E-Book, Deutsch, 368 Seiten
Pfaller / Hofstadler After you get what you want, you don't want it
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-10-403730-1
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wunscherfüllung, Begehren und Genießen
E-Book, Deutsch, 368 Seiten
ISBN: 978-3-10-403730-1
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Robert Pfaller, geboren 1962, studierte Philosophie in Wien und Berlin und ist nach Gastprofessuren in Chicago, Berlin, Zürich und Straßburg Professor für Philosophie an der Kunstuniversität Linz. Von 2009 bis 2014 war er Professor für Philosophie an der Universität für angewandte Kunst Wien. In den Fischer Verlagen ist von ihm »Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft. Symptome der Gegenwartskultur« (2008) erschienen, die vielbeachtete Studie »Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie« (2011), »Zweite Welten. Und andere Lebenselixiere« (2012) sowie im Fischer Taschenbuch »Kurze Sätze über gutes Leben« (2015). Mit Beate Hofstadtler hat er außerdem den Band »After you get what you want, you don't want it. Wunscherfüllung, Begehren und Genießen« (2016) herausgegeben. Nach »Erwachsenensprache. Über ihr Verschwinden aus Politik und Kultur« (2017) erschien 2020 »Die blitzenden Waffen. Über die Macht der Form«. 2020 wurde ihm der Paul-Watzlawick-Ehrenring verliehen. Beate Hofstadler studierte Psychologie, Theater-, Film- und Medienwissenschaften. Sie arbeitet als Psychoanalytikerin in Wien und als Universitätslektorin in Graz. Zahlreiche Publikationen zu den Themen Psychoanalyse, Geschlecht, Film: ?Lesarten von Geschlecht. Pedro Almodóvars Film Todo sobre mi madre/Alles über meine Mutter? (2007), ?forschen - entdecken - erzählen. Zur Anwendung der Psychoanalyse für die Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung? (2012), sowie ?Hätten Sie mal Feuer? Intellektualismus, Begehren und Tabakkultur? (2012, hg. gem. m. Robert Pfaller).
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologische Theorie, Psychoanalyse Philosophische Psychologie, Logotherapie, Existenzanalyse
- Geisteswissenschaften Philosophie Philosophische Psychologie
- Geisteswissenschaften Philosophie Philosophie: Sachbuch
- Sozialwissenschaften Psychologie Psychologie / Allgemeines & Theorie Psychologische Theorie, Psychoanalyse Psychoanalyse (S. Freud)
Weitere Infos & Material
Raymond Borens
Er – war nicht Raoul. Sie – war nicht Marguerite
»Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wusste von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: Da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge.«
Zhuang Zi (Dschuang Dsi): »Das wahre Buch vom südlichen Blütenland«, Berliner Ausgabe 2013. Edition Holzinger.
Angeregt wurde ich zu diesen Zeilen von dem wiederholten, teils verzweifelten, teils ungläubig staunenden Ausruf eines jungen Mannes: Sie ist es nicht! Dieser Mann liebt eine Frau, mit der er dreimal den Versuch unternommen hat zusammenzuleben, dreimal war er glücklich mit ihr, dreimal »musste« er sich von ihr trennen mit einem: Sie ist es nicht. Und dem sich anschließenden: Wer bin ich? Derjenige, der diese Frau liebt, oder derjenige, der sie immer wieder verlässt und Affären mit anderen hat? Bin ich der Schmetterling, oder bin ich Dschuang Dschou?
Ich werde später auf den Fall zurückkommen, der in seiner Ausprägung ungewöhnlich ist, gleichzeitig aber auch eine für den Analytiker häufige Beobachtung bestätigt: Die Partnerin (oder der Partner), die geliebt und begehrt wird, ist plötzlich oder allmählich nicht mehr die Richtige, die Eigentliche. Es ist eine geradezu alltägliche Geschichte – außer für den/die Betroffenen.
»Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.«
Nicht nur der Analytiker, auch die Literatur lebt von dieser oder ähnlichen Geschichten.
Es findet sich eine wunderbare Gestaltung der Geschichte bei Alphonse Allais. Alphonse Allais ist ein französischer Schriftsteller und Humorist (1854–1905), Verfasser von phantastischen Novellen; sein Name taucht mehrmals bei Lacan auf, der besonders auf eine Geschichte Bezug nimmt, auf »Un drame bien parisien«, (»Ein sehr pariserisches Drama«; in: , Paris 2002: Garnier Flammarion). Ich werde jetzt etwas Unmögliches versuchen, nämlich das kunstvoll komponierte, in sieben Kapitel unterteilte und mit vielen Zitaten angereicherte Werk zusammenfassend wiederzugeben.
So weit dieser literarische Text, ein Text von einem der Schriftsteller, von denen Freud meinte, sie wüssten es immer schon, nämlich das, was wir Analytiker in mühsamer, hinkender Art und Weise erarbeiten müssen. Begegnen wir nun in unserer Tätigkeit Situationen, welche uns an literarische Texte erinnern oder umgekehrt? Die französische Redewendung »la réalité dépasse la fiction« (die Realität übersteigt die Fiktion) lässt sich zwar nicht abweisen, wohl aber muss die Frage aufgeworfen werden, was nun was beeinflusst oder gar determiniert: die Fiktion die Realität oder die Realität die Fiktion? Anders gesagt, welches ist das Modell: Emma Bovary für Provinzmädchen des 19. Jahrhunderts oder Letztere für Flauberts literarische Figur? Vielschichtiger wird die Frage noch dadurch, dass Emma Bovary nicht zuletzt erst durch Lektüre ihre ideal-romantischen Vorstellungen entwickelt. Ist Werther als Modell für romantische junge Männer zu sehen oder diese (zumindest einer von ihnen: Karl Wilhelm Jerusalem) für Goethes Figur?
Ich kann hier den verwickelten, letztlich wohl unauflösbaren Beziehungen und gegenseitigen Beeinflussungen von Realität und Fiktion nicht nachgehen, aber darauf hinweisen, dass immer wieder Situationen der Realität und solche der Fiktion aufeinander verweisen.
Was teilt er uns mit? Ce n’est pas elle, sie ist es nicht. Aber auch: Ich bin es nicht, wenn ich mit ihr bin. Ich bin es aber auch nicht, wenn ich mit anderen Frauen zusammen bin. Das Begehren ist das Begehren des Anderen, und das zeigt sich hier in doppelter Weise. Sein ideales Objekt ist und bleibt die Mutter, groß,...




