Proust | Gesammelte Werke: Romane + Novellen | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 3000 Seiten

Proust Gesammelte Werke: Romane + Novellen

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: Im Schatten der jungen Mädchen + Die Herzogin von Guermantes (Band 1&2) + Tage der Freuden + Weltlichkeit und Melomanie + Das Ende der Eifersucht und mehr
2. aktualisierte Auflage 2015
ISBN: 978-80-268-2974-4
Verlag: e-artnow
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit: Im Schatten der jungen Mädchen + Die Herzogin von Guermantes (Band 1&2) + Tage der Freuden + Weltlichkeit und Melomanie + Das Ende der Eifersucht und mehr

E-Book, Deutsch, 3000 Seiten

ISBN: 978-80-268-2974-4
Verlag: e-artnow
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Dieses eBook: 'Gesammelte Werke: Romane + Novellen' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Marcel Proust (1871-1922) war ein französischer Schriftsteller und Kritiker. Prousts Hauptwerk ist Auf der Suche nach der verlorenen Zeit (À la recherche du temps perdu) in sieben Bänden. Dieser monumentale Roman ist eines der bedeutendsten erzählenden Werke des 20. Jahrhunderts. 'Im Schatten der jungen Mädchen' und 'Die Herzogin von Guermantes' sind die zwei Teile dieses Werkes. Inhalt: Im Schatten der jungen Mädchen Die Herzogin von Guermantes (Band 1&2) Tage der Freuden: Der Tod des Baldassar Sylvandre, Freiherrn von Sylvanie Violante oder die Weltlichkeit Fragmente einer italienischen Komödie Weltlichkeit und Melomanie Trauriger Landaufenthalt der Madame de Breyves Die Beichte eines jungen Mädchens Das große Diner Trauer und Träume in allen Regenbogenfarben Das Ende der Eifersucht Im Schatten der jungen Mädchen: Der Roman spielt im Frankreich des Fin de siècle in der gehobenen Gesellschaft. Ein Ich-Erzähler berichtet von seinem Leben und vom Vorgang des Erinnerns. Der Ich-Erzähler stammt aus einer Familie des Pariser Bürgertums, die den Sommer üblicherweise bei Verwandten auf dem Land verbringt. Der Erzähler verbringt die Sommerfrische in dem fiktiven Badeort Balbec, ein Großteil der Handlung spielt im dortigen Grandhotel. Hier verliebt sich der Ich-Erzähler erstmals in die junge Albertine. Die Herzogin von Guermantes: Der Ich-Erzähler steigt in der Welt des Adels auf und besucht die Salons. Hier macht er sich über das leere Geplauder der Menschen lustig, aber er ist auch fasziniert und kann sich nicht von ihnen trennen, um sein Werk zu schaffen. Die politischen Affären seiner Zeit interessieren ihn kaum. Er bekommt nur mit, dass die Dreyfus-Affäre es manchen Personen erlaubt, gesellschaftlich aufzusteigen, während sie andere zum Abstieg zwingt...

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Weitere Infos & Material


I. Band


Inhaltsverzeichnis

Das Piepen der Vögel morgens kam Françoise abgeschmackt vor. Bei jedem Wort der »Bonnen« fuhr sie in die Höhe; es war ihr lästig, wenn sie ihre Schritte hörte, und sie fragte sich, was sie nur treiben! Wir waren umgezogen. Gewiß machten die Dienstboten, die sie in dem sechsten Stock über unserer früheren Wohnung hörte, nicht weniger Lärm; aber die kannte sie, mit ihrem Kommen und Gehn hatte sie sich angefreundet. Jetzt gab sie gequält sogar auf die Stille acht. Und da unser neues Viertel so still schien wie der Boulevard, an dem wir bisher wohnten, laut war, trieb – schwach, von fern gehört wie ein Orchestermotiv – das Lied eines Vorübergehenden der Françoise in ihrem Exil die Tränen in die Augen. Wohl hatte ich mich über sie lustig gemacht, als sie bekümmert war, ein Haus verlassen zu müssen, wo man »allerseits so geachtet« war, als sie mit Tränen ihre Koffer nach den Riten von Combray packte und das Haus, das unser Haus war, für das beste aller denkbaren Häuser erklärte; nun aber fühlte ich, der ich doch so leicht Neues aufnahm und Altes aufgab, mich unserer alten Dienerin näher, als ich sah, wie es sie nahezu krank machte, in einem Hause sich einrichten zu müssen, wo ihr von dem Pförtner, der uns noch nicht kannte, nicht die Achtung bezeigt wurde, die für ihre gute seelische Ernährung so notwendig war. Sie allein konnte mich verstehn, sicherlich nicht ihr junger Lakai: für ihn, der eben ganz und gar nicht aus Combray war, bedeutete umziehen und ein neues Viertel bewohnen etwas ähnliches wie Ferien haben; die Neuheit aller Dinge wirkte beruhigend auf ihn wie eine Reise; ihm war zu Mute wie auf dem Lande; ein Schnupfen gab ihm, wie ein Luftzug, den man am schlecht schließenden Waggonfenster bekommt, den köstlichen Eindruck, er habe fremdes Land gesehn; jedesmal, wenn er nieste, freute er sich, eine so feine Stellung gefunden zu haben; hatte er sich doch immer eine Herrschaft gewünscht, die viel reiste. So kümmerte ich mich denn nicht um ihn, sondern wandte mich an Françoise selbst; aber wie ich über ihre Tränen bei einem Umzug, der mich kalt ließ, gelacht hatte, blieb nun sie meiner Traurigkeit gegenüber eisig, weil sie sie teilte. Mit der angeblichen Empfindlichkeit der Nervösen wächst ihre Selbstsucht; sie können nicht ertragen, daß andere sich Beschwerden anmerken lassen, die sie bei sich mit wachsender Aufmerksamkeit verfolgen. Françoise, die von den eigenen nicht die geringste unbeachtet vorübergehn ließ, wandte den Kopf ab, wenn ich litt, damit ich nicht das Vergnügen habe, mein Leiden beklagt oder auch nur bemerkt zu sehn. So verhielt sie sich auch, sobald ich ihr von unserm neuen Haus sprechen wollte. Nach zwei Tagen mußte sie noch Kleider holen, die wir im alten Haus vergessen hatten; während ich nun noch vom Umzug her »Temperatur« hatte und wie eine Boa, die einen Ochsen verschlungen hat, mich qualvoll aufgeschwollen fühlte von dem Anblick einer langen Truhe, die meine Augen nicht »verdauen« wollten, sagte Françoise, als sie aus der alten Wohnung wiederkam, mit weiblicher Untreue, sie habe nicht atmen können auf unserm alten Boulevard, sie sei auf dem Nachhauseweg »ganz aus der Déroute gekommen«, nie habe sie so unbequeme Treppen gesehn, nicht für ein Kaiserreich würde sie da wieder wohnen wollen, Millionen könnte man ihr bieten (im Grunde gegenstandslose Hypothesen), alles (das heißt, was Küche und Gänge betraf) sei in unserm neuen Heim viel besser »aufgezogen«. Nun wird es Zeit zu sagen, daß dies – wir hatten es bezogen, weil meine Großmutter sich nicht sehr wohl fühlte und reinere Luft nötig hatte, ein Grund, den wir ihr wohlweislich verschwiegen – eine Wohnung war, die zu dem Hause Guermantes gehörte.

In dem Alter, in dem die Namen uns Bilder des Unkennbaren, das wir in sie gelegt haben, darbieten und uns zugleich wirklich vorhandene Orte bezeichnen, zwingen sie uns, Bild und Ort zu identifizieren. So kommt es, daß wir in einer Stätte eine Seele suchen, die sie gar nicht enthalten kann, aber wir können sie eben nicht mehr aus ihrem Namen vertreiben. Und darum geben die Namen nicht nur Städten und Flüssen eine Individualität (in der Art allegorischer Malerei), nicht nur das physische Universum malen sie bunt und vielfältig aus und bevölkern es mit Wundern, sondern auch das soziale; jedes Schloß, jedes berühmte Haus, oder jeder Palast bekommt seine Dame, seine Fee, wie die Wälder ihre Genien haben und ihre Gottheiten die Gewässer. Tief im Innersten ihres Namens verwandelt die Fee sich bisweilen, da sie dem Leben unserer Phantasie, von welchem sie sich nährt, gefallen will; so war die Atmosphäre, in der Frau von Guermantes für mich existierte, jahrelang nur der Widerschein eines Laterna-Magica-Bildes und eines Kirchenfensters gewesen; jetzt verlor sie diese Farben allmählich, und ganz andere Träume gaben ihr schäumige Feuchte von Gießbächen.

Allein die Fee vergeht, wenn wir uns der wirklichen Person nähern, der ihr Name entspricht, denn nun beginnt der Name die Person widerzuspiegeln, und die enthält nichts von der Fee; die Fee kann aufleben, wenn wir uns von der Person entfernen; bleiben wir aber, so stirbt die Fee endgültig und mit ihr der Name, wie die Familie Lusignan an dem Tage erlöschen muß, an dem die Fee Melusine verschwindet. Der Name, unter dessen vielen Übermalungsschichten wir schließlich als das eigentliche das schöne Bild einer Unbekannten hätten finden können, die wir nie kennenlernen, ist dann nur noch die einfache Paßphotographie, die wir uns nur vergegenwärtigen, um festzustellen, ob wir eine Person, der wir begegnen, grüßen müssen oder nicht. Aber manchmal gibt ein Eindruck vergangener Jahre – wie Phonographen, welche Klangfarbe und Stil verschiedener Künstler, die für sie spielten, registrieren – unserm Gedächtnis die Fähigkeit, einen Namen mit dem besondern Klang uns vernehmbar zu machen, den er damals für unser Ohr hatte: scheinbar ohne daß dieser Name ein anderer geworden sei, fühlen wir die Spanne, welche die wechselnden Träume, mit denen wir diese gleichbleibenden Silben erfüllten, voneinander trennt. Für einen Augenblick können wir aus dem neu vernommenen Klang von Vogelstimmen eines früheren Frühlings wie aus kleinen Farbentuben – die genaue vergessene geheimnisvolle frische Nuance jener Tage gewinnen, an die wir uns immer erinnern zu können glaubten, und doch hatten wir nur wie schlechte Maler unserm ganzen, auf eine große Leinwand gebreiteten früheren Leben die üblichen, immer gleichen Töne willkürlichen Gedächtnisses verliehen. Und jeder der Augenblicke, aus denen sie sich zusammensetzt, verwandte doch zu einer Originalschöpfung von einzigartiger Harmonie die Farben von damals, welche wir nicht mehr kennen. Mich entzücken sie immer noch, wenn mit einmal durch irgendeinen Zufall der Name Guermantes für einen Augenblick nach so viel Jahren wieder jenen ganz andern Klang bekommt, den er am Tage der Hochzeit von Fräulein Percepied für mich hatte: dann sehe ich wieder das süße, zu leuchtende, zu neue Lila im Sammetglanz der bauschenden Krawatte, welche die junge Herzogin trug und – wie unpflückbares wiedererblühtes Immergrün – ihre Augen, von blauem Lächeln durchsonnt. Und der Name Guermantes von damals ist auch wie einer der kleinen Ballons, in die man Sauerstoff oder irgendein anderes Gas einschließt; bring ich ihn zum Platzen, laß ich seinen Inhalt heraus, so atme ich wieder die Luft von Combray, die Luft jenes Jahres und Tages, vermengt mit dem Weißdornduft an der Ecke des Platzes im regenschweren Winde, der die Sonne bald vertrieb, bald auf den roten Wollteppich der Sakristei ausbreitete – der bekam dann die leuchtende, fast rosa Fleischfarbe von Geranium und eine sozusagen wagnerische Süße mitten in dem lauten Frohsinn, welche den Festen ihre Würde wahrt. Aber dies Erlebnis beschränkt sich nicht auf solche seltenen Minuten, in denen wir plötzlich aus den erstorbenen Silben ursprüngliches Wesen bebend aufsteigen und Form und Umriß gewinnen fühlen. Haben die Namen auch im taumelnden Wirbel des laufenden Lebens, wo sie nur noch rein praktisch gebraucht werden, alle Farbe verloren, wie ein prismatischer Kreisel, der sich zu schnell dreht und grau aussieht –, wenn wir träumend nachdenken und, um ins Vergangene zurückzufinden, die beständige Bewegung, die uns mitreißt, zu verlangsamen, aufzuheben versuchen, dann sehn wir nach und nach nebeneinander, doch alle deutlich unter sich geschieden, die Farbtöne auftauchen, die im Lauf unseres Daseins, einen nach dem andern, ein und derselbe Name uns darbot.

Zwar weiß ich nicht, welche Form in meinen Augen der Name Guermantes bekam, als meine Amme mich einwiegte mit dem alten Lied: Heil der Marquise von Guermantes – und sie wußte wohl so wenig wie heut ich selbst, zu wessen Ehren dieses Lied komponiert worden war – oder als ein paar Jahre später der alte Marschall von Guermantes zum Stolz meines Kindermädchens in den Champs-Elysées bei uns stehn blieb, ausrief: »Ein schönes Kind!« und dabei aus einer Bonbonniere ein Schokoladenplätzchen herausholte. Diese ersten Jahre meiner Kindheit sind nicht mehr in mir, sie sind mir ein Äußeres, über das ich wie über alles, was vor unserer Geburt gewesen ist, nur aus Berichten anderer etwas erfahren kann. Für später aber finde ich hintereinander in der Fortdauer dieses Namens in mir sieben oder acht verschiedene Figuren; die ersten waren die schönsten; nach und nach aber wurde mein Traum gezwungen, eine unhaltbare Stellung aufzugeben und verschanzte sich weiter diesseits, bis er auch von dort noch zurückweichen mußte. Und sooft Frau von Guermantes ihren Wohnort wechselte – auch er entstammte diesem Namen, den von Jahr zu Jahr...



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