deutschland: Nation der Ideen?;220
8.2;5.2 Europa: Vielfalt und Spaltung?;236
8.3;5.3 Die Welt: Fortschritt durch Wachstum?;250
9;Dank;261
10;Anmerkungen;263
11;Abkürzungen;274
12;Literatur;275
13;Register;284
(S. 211-212)
5.1 Deutschland: Nation der Ideen?
Die Basar-Ökonomie – so lautete der Titel eines Buches, das Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Institutes München, im Jahr 2005 veröffentlichte. In diesem Buch beschrieb er eine düstere Zukunft für die deutsche Wirtschaft. Seine These: Die deutsche Industrie verlagert immer mehr Stufen der Produk- tion in Länder, in denen niedrigere Löhne gezahlt werden.
Die Fertigungstiefe geht deshalb immer weiter zurück; der Anteil der Vorleistungen, die aus dem Ausland bezogen werden, nimmt zu, und die steigenden Exporte spiegeln deshalb nur zum Teil eine Zunahme an exportierter Wertschöpfung wider. Sinn sah darin für die deutsche Wirtschaft einen Irrweg, und zwar hin zu dem, was er eben „Basarökonomie“ nennt. Gemeint ist eine Wirtschaft, die – was die eigene Wertschöpfung betrifft – Schritt für Schritt ausdörrt, und zwar durch die Abwanderung von industriellen Arbeitsplätzen. Wir sollten Hans-Werner Sinn dankbar sein für diese Analyse. Denn er hat damit einen wichtigen Aspekt der Globalisierung in die öffentliche Diskussion gebracht, nämlich die in - ter nationale Zerlegung der Wertschöpfungskette.
Allerdings sind seine Schlussfolgerungen fragwürdig: Wird die Zerlegung wirklich zum Niedergang der deutschen Industrie führen? Ist sie nicht Teil jenes großen Strukturwandels, der allein dafür sorgen kann, dass die deutsche Industrie langfristig im Welt - markt besteht und das Land weiterhin in Produktivität und Pro- Kopf-Einkommen eine Spitzenstellung in der Welt einnehmen kann? Oder anders gewendet: Ist sie nicht einer der Schlüssel zum nachhaltigen Wachstum und zum Erhalt möglichst vieler möglichst gut bezahlter Arbeitsplätze in Deutschland, also das genaue Gegenteil vom Weg in die Basarökonomie?
Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns zunächst eine banale Tatsache in Erinnerung rufen: In einem führenden Industrieland ist praktisch jede neue industrielle Produktlinie mit einer neuen Idee, einer Innovation verknüpft. Diese wird im Land selbst entwickelt – in hoch spezialisierten Abteilun- gen der Forschung oder auch in der betrieblichen Praxis. Die eigent liche Umsetzung in eine arbeitsfähige neue Produktion erfolgt in einem zweiten Schritt, der allerdings oft schon bei der Forschung im Vorhinein avisiert und analysiert wird.
Wo die einzelnen Produktionsstufen stattfinden, hängt dabei von einer Fülle von Bedingungen ab, die für den außenstehen- den Beobachter oft nicht im Einzelnen zu überschauen und zu be urteilen sind. Jedenfalls liegt es nahe, dass dabei auch Kostenunterschiede der Produktion ausgenutzt werden, und zwar entweder durch Ankäufe von einem schon vorhandenen Zulieferer, mit dem entsprechende Verträge über Outsourcing abgeschlossen werden, oder durch eigene Direktinvestitionen an einem neuen oder bereits etablierten Standort außer halb der Unternehmenszentrale im In- oder im Ausland.
Es ist ja ge radezu das Wesen einer modernen Arbeitsteilung, dass sie nicht starr an traditionellen Formen der vertikalen Integra tion klebt, die sich bei älteren Produktionsprozessen finden. Im Gegenteil, die Globalisierung erlaubt die Auflösung dieser geografischen Bindung der Produktion, und gerade dies schafft Potenziale für Fortschritte der Produktivität und Senkung der Kosten. Aus den Auslagerungen von Produktionsstufen entsteht eine typische räumliche Struktur, die sich als Arbeitsteilung zwi - schen den Unternehmenssitzen in den innovativen Zentren und „verlängerten Werkbänken“ der Peripherie ergibt.