Pfeiffer Eine neosoziale Zukunft
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-531-91932-4
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 240 Seiten, eBook
ISBN: 978-3-531-91932-4
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Der Sozial- und Bildungsstaat ist an seine Grenzen gestoßen - Grenzen der Belastungen, Grenzen der Umverteilung und Grenzen der Wirksamkeit. Seine Ziele sind dennoch jung und frisch wie bei seiner Geburt, denn die Menschen brauchen unverändert Absicherung gegen die großen Lebensrisiken. Neosoziale Reformen, die auch die ungewollten negativen Nebenwirkungen und die Einbettung des Sozialstaats in Märkte systematisch einkalkulieren, müssen den lähmenden Problemstau - bei Arbeitslosigkeit, unzureichenden Aufstiegschancen für Kinder aus Unterschichten oder Unterausbildung - durch wirksamere Politik abarbeiten, damit nicht neue Krisen zu brutalen Lehrmeistern werden. Solidarität bleibt kostbar, aber auch immer knapp. Eine Lobbykratie - seit langem zu stark geworden - hat viel zu viel Herumverteilung ohne soziale Ergebnisse hervorgebracht und diskreditiert den Sozialstaat. Gerade deshalb muss Arbeit wieder knapper werden. Effektivere Märkte und ein intelligenterer Bildungs- und Sozialstaat werden weniger Ungleichheit hervorrufen und damit die Abhängigkeit von Sozialtransfers senken.
Ulrich Pfeiffer ist Geschäftsführer der empirica in Bonn.
Zielgruppe
Professional/practitioner
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;5
2;Vorwort des Herausgebers;7
3;Einleitung des Herausgebers;10
3.1;1 Nach der Krise;10
3.2;2 Vernachlässigte Einbettungen;12
3.3;3 Soziale Marktwirtschaft;13
3.4;4 Abgrenzungen und Kritik konkurrierender Konzepte;14
3.4.1;4.1 Von der sozialen Marktwirtschaft des Wettbewerbs zur Übermacht der sozial gemeinten Marktinterventionen;14
3.4.2;4.2 Neoliberale Konzepte;16
3.4.3;4.3 Neosozialistische Konzepte;17
3.5;5 Neosoziale Positionen;18
3.5.1;5.1 Bürger und neosozialer Staat – sozialer handelnde Bürger;18
3.5.2;5.2 Ziele erweitern, effektiver sichern und verwirklichen;19
3.5.3;5.3 Optimale Ungleichheit;19
3.5.4;5.4 Mehr Äquivalenz, Zurechnung und Transparenz;20
3.5.5;5.5 Mehrdimensionale Bemühungen um mehr Gleichheit;21
3.5.6;5.6 Lokalisierung;21
3.6;6 Solidarität bleibt knapp;21
4;Ein inhaltlicher Überblick;24
5;I. Zur Krise und Zukunft der Demokratie;30
6;II. Sozialstaat und Wirtschaftsentwicklung;46
6.1;1 Zur Evolution des Sozialstaats – Fundamente und Trends;46
6.1.1;1.1 Schlaglichter;46
6.1.2;1.2 Entwicklungsbedingungen und Erscheinungsformen des Sozialstaats;47
6.2;2 Zur Zukunft des Sozial- und Bildungsstaats;52
6.2.1;2.1 Die Themen;52
6.2.2;2.2 Mehrdimensionale Benachteiligungen;52
6.2.3;2.3 Sinkende Handlungsmöglichkeiten bei steigenden Ansprüchen;53
6.2.4;2.4 Besser funktionierende Märkte zur Entlastung des Sozialstaats;54
6.2.5;2.5 Eine wirksame Verteilungs- und Anerkennungspolitik;56
6.3;3 Ein effektiverer Staat;56
7;III. Sicherheit und Anerkennung – Der Sozialstaat an den Grenzen der Umverteilung;61
7.1;1 Ausdruck einer Idee von Staat und Gesellschaft;61
7.2;2 Demokratie, Nachhaltigkeit, Anerkennung;62
7.3;3 Den Sozialstaat auf eine breitere Grundlage stellen;65
7.4;4 Sozialstaat, Wohlfahrtsgesellschaft und die Politik der Anerkennung;66
7.5;5 Der Wandel der Gesellschaft und was er bedeutet für eine Politik der Anerkennung;69
8;IV. Die Finanzierung des Sozialstaats bei alternder Bevölkerung;72
8.1;1 Zehn Thesen vorab;72
8.2;2 Der Sozialstaat und die Sprengkraft der Alterung;74
8.2.1;2.1 Zur Demographie und dem Mangel an Nachhaltigkeit;74
8.2.2;2.2 Zum Anspruchsdenken;77
8.2.3;2.3 Zur politischen Ökonomie des Sozialstaats;79
8.3;3 Eine neosoziale Finanzierung des Sozialstaats;80
8.3.1;3.1 Zur intelligenten Finanzierung von Sozialleistungen;80
8.3.2;3.2 Zum Kürzungspotenzial in den Sozialversicherungen;83
8.3.3;3.3 Zur Generationengerechtigkeit von Reformen;84
9;V. Gesundheitssystem: Modell Schweiz – Vorbild oder Irrweg?;86
9.1;1 Kopfprämie oder Bürgerversicherung – der Streit um das bessere System;86
9.2;2 Wie ist das Gesundheitssystem der Schweiz organisiert?;86
9.3;3 Eine Beurteilung seiner Stärken und Schwächen;89
9.4;4 Zur Übertragbarkeit auf Deutschland;93
10;VI. Ein anderer Fiskus;97
11;VII. Soziale Verantwortung am Arbeitsmarkt*;118
11.1;1 Die Arbeit geht uns nicht aus;118
11.2;2 Arbeitslosigkeit: Resultat einer unsozialen Grundsicherung;120
11.3;3 Arm trotz Arbeit?;123
11.4;4 Die richtigen Erwerbsanreize setzen;125
11.5;5 Das Workfare-Konzept;126
11.6;6 Was ist soziale Gerechtigkeit?;129
11.7;7 Verbleibender Reformbedarf;132
11.8;8 Fazit;134
12;IX. Familienpolitik – weniger Ungleichheit, mehr Geburten;149
12.1;1 Familien heute;149
12.2;2 Armut an Geburten – Die sichtbarste Krise der Familie;149
12.3;3 Eine rationale Familienpolitik;152
12.3.1;3.1 Einige Grundsätze;152
12.3.2;3.2 Familienpolitik als Sozialpolitik für Kinder unzureichend – wichtige Erweiterungen und ihre Grenzen;154
12.4;4 Überlegungen zur Weiterentwicklung der Familienpolitik;157
12.4.1;4.1 Unterschiede in der Häufigkeit der Kinderzahl als Ausgangspunkt für familienpolitische Überlegungen;157
12.4.2;4.2 Eine speziellere Familienpolitik für große Familien?;160
12.4.3;4.3 Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie erhöhen;162
12.5;5 Familie und Schule;163
12.6;6 Zur Rolle von Männern und Frauen in der Familie;164
13;XI. Eine gute Schule;179
13.1;1 Bildungssystem in der Krise?;179
13.2;2 Eine gute Schule – ein Gespräch zwischen Gisela Schultebraucks-Burgkart und Ulrich Pfeiffer;180
14;XII. Klimapolitik: Auf der Suche nach globaler Wirksamkeit;191
14.1;1 Kein Zweifel an der Klimaänderung – aber noch keine weltweit wirksame Strategie;191
14.2;2 Klimaschutz muss effizienter werden;193
14.3;3 Egoistische Länder und erlösmaximierende Anbieter von Kohlenstoffenergien – eine Konstellation für unwirksamen Klimaschutz;197
14.4;4 Weltweites Nachfragemonopol oder Kauf von Lagerstätten, um Öl in der Erde zu lassen?;200
14.5;5 Die absolute Priorität: Preiswerte saubere Energien entwickeln;202
15;XIII. Für die Stadt von morgen – Kommune 2030;205
15.1;1 Die Aufgabe;205
15.2;2 Eckpunkte für eine Kommune 2030: Stärkung der Selbstverwaltung durch Einforderung des Subsidiaritätsprinzips und Revitalisierung der lokalen Demokratie in Städten und Regionen;206
15.2.1;2.1 Grenzen der Europäisierung der kommunalen Selbstverwaltung;206
15.2.2;2.2 Keine weitere Verstaatlichung der kommunalen Selbstverwaltung, sondern Stärkung ihrer Rolle durch Beteiligung an der Gesetzgebung und durch strikte Geltung der Konnexität;208
15.2.3;2.3 Die Zukunft der Stadt ist die Region – Regionalisierung der Kommunalpolitik;210
15.2.4;2.4 Mehr Selbstverwaltung wagen;212
15.2.5;2.5 Kommunale Selbstverwaltung – Wurzelwerk der Demokratie und Motor von Innovationen;218
16;XIV. Demokratische Mehrheiten für neosoziale Politik – wie man die Paradoxie des Politischen dafür nutzen könnte;220
16.1;I;220
16.2;II;221
16.3;III;222
16.4;IV;223
16.5;V;225
16.6;VI;226
16.7;VII;226
16.8;VIII;228
16.9;IX;229
16.10;X;231
17;Verzeichnis der Autoren;233
18;Schlagwortregister;237
des Herausgebers.- Ein inhaltlicher Überblick.- Zur Krise und Zukunft der Demokratie.- Sozialstaat und Wirtschaftsentwicklung.- Sicherheit und Anerkennung – Der Sozialstaat an den Grenzen der Umverteilung.- Die Finanzierung des Sozialstaats bei alternder Bevölkerung.- Gesundheitssystem: Modell Schweiz – Vorbild oder Irrweg?.- Ein anderer Fiskus.- Soziale Verantwortung am Arbeitsmarkt.- Unstillbarer Subventionshunger, regulierte Angebotsentwicklung.- Familienpolitik – weniger Ungleichheit, mehr Geburten.- Junge Menschen im Abseits.- Eine gute Schule.- Klimapolitik: Auf der Suche nach globaler Wirksamkeit.- Für die Stadt von morgen – Kommune 2030.- Demokratische Mehrheiten für neosoziale Politik – wie man die Paradoxie des Politischen dafür nutzen könnte.
XIII. Für die Stadt von morgen – Kommune 2030 (S. 206-207)
Rolf Böhme
Gemeinden sind wichtiger als der Staat
Theodor Heuß
1 Die Aufgabe
Die globale Finanzkrise zwingt den Staat zu milliardenschweren Staatsprogrammen, Steuererleichterungen und Garantien für gefährdete Banken und Unternehmen. Die Staatsverschuldung wird auf eine Rekordmarke des BIP ansteigen. Dennoch wird in breitem Konsens von Politik und Wirtschaft diese Schuldenlast akzeptiert, um Massenarbeitslosigkeit möglichst zu vermeiden. Die Finanzkrise trifft allerdings auf eine Bundesrepublik, die bereits vor der jetzigen internationalen Lage mit erheblichen inneren und eigenen Strukturschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Die Kontroversen um die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung haben einen Teil der Probleme deutlich gemacht. Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit der kommunalen Selbstverwaltung. Auch hier sind schwerwiegende Strukturveränderungen zu beobachten. Diese werden meistens an der chronischen Finanznot der Städte und Gemeinden festgemacht.
Deshalb wurde 2005 die Gewerbesteuer zur Stärkung und Stabilisierung ihres Aufkommens modifiziert. Bei den sozialen Ausgaben wurden die Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe im sogenannten Hartz-IV-Gesetz zum Arbeitslosengeld II zusammengefasst. Dadurch gelang eine qualitative Verbesserung der Gemeindefinanzen, die zusammen mit den starken Konjunkturjahren 2006-2008 auch zu guten Finanzergebnissen führte. Aber die Strukturfragen zur Gewerbesteuer sind geblieben und die Grundsteuer als zweite – viel zu schwache – Säule der Gemeindesteuern wurde überhaupt nicht behandelt und blieb völlig unverändert.
Auch die Entlastung im Sozialbereich durch das Arbeitslosengeld II ist nur teilweise gelungen und schuf keinen ausreichenden Ausgleich für die jahrelange Aufgaben- und Lastenübertragung des Bundes und der Länder auf die Kommunen. Vor allem wurden in der Sozial- und Jugendhilfe immer neue und mehr Aufgaben übertragen, ohne für ausreichenden Finanzausgleich zu sorgen. Dem drastischen Anstieg der kommunalen Soziallasten um rund 10 Mrd. € in den Jahren 1992-2004 stand ein beispielloser Verfall kommunaler Investitionen gegenüber.
Die Kommunen mussten ihre Investitionen in diesem Zeitraum um 60 % reduzieren (in Zahlen: um 14 Mrd. € auf weniger als 20 Mrd. €). Diese Entwicklung war negativ für die Städte und Gemeinden, weil sie zu einem Investitionsstau bei Schulen, Straßen und anderen Einrichtungen der Infrastruktur und Daseinsvorsorge führte (vgl. Presseerklärung Deutscher Städtetag 27.6.2005: Zehn Forderungen für eine zukunftsfähige Stadtpolitik). Die Wurzeln dieser finanziellen Auszehrung beruhen auf strukturellen Defiziten und langfristigen Fehlentwicklungen der kommunalen Selbstverwaltung. Es kommt darauf an, Denkanstöße zur Überwindung zu geben.