Pasternak / Fischer | Meine Schwester - das Leben | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

Pasternak / Fischer Meine Schwester - das Leben

Werkausgabe Band 1. Gedichte, Erzählungen, Briefe
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-10-403236-8
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Werkausgabe Band 1. Gedichte, Erzählungen, Briefe

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Reihe: Fischer Klassik Plus

ISBN: 978-3-10-403236-8
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das unbekannte Werk im Schatten von ?Doktor Shiwago? - zum 125. Geburtstag von Boris Pasternak am 10.02.2015 Als 1958 ?Doktor Shiwago? mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, fehlte einer: sein Schöpfer. Boris Pasternak wurde von den russischen Behörden die Ausreise verwehrt, sein Autor blieb im Dunkeln. Dabei erzählt Pasternaks Leben das gesamte letzte Jahrhundert: Als 16jähriger spielte er Skrjabin vor, er studierte in Marburg Philosophie, wechselte Briefe mit Rilke und war mit Zwetajewa, Majakowski und Mandelstam befreundet. Im Gegensatz zu ihnen überlebte er den stalinistischen Terror und rächte sich im ?Doktor Shiwago?. - In einer dreibändigen Ausgabe seiner Erzählungen, Essays und Gedichte stellen wir das unbekannt gebliebene Werk eines der größten Dichter Russlands vor.

Boris Pasternak, 1890 in Odessa geboren, beschäftigte sich ab 1903 mit Komposition, immatrikulierte sich in Moskau und studierte 1912 bei Hermann Cohen in Marburg Philosophie. 1914 erschien sein erster Gedichtband, weitere folgten, doch wurde er ab den Dreißigern immer wieder politisch angegriffen. Bevor er 1955 ?Doktor Shiwago? abschließen konnte, entstanden zurückgezogen große Übersetzungen, u. a. von Shakespeare und Goethe. 1958 wurde ihm für seine Lyrik und Prosa der Nobelpreis zuerkannt, aber er war aus Furcht vor politischer Verfolgung gezwungen, den Preis abzulehnen. 1960 starb er in Peredelkino bei Moskau.
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Ist’s nicht Zeit, dass die Vögel singen


Über diese Verse


Ich zerstoße sie auf dem Bürgersteig

Mit Glas halb, halb mit Sonnensplit.

Die winters dem Plafond ich zeig,

Die feuchten Winkel lesen mit.

Da deklamiert das Dachgeschoss,

Neigt Rahmen erst und Winter sich.

Auf zum Gesims springt das Gesocks –

Die Narrheit, Not und Zeichenschrift.

Den Sturm begrenzt nicht Mondesfrist.

Das Ende, den Beginn deckt Schnee.

Plötzlich weiß ich: die Sonne ist;

Ein anderes Licht längst, das ich seh.

Weihnachten blickt: ein Dohlenkind,

Und ein recht ausgelassener Tag

Eröffnet viel von dem im Sinn,

Was fern, mir und der Liebsten, lag.

Mit vorgehaltener Hand, im Schal,

Ruf ich durchs Klappfenster: He, ihr

Da draußen, Kinder, sagt doch mal –

Welches Jahrtausend haben wir?

Wer bahnte zu der Tür den Pfad

Dem Loch, verstopft von Graupen roh,

Als ich mit Byron rauchend saß

Und als ich trank mit Edgar Poe?

Als zum Darjal, dem Freund gleich traut,

Ich fand, zu Hölle, Zeughaus und

Das Leben, wie Lermontows bebenden Laut,

In Wehmut tauchte, wie den Mund.

Schwermut


Als Epigraph, dies Buch besiegelnd,

Die Wüsten zischten,

Löwengebrüll, zur Reveille der Tiger

Hin zog es Kipling.

Da klaffte, dürr, die grausige Quelle,

Des Sehnens Nacktheit.

Sich wiegend, glättend, eisige Felle,

Und zähneklappernd.

Jetzt wiegen sie sich weiterlebend

Als Verse ranglos,

Trotten in Tau und Wiesennebel,

Träumen dem Ganges.

Das Frühlicht, kalte, giftige Schleiche,

Kriecht in die Löcher.

Im Dschungel Totenmessen-Feuchte,

Des Weihrauchs Röcheln.

Du bist meine Schwester – das Leben, bist heute

Der Regen des Frühlings auf jedem Gesicht;

Und hochnäsig blicken die Kneifer der Leute,

Die schlangengleich beißen aus Höflichkeitspflicht.

Die Älteren wissen der Gründe so viele.

Dein Grund ist ganz sicher, ganz sicher nur Spaß:

Wenns blitzt, schimmern Blicke und Rasen fast lila,

Der Horizont duftet resedenhaft nass.

Im Mai fährst du Bahn und willst Fahrpläne lesen,

Den Schilfdorfer Zweig hast du stets in der Hand;

Die Bibel ist niemals dir wichtig gewesen

Und niemals das Sofa, nach Stürmen, voll Sand.

Da stören die Bremsen mit Jaulen und Quietschen

Die schlafenden Dörfler im Krähwinkelrausch,

Und flüchtig erheben sich Köpfe von Pritschen,

Sein Mitleid mit mir drückt ein Sonnenstrahl aus.

Das Klingeln (das dritte) ist kaum zu erkennen,

Entschuldigend tönt es – nicht hier, nein, noch fern.

Gardinen durchsickert das nächtliche Brennen,

Die Steppe stürzt Stufen hinab bis zum Stern.

Sie blinzeln und zwinkern, sie schlafen mit Wonne,

Die Liebste, die Fata Morgana, sie träumt …

Doch ist durch die Plattform, die Türen, entronnen

Mein Herz – in die endlose Steppe gestreut.

übersetzt von Christine Fischer

Meine Schwester – du Leben und heute als Regen

Versprengt auf alle, ein Frühlingsborn.

Doch die mit Berlocken und eitelem Ekel,

Sie beißen höflich, wie Ottern im Korn.

Die Älteren werden wohl Gründe haben.

Unstrittig – vernunftlos ist deine Vernunft,

Dass violett im Gewitter sind Augen und Rasen,

Und der Horizont – feuchter Reseden Duft.

Dass du, reisend im Mai, im Fahrplan tüftelnd

Auf der Strecke Kamyschin liest im Coupé,

Grandioser sein Text als die Heilige Schrift ist

Und die staub-und-sturm-schwarzen Kanapees.

Dass, da mit Gekläff die Bremse stockt, rammelnd

Auf friedliche Ländler im Krähwinkelwein,

Man schaut – ist’s schon meiner – von den Polstern zum
Bahnsteig,

Und die Sonne, die sinkt, mir ihr Beileid bezeigt.

Seinem dritten Spritzer nach fortschwimmt das Glöckchen,

Ganz Entschuldigung es: Bedaure, der nicht.

Zum Stern stürzt die Steppe sich von dem Treppchen,

Und die rauchende Nacht untern Vorhang schlich.

Zwar blinzelnd und nickend, doch schläft es sich süß so,

Und als Fata Morgana die Liebste erträumt,

Zur Zeit, da das Herz, auf die Plattformen fließend,

Waggontüren in der Steppe verstreut.

Der weinende Garten


Der schreckliche! – Tropft und will wissen ja,

Ob er auf der Welt allein ist,

– Knautscht den Zweig an das Fenster, wie Spitzen da –

Oder ob ein Zeuge dabei ist.

Doch würgt die großporige Erde

Vernehmlich an der Schwere der Schwellungen,

Und man hört – augusthaft – von ferne,

Die Mitternacht wird in den Feldern reif.

Kein Laut. Und auch keine Lauscher.

Sich vergewissernd der Leere,

Greift er zum Alten, rinnt rauschend

Vom Dach, in die Rinnen, sie querend.

Ich berühre die Lippen, will hören,

Ob ich auf der Welt allein bin,

Drauf und dran, mich in Schluchzen zu lösen, –

Oder ob ein Zeuge dabei ist.

Doch still. Nicht ein Blättchen, das raschelt.

Kein Deut, kein Zeichen, nur grauses

Schlucken und Plätschern in Schlappschuhn

Und Tränen und Seufzer der Pausen.

Der Spiegel


Im Trumeau steigt der Dampf einer Tasse Kakao,

Der Tüll schaukelt und geradezu

Den Weg in den Garten, in Windbruch und Chaos

Zur Schaukel hin läuft der Trumeau.

Dort schinden die Kiefern die Luft bis zum Wabern

Mit Harz, in dem Treiben dort sucht

Ihre Brille die Palisade im Grase,

Dort liest der Schatten ein Buch.

Und ins Dunkel, nach hinten, hinters Pförtchen zur Steppe,

Wo der Duft der Schlafkräuter harrt,

Rieselt den Weg lang in den Ästchen und Schnecken

Der blinkende, glühende Quarz.

Der riesige Garten im Saale schüttert

Ins Glas – das er nicht einmal schrammt!

Als sei über alles Kollodium geglitten

Vom Pult bis zum Rauschen im Stamm.

Alles hatte, so schien es, die Flut des Spiegels

Übergossen mit nicht tauendem Eis,

Dass nicht bitter der Ast sei, nicht dufte der Flieder

– Unverdeckt die Hypnose allein.

Eine Welt ohne Maß irrt im Mesmerismus,

Und der Wind nur verbindet noch,

Was ins Leben stürzt und sich bricht im Prisma

Und in Tränen zu spielen frohlockt.

Nicht ersprengbar die Seele wie der Salpeter,

Nicht ergrabbar der Seele Schatz.

Der riesige Garten im Spiegel bewegt sich

In das Glas – das er nicht einmal kratzt.

Ich kann dort, in dieser hypnotischen Heimat,

Die Augen nicht zuwehn mit Staub.

So kriechen nach dem Regen Schnecken den Schleimpfad

– Als Statuen-Augäpfel im Laub.

Das Wasser rauscht an den Ohren, und, zwitschernd,

Ein Zeisig hüpft auf den Zeh’n.

Zerdrücke dreist Blaubeeren auf ihren Lippen,

Du wirst sie nicht trunken sehn.

Der riesige Garten im Saale zittert,

Zeigt dem Spiegel die Faust und rast

Zu ihm auf der Schaukel, hascht, tatscht, beschmiert, rüttelt

Den Trumeau – und zerbricht nicht das Glas!

Ein Mädchen


An der Brust des Felsens, dieses Recken,

nächtigte ein goldenes Wölkchen.

Von Garten und Schaukel, perlicke-perlocke:

Ein Zweig läuft ins Spiegelglas.

Riesig, nah, mit smaragdenen Tropfen

Oben auf seinem spitzigen Quast.

Verdeckt von dem Zweig, seiner wirren Verrücktheit,

Verschwunden des Gartens Gewog.

Trautes du, gartengroß, doch im Charakter –

Die Schwester! Ein zweiter Trumeau!

Doch nun, da man dieses Zweiglein hereinträgt,

In der Vase es stellt zum Trumeau:

Wer, rätselt der, will mir Augen weinen

Mit der menschlichen Kerker-Ruh?

Du, in den Wind dich setzend, prüfst:

Ist nicht der Vögel Zeit

Zu singen? – der benetzt ist wie

Ein Spätzchen, Fliederzweig!

Die Tropfen groß, manschettenknopfschwer,

Der Garten blitzt, ein Fluss,

So blendend, blaue Tränen tropft er,

Tränenmillion, die floss.

Den aufzog meine Sehnsucht mir –

Du ließest Dornen schaun –

Fing neu heut Nacht zu leben an

Mit Düften und...


Pasternak, Boris
Boris Pasternak, 1890 in Odessa geboren, beschäftigte sich ab 1903 mit Komposition, immatrikulierte sich in Moskau und studierte 1912 bei Hermann Cohen in Marburg Philosophie. 1914 erschien sein erster Gedichtband, weitere folgten, doch wurde er ab den Dreißigern immer wieder politisch angegriffen. Bevor er 1955 ›Doktor Shiwago‹ abschließen konnte, entstanden zurückgezogen große Übersetzungen, u. a. von Shakespeare und Goethe. 1958 wurde ihm für seine Lyrik und Prosa der Nobelpreis zuerkannt, aber er war aus Furcht vor politischer Verfolgung gezwungen, den Preis abzulehnen. 1960 starb er in Peredelkino bei Moskau.

Fischer, Christine
Christine Fischer, Privatdozentin für Slawische und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Jena, hat sich in ihrer Dissertation mit Musik und Dichtung bei Pasternak beschäftigt und zahlreiche Übersetzungen insbesondere aus der russischen Lyrik (darunter Lermontow, Fet, Achmatowa und Pasternak) vorgelegt.

Boris PasternakBoris Pasternak, 1890 in Odessa geboren, beschäftigte sich ab 1903 mit Komposition, immatrikulierte sich in Moskau und studierte 1912 bei Hermann Cohen in Marburg Philosophie. 1914 erschien sein erster Gedichtband, weitere folgten, doch wurde er ab den Dreißigern immer wieder politisch angegriffen. Bevor er 1955 ›Doktor Shiwago‹ abschließen konnte, entstanden zurückgezogen große Übersetzungen, u. a. von Shakespeare und Goethe. 1958 wurde ihm für seine Lyrik und Prosa der Nobelpreis zuerkannt, aber er war aus Furcht vor politischer Verfolgung gezwungen, den Preis abzulehnen. 1960 starb er in Peredelkino bei Moskau.
Christine FischerChristine Fischer, Privatdozentin für Slawische und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Jena, hat sich in ihrer Dissertation mit Musik und Dichtung bei Pasternak beschäftigt und zahlreiche Übersetzungen insbesondere aus der russischen Lyrik (darunter Lermontow, Fet, Achmatowa und Pasternak) vorgelegt.



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