E-Book, Deutsch, 252 Seiten
Reihe: De Gruyter Studium
Petersen Die mündliche Prüfung im ersten juristischen Staatsexamen
6. Auflage 2025
ISBN: 978-3-11-161443-4
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zivilrechtliche Prüfungsgespräche
E-Book, Deutsch, 252 Seiten
Reihe: De Gruyter Studium
ISBN: 978-3-11-161443-4
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Werk dient der Vorbereitung der mündlichen Staatsprüfung auf dem Gebiet des Zivilrechts im ersten Examen. Für alle Arten der mündlichen Prüfung werden konkrete Handlungsempfehlungen aufgezeigt. Skizzierte Prüfungsgespräche ermöglichen zudem die Wiederholung des zivilrechtlichen Pflichtfachstoffs. Die Neuauflage arbeitet mit den Mitteln der juristischen Methodenlehre in einem abschließenden Teil heraus, auf welche Weise man sowohl in der mündlichen Prüfung als noch im schriftlichen Verbesserungsversuch durch das Verständnis des inneren Systems der Privatrechtsordnung signifikant bessere Ergebnisse erzielen kann.
Zielgruppe
Exam candidates / Examenskandidat*innen
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Teil I: Zur mündlichen Prüfung im Allgemeinen
I. Die äußerlichen Besonderheitender Juristischen Staatsprüfung
Im Unterschied zu den meisten anderen mündlichen Prüfungen zeichnet sich die Juristische Staatsprüfung dadurch aus, dass zugleich mehrere Teilnehmer geprüft werden. Auf diesen fundamentalen Unterschied werden die Prüfungskandidaten und Studierenden erfahrungsgemäß im Studium sehr wenig vorbereitet, wie überhaupt die mündliche Prüfung sehr im Schatten der Ausbildung steht. Dabei verlangt gerade die konkrete Situation der Prüfung mehrerer Kandidaten von diesen ein höheres Maß an Einfühlungsvermögen und Folgsamkeit gegenüber dem Prüfungsstil des Vorsitzenden, das an sich nicht früh genug geübt und erarbeitet werden kann.
Die Prüfer und Prüfungskandidaten sitzen einander in aller Regel gegenüber. Die Sitzordnung der Prüfungskandidaten selbst wird oft vom Prüfungsamt festgelegt. Die prinzipielle Besonderheit der Prüfung besteht nun darin, dass nicht der Reihe nach jeder einzelne Prüfling vom Prüfer gefragt und abschließend geprüft wird. Es fällt also nicht ein Bruchteil der Zeit zur Gänze auf ihn, sondern das Prüfungsgespräch entwickelt sich mit allen Prüfungskandidaten gleichermaßen und gleichzeitig. Das bedeutet, dass der Prüfer die Frage oder den Fall, den er gestellt hat, zunächst einem Kandidaten vorlegt, und wenn er von diesem genug gehört hat oder dieser nicht weiter weiß, die Frage an den nächsten Kandidaten weitergibt.
Unkalkulierbar ist somit, wann die Frage genau an den einzelnen Prüfungskandidaten gelangt und in welchem Stadium sich die Fallprüfung bereits befindet. Oft wird einfach von links nach rechts geprüft, so dass der links außen sitzende Prüfungskandidat die Frage zuerst erhält und sodann bis zum vierten oder fünften – je nachdem, wie viele Prüfungsteilnehmer zugelassen sind – weiter geprüft wird. Mitunter beginnt der Prüfer aber bei einer bestimmten Person, die etwa von ihren Vornoten her die aus seiner Sicht günstigste zu sein scheint.
So wird nicht selten zunächst der am schlechtesten vorbenotete Prüfungsteilnehmer zuerst gefragt, weil davon ausgegangen wird, dass dieser die einfachen Grundlagen am ehesten zu bewältigen im Stande ist. Dabei spielt auch eine Rolle, dass zu Beginn der Prüfung das Spektrum der möglichen Antworten noch vergleichsweise breit ist, während sich die Prüfung im folgenden zunehmend verengt, so dass spezielle Kenntnisse erwartet werden.
Auf diese Weise gelangt der Prüfer häufig erst gegen Ende zu den stärkeren Kandidaten. Zwangsläufig ist dies allerdings nicht. Gerade die stärkeren Kandidaten werden zuweilen mit einem schwierigen Problemkreis konfrontiert, ohne „an der Reihe” zu sein. Für den Einzelnen bedeutet dies, dass man sich, auch wenn man etwa in der Mitte oder ganz am Ende der Reihe sitzt, nicht sicher sein kann, ob man nicht dessen ungeachtet der Erste ist, an den die Frage geht.
Die mündliche Prüfung beginnt häufig mit einem mehr oder weniger kleinen Fall. Einige Prüfer lassen dann den ersten Kandidaten, nachdem sie den Fall dargestellt haben, den Sachverhalt zunächst noch einmal zusammenfassen. Dieses sinnvolle Vorgehen ermöglicht es allen Kandidaten, noch einmal Klarheit darüber zu erlangen, was in dem vom Prüfer gestellten Fall genau passiert ist, so dass später möglichst keine Details mehr zweifelhaft bleiben. Diese Phase der Prüfung darf nicht unterschätzt werden. Hier werden gleichsam die Grundlagen für das folgende Gespräch geschaffen.
Man muss an dieser Stelle schon deshalb ganz besonders aufmerksam sein, weil die Gefahr besteht, dass man von vornherein außerhalb der Prüfung steht, wenn man den Fall nicht bis zur Gänze mitbekommen hat. Ebenso wie bei der ersten Lektüre des Sachverhalts muss die Konzentration hier am größten sein. Man darf nämlich nicht vergessen, dass es später nur noch ganz vereinzelte Möglichkeiten zu Rückfragen bezüglich einzelner Details des Sachverhalts gibt.
Deshalb empfiehlt es sich, die wesentlichen Punkte des Sachverhalts unmittelbar mitzuschreiben. Daten sowie die Reihenfolge der Geschehnisse sind wie immer besonders wichtig. Das primäre Augenmerk sollte in diesem Stadium der mündlichen Prüfung vornehmlich auf die Erfassung des Sachverhalts selbst gerichtet sein. Assoziationen oder Ansätze rechtlicher Würdigung, die sich zwangsläufig einstellen, können sich zwar im weiteren Verlauf als wertvoll herausstellen, sind jedoch zunächst nicht das Entscheidende. Wichtiger ist die lückenlose Erfassung des Sachverhalts.
Aus diesem Grund lässt der Prüfer bei längeren Sachverhalten den Prüfling häufig den Sachverhalt noch einmal mit eigenen Worten wiederholen. Oft ist es ein unsicher wirkender Prüfungskandidat, dem diese Aufgabe gleichsam zur Beruhigung gestellt wird. Das dahinterstehende Kalkül besteht in aller Regel darin, den Kandidaten zunächst ein wenig zu beruhigen, ihm das Gefühl zu geben, dass er etwas Unverfängliches und Richtiges sagt. Damit wird die erste Befangenheit durchbrochen und zugleich das weitere Gespräch auf eine sinnvolle Ebene gestellt.
Der mit der Wiederholung des Sachverhalts Beauftragte darf sich deshalb nicht „unterschätzt fühlen”. Auch ist an dieser Stelle der Prüfung noch nicht erforderlich und in der Regel gar nicht erwünscht, dass der Kandidat bereits in rechtliche Würdigungen einsteigt. Die Aufgabe besteht lediglich, aber immerhin darin, den Sachverhalt präzise zusammenzufassen. Auf diese Weise kann schon die Zusammenfassung des Sachverhalts eine nicht zu unterschätzende Prüfungsleistung darstellen. Weitschweifigkeiten und persönliche Einschätzungen sind in diesem Prüfungsbereich, wie überall, zu vermeiden. Es kommt dabei auch nicht auf eine besonders originelle Zusammenfassung an.
Wichtiger ist, dass alle Einzelheiten des Sachverhalts dargestellt werden. Je präziser und konziser dies gelingt, umso besser. Ist sich derjenige, der den Sachverhalt zusammenfassen musste, über einen Umstand nicht ganz im Klaren, etwa weil dieser bei der Darstellung des Sachverhalts durch den Prüfer etwas unklar erschien, so kann er dies durchaus in eine vorsichtige Frage kleiden („Habe ich Sie dahingehend richtig verstanden, dass A zu diesem Zeitpunkt schon …?”). Der Prüfer wird dies in der Regel sofort richtig stellen bzw. bejahen.
Ist der Kandidat mit der Zusammenfassung fertig, so beginnt die rechtliche Würdigung, bei welcher der Prüfer nicht selten schon einen anderen Kandidaten befragt. Auch dies darf der oder die mit dem Sachverhalt befasste Erstbefragte nicht zum Anlass nehmen, enttäuscht zu sein, weil er nur den Sachverhalt, nicht aber dessen rechtliche Würdigung behandeln durfte. Während der Zusammenfassung des Sachverhalts durch den ersten angesprochenen Prüfungsteilnehmer sollten die übrigen Kandidaten gleichzeitig den Sachverhalt noch einmal rekapitulieren, sich über etwaige Unklarheiten Deutlichkeit verschaffen und möglichst schon in eine erste rechtliche Auseinandersetzung treten.
Dabei kann es förderlich sein, während der Sachverhaltszusammenfassung eine als einschlägig empfundene Vorschrift zu suchen; doch sollte dies keineswegs in Hektik ausarten. Wichtiger ist in diesem Prüfungsstadium, dass alle Prüfungsteilnehmer über den Sachverhalt, der den folgenden Prüfungsteil bestimmt, Klarheit und Einigkeit hergestellt haben.
Der Gedanke einer spontanen und besonders brillanten Lösung sollte hier noch nicht den Vorrang haben. Es ist erfahrungsgemäß ein teuer erkaufter Umstand, sich nach einer besonders brillanten Lösung oder einer vermeintlich den Fall lösenden Vorschrift umzusehen, solange keine vollständige Klarheit über den Fall selbst besteht. In aller Regel ist dem Prüfer zu diesem Zeitpunkt selbst schon klar, wen er danach prüfen wird. Das wird regelmäßig der Nächste in der Reihe sein. Es kann aber auch ein anderer sein, den er etwa nach dessen Vornote dafür auserkoren hat.
Aller Erfahrung nach ist es dagegen sinnlos, in besonderer Weise auf sich aufmerksam machen zu wollen. Verpönt sind hier, wie in der ganzen mündlichen Prüfung, Handzeichen und Meldungen. Sie haben den entscheidenden Nachteil, dass sie aus Sicht des Prüfers oder der Mitprüfer den Eindruck erwecken, der Kandidat wolle sich in den Vordergrund spielen, weshalb sie in aller Regel vom Prüfer geflissentlich übergangen werden. Da derartige Verhaltensweisen potentiell auf Kosten der Mitprüflinge gehen können, wird ein derartiges Verhalten als besonders unangenehm empfunden.
Auch diskrete Fingerzeichen sind in diesem Zusammenhang tunlichst zu vermeiden. Dass man sich im Stande fühlt, eine Frage zu beantworten, kann man allenfalls mit einem offenen Blick signalisieren. Ohnehin ist es eine der am meisten verbreiteten Verhaltensweisen, den Prüfer entweder direkt anzusehen – in der Regel dann, wenn man die Frage beantworten kann – oder ins Gesetz bzw. das eigene Arbeitsblatt zu schauen. In jedem Fall sollte der Prüfungsteilnehmer auch nur den Anschein des überheblichen Verhaltens vermeiden. Bei der Antwort selbst empfiehlt es sich dagegen, den Prüfer immer genau anzusehen, da dessen Minenspiel in der Regel sehr aufschlussreich ist.
Damit ist die Frage aufgeworfen, wie man sich genau verhält,...