E-Book, Deutsch, 484 Seiten
Racine Meine Dramen
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3357-8
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 484 Seiten
ISBN: 978-3-8496-3357-8
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jean Baptiste Racine war einer der bedeutendsten Autoren der französischen Klassik. Er gilt den Franzosen als ihr größter Tragödienautor neben oder gar vor Pierre Corneille. Dieser Band beinhaltet die Dramen: Phädra Andromache Athalia Britannicus Mithridat
Weitere Infos & Material
Erster Auftritt.
Theseus. Oenone.
THESEUS.
Was hör ich! Götter! solchen Angriff wagte
Ein Rasender auf seines Vaters Ehre!
Wie hart verfolgst du mich, ergrimmtes Schicksal!
Ich weiß nicht, was ich soll, nicht, was ich bin!
O wird mir solcher Dank für meine Liebe?
Fluchwerte Tat! Verdammliches Erkühnen!
Und seiner wilden Lust genugzutun,
Erlaubte sich der Freche gar Gewalt!
Erkannt hab ichs, das Werkzeug seiner Wut,
Dies Schwert, zu edlerm Dienst ihm umgehangen,
Nicht hielt ihn selbst die heilge Scheu des Bluts!
Und Phädra säumte noch, ihn anzuklagen,
Und Phädra schwieg und schonte des Verräters.
OENONE.
Des unglückselgen Vaters schonte Phädra.
Vom Angriff dieses Wütenden beschämt
Und dieser frevelhaften Glut, die sie
Schuldlos entzündet, wollte Phädra sterben.
Schon zuckte sie die mörderische Hand,
Das schöne Licht der Augen auszulöschen,
Da fiel ich ihr in den erhobnen Arm,
Ja, ich allein erhielt sie deiner Liebe.
Und jetzt, o Herr, von ihrem großen Leiden,
Von deiner Furcht gerührt, entdeckt ich dir,
Ich tats nicht gern, die Ursach ihrer Tränen.
THESEUS.
Wie er vor mir erblaßte, der Verräter!
Er konnte mir nicht ohne Zittern nahn!
Ich war erstaunt, wie wenig er sich freute!
Sein frostiger Empfang erstickte schnell
Die frohe Wallung meiner Zärtlichkeit.
– Doch dieser Liebe frevelhafte Glut,
O sprich, verriet sie sich schon in Athen?
OENONE.
Denk an die Klagen meiner Königin,
O Herr! Aus einer frevelhaften Liebe
Entsprang ihr ganzer Haß.
THESEUS.
Und diese Liebe
Entflammte sich von neuem in Trözene?
OENONE.
Herr, alles, was geschehen, sagt ich dir!
Zu lang ließ ich die Königin allein
In ihrem Schmerz; erlaube, daß ich dich
Verlasse, Herr, und meiner Pflicht gehorche.
Oenone geht ab.
Zweiter Auftritt.
Theseus. Hippolyt.
THESEUS.
Da ist er! Götter! Dieser edle Anstand!
Welch Auge würde nicht davon getäuscht!
Darf auf der frechen Stirn des Ehebruchs
Die heilige Majestät der Tugend leuchten?
Wär es nicht billig, daß der Schalk im Herzen
Durch äußre Zeichen sich verkündete?
HIPPOLYT.
Herr, darf ich fragen, welche düstre Wolke
Dein königliches Angesicht umschattet!
Darfst du es deinem Sohne nicht vertraun?
THESEUS.
Darfst du, Verräter, mir vors Auge treten?
Ungeheuer, das der Blitz zu lang verschont!
Unreiner Überrest des Raubgezüchts,
Von dem mein tapfrer Arm die Welt befreite!
Nachdem sich deine frevelhafte Glut
Bis zu des Vaters Bette selbst verwogen,
Zeigst du mir frech noch dein verhaßtes Haupt?
Hier an dem Ort, der deine Schande sah,
Darfst du dich zeigen, und du wendest dich
Nicht fremden fernen Himmelsstrichen zu,
Wo meines Namens Schall nie hingedrungen?
Entflieh, Verräter, reize nicht den Grimm,
Den ich mit Müh bezwinge – Schwer genug
Büß ich dafür mit ewger Schmach, daß ich
So frevelhaftem Sohn das Leben gab,
Nicht auch dein Tod soll mein Gedächtnis schänden
Und schwärzen meiner Taten Glanz – Entflieh!
Und willst du nicht, daß eine schnelle Rache
Dich den Frevlern, die ich strafte, beigeselle,
Gib acht, daß dich das himmlische Gestirn,
Das uns erleuchtet, den verwegnen Fuß
Nie mehr in diese Gegend setzen sehe!
Entfliehe, sag ich, ohne Wiederkehr,
Reiß dich von dannen, fort und reinige
Vom Greuel deines Anblicks meine Staaten.
– Und du, Neptun, wenn je mein Arm dein Ufer
Von Raubgesindel säuberte, gedenk,
Wie du mir einst zu meiner Taten Lohn
Gelobt, mein erstes Wünschen zu erhören!
Nicht in dem Drang der langen Kerkernot
Erfleht ich dein unsterbliches Vermögen,
Ich geizte mit dem Wort, das du mir gabst,
Der dringenderen Not spart ich dich auf.
Jetzt fleh ich dich, Erschütterer der Erde!
Räch einen Vater, der verraten ist:
Hin geb ich diesen Frevler deinem Zorn,
Erstick in seinem Blut sein frech Gelüsten,
An deinem Grimm laß deine Huld mich kennen!
HIPPOLYT.
Phädra verklagt mich einer strafbarn Liebe!
Dies Übermaß des Greuls schlägt mich zu Boden.
So viele Schläge, unvorgesehn, auf einmal,
Zerschmettern mich und rauben mir die Sprache!
THESEUS.
Verräter, dachtest du, es werde Phädra
In feiges Schweigen deine Schuld begraben,
So mußtest du beim Fliehen nicht das Schwert,
Das dich verdammt, in ihren Händen lassen.
Du mußtest, deinen Frevel ganz vollendend,
Mit einem Streich ihr Stimm und Leben rauben.
HIPPOLYT.
Mit Recht entrüstet von so schwarzer Lüge,
Sollt ich die Wahrheit hier vernehmen lassen,
Doch, Herr, ich unterdrücke ein Geheimnis,
Das dich betrifft, aus Ehrfurcht unterdrück ichs.
Du billige das Gefühl, das mir den Mund
Verschließt, und, statt dein Leiden selbst zu mehren,
Prüfe mein Leben, denke, wer ich bin.
Vor großen Freveln gehen andre stets
Vorher; wer einmal aus den Schranken trat,
Der kann zuletzt das Heiligste verletzen.
Wie die Tugend hat das Laster seine Grade,
Nie sah man noch unschuldge Schüchternheit
Zu wilder Frechheit plötzlich übergehn.
Ein Tag macht keinen Mörder, keinen Schänder
Des Bluts aus einem tugendhaften Mann.
An einer Heldin keuscher Brust genährt,
Hab ich den reinen Ursprung nicht verleugnet;
Aus ihrem Arm hat Pittheus mich empfangen,
Der fromm vor allen Menschen ward geachtet;
Ich möchte mich nicht selbst zu rühmlich schildern,
Doch, ist mir einge Tugend zugefallen,
So denk ich, Herr, der Abscheu eben wars
Vor diesen Greueln, deren man mich zeiht,
Was ich von je am lautesten bekannt.
Den Ruf hat Hippolyt bei allen Griechen!
Selbst bis zur Roheit trieb ich diese Tugend,
Man kennt die Härte meines strengen Sinns;
Nicht reiner ist das Licht als meine Seele,
Und ein strafbares Feuer sollt ich nähren?
THESEUS.
Ja, eben dieser Stolz, o Schändlicher,
Spricht dir das Urteil. Deines Weiberhasses
Verhaßte Quelle liegt nunmehr am Tag.
Nur Phädra rührte dein verkehrtes Herz,
Und fühllos war es für erlaubte Liebe.
HIPPOLYT.
Nein, nein, mein Vater, dieses Herz – nicht länger
Verberg ich dirs – nicht fühllos war dies Herz
Für keusche Liebe! Hier zu deinen Füßen
Bekenn ich meine wahre Schuld – Ich liebe,
Mein Vater, liebe gegen dein Verbot!
Aricia hat meinen Schwur – sie ists,
Pallantes' Tochter, die mein Herz besiegte.
Sie bet ich an, nur sie, wie sehr ich auch,
Herr, dein Gebot verletze, kann ich lieben.
THESEUS.
Du liebst sie! – Nein, der Kunstgriff täuscht mich nicht.
Du gibst dich strafbar, um dich reinzuwaschen.
HIPPOLYT.
Herr, seit sechs Monden meid ich – lieb ich sie!
Ich kam mit Zittern, dies Geständnis dir
Zu tun –
Da Theseus sich mit Unwillen abwendet.
Weh mir! Kann nichts dich überzeugen?
Durch welche gräßliche Beteurungen
Soll ich dein Herz beruhigen – So möge
Der Himmel mich, so mögen mich die Götter –
THESEUS.
Mit Meineid hilft sich jeder Bösewicht.
Hör auf, hör auf, mit eitelm Wortgepräng
Mir deine Heucheltugend vorzurühmen.
HIPPOLYT.
Erheuchelt scheint sie dir. Phädra erzeigt mir
In ihrem Herzen mehr Gerechtigkeit.
THESEUS.
Schamloser, deine Frechheit geht zu weit!
HIPPOLYT.
Wie lang soll ich verbannt sein und wohin?
THESEUS.
Und gingst du weiter als bis Herkuls Säulen,
Noch glaubt ich dem Verräter mich zu nah.
HIPPOLYT.
Beladen mit so gräßlichem Verdacht,
Wo find ich Freunde, die mir Mitleid schenken,
Wenn mich ein Vater von sich stößt?
THESEUS.
Geh hin!
Geh, suche dir Freunde, die den Ehbruch ehren,
Blutschande loben, schändliche, pflichtlose,
Verräter ohne Schamgefühl und Ehre,
Wert, einen Schändlichen, wie du, zu schützen!
HIPPOLYT.
Du sprichst mir immerfort von Ehebruch,
Von – doch ich schweige. Aber Phädra stammt
Von einer Mutter – Phädra ist erzeugt
Aus einem Blut, du weißt es, das vertrauter
Mit solchen Greueln ist als meines!
THESEUS.
Ha!
So weit darf deine Frechheit sich...