E-Book, Deutsch, Band 4, 156 Seiten
Reihe: Polarnächte
Rafaelsen Polarnächte - Eine neue Hoffnung
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98952-530-6
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman | Polarnächte, Band 4
E-Book, Deutsch, Band 4, 156 Seiten
Reihe: Polarnächte
ISBN: 978-3-98952-530-6
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ellinor Rafaelsen ist eine norwegische Autorin und Journalistin, die 1945 geboren wurde. In ihrer über drei Jahrzehnte währenden schriftstellerischen Laufbahn hat sich Rafaelsen als renommierte Autorin historischer Romane und Liebesromane etabliert. Inspiriert von ihren Reisen und ihrem siebenjährigen Aufenthalt in Spitzbergen hat Rafaelsen über 100 Bücher geschrieben, die die Leser mit lebendigen Beschreibungen und fesselnden Handlungssträngen in ihren Bann ziehen. Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre »Polarnächte«-Reihe mit den Bänden »Das Lied des Schicksals«, »Das letzte Schiff«, »Ein Leben voller Neuanfänge«, »Eine neue Hoffnung« und »Herzen in Aufruhr«.
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Kapitel 1
Fassungslos starrte Tora in Harald Havres Gesicht. Einen kurzen Moment lang dachte sie, das schummrige Licht in dem engen Barackenflur hätte sie getäuscht. Es konnte doch unmöglich Benediktes gestrenger, penibler Ehemann sein, der sie soeben grob und brutal auf den Mund geküsst hatte und sie jetzt mit eisernem Griff so fest umklammerte, dass es wehtat!
Sie begann zu zittern, aber keineswegs vor Leidenschaft oder unterdrückter Begierde. Ein Gefühlschaos aus Schock, Entsetzen, Scham und Zorn raubte ihr den Atem. Beim Gedanken an seine Lippen und den Geschmack seiner Zunge wurde ihr übel und sie hatte das dringende Bedürfnis, sich den Mund auszuspülen.
»Harald Havre!« Ihre Stimme bebte, als sie endlich ihre Sprache wiedergefunden hatte. »Herr Havre … lass mich los!« Sie versuchte, sich zu befreien, aber Havres Griff war wie ein Schraubstock. Er war so viel stärker als sie.
»Lass los, sag ich dir!« Tora war dermaßen außer sich vor Wut und Angst, dass ihr nicht im Traum eingefallen wäre, ihn zu siezen. »Wie kannst du es wagen, du elender Dreckskerl! Bist du verrückt geworden?« Sie fluchte nicht oft, aber jetzt ging es nicht anders, denn mit normalen, höflichen Worten konnte sie nicht ausdrücken, was sie meinte.
»Halt’s Maul, du kleine Schlampe!« Havre packte sie am Schopf und zog ihren Kopf nach hinten.
Schwaches Licht drang von draußen in den Flur, sodass Tora den Blick seiner blaugrauen Augen wahrnehmen konnte. Einen Blick, den sie nicht recht deuten konnte. War es Zorn, Hass oder Wollust? Oder eine Mischung aus den drei Gefühlen?
»Welche Flausen setzt du meiner Frau in den Kopf, wenn du dich bei ihr einschleichst und unsere Kaffeerationen austrinkst?«, wetterte er und riss ihr fast die Haare aus. »Was willst du ihr einreden? Was?«
»Au!« Tora konnte den Kopf nicht bewegen und versuchte, mit Fäusten auf ihn einzudreschen, doch er drückte sie an die Wand und hielt ihre zarten Handgelenke fest.
»Redest du ihr ein, sie bräuchte nicht mit mir zu schlafen? Dass sie selbst entscheiden kann, wie oft …«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, zischte Tora und spürte, dass ihre Wut stärker war als ihre Furcht.
»Ach nein?« Mit seinem ganzen Gewicht presste er sie gegen die Wand. Als sie versuchte, das Gesicht von ihm abzuwenden, schürfte sie sich die Wange an der rauen Teerpappe der Wandverkleidung auf. »Glaubst du etwa, ich hätte dich nicht gesehen?«, schnauzte Havre. »Glaubst du etwa, eure kleinen Kaffeeplaudereien wären geheim geblieben?«
»Ich …«
»Halt’s Maul! Ich habe gesehen, wie du dich reingeschlichen hast.«
»Ich schleiche mich nicht rein! Jeder darf sehen, wohin ich gehe!«
»Wie dem auch sei. Aber du bist nicht willkommen bei uns. Das habe ich zu Benedikte gesagt, und jetzt sage ich es zu dir. Ich werde dieses Freundschaftsverhältnis zwischen euch beiden nicht länger dulden. Benedikte ist wie verwandelt. Ich erkenne meine eigene Frau nicht wieder, und ich bin überzeugt, dein schlechter Einfluss ist schuld daran. Meine Frau ist nämlich sehr unselbstständig und lässt sich leicht führen.«
»Da irrst du dich! Benedikte ist stärker, als du glaubst, sie ist …« Tora verstummte, als sie Wut in seinen Augen aufflammen sah. Ihr wurde klar, dass sie etwas verraten hatte, das sie nicht hätte sagen sollen. Denn Harald Havre wollte auf keinen Fall hören, dass seine Frau stark und selbstständig war. Er wollte ein Heimchen am Herd, ein zartes, fügsames Geschöpf, das von ihm abhängig war und über das er nach Lust und Laune bestimmen konnte. Dass Benedikte anfing, sich gegen ihn aufzulehnen, gefiel ihm natürlich ganz und gar nicht.
»Sie ist nicht stark, glaub mir!«, schimpfte Havre. »Du kannst deinen Plan also aufgeben!«
»Welchen Plan?«
»Sie gegen mich aufzuhetzen!«
»Das will ich doch gar nicht! Au, du ziehst an meinen Haaren!«
»Ja, und ich werde noch viel fester ziehen, wenn du nicht schwörst, dich von meiner Frau fernzuhalten!«
»Das kann ich nicht … Au!«
»Du hältst dich von ihr fern, sage ich dir! Du hast schon genug Schaden angerichtet. Benedikte verweigert sich mir im Bett. Und das ist deine Schuld!«
Tora fuhr zusammen, als er ihr Haar losließ und seine Hand blitzschnell zwischen ihre Schenkel schob.
»Ein Mann erträgt es nicht, wenn seine Gelüste nicht befriedigt werden«, raunte er ihr ins Ohr.
Sie spürte, wie sein warmer, fremder Atem ihr Gesicht streifte.
»Bekommt er, was er braucht, nicht zu Hause, muss er sich anderswo bedienen«, fuhr er mit belegter Stimme fort. »Und du …« Wieder drückte er sie mit seinem Körper gegen die Wand.
Tora wurde schwindelig, als sie spürte, wie er sein hartes Glied an ihren Bauch presste und ihr klar wurde, was er im Sinn hatte.
»Ich habe nicht viel für dich übrig, Tora Lyngvik«, redete er weiter und rieb seinen Schritt an ihrem Körper, während er begann, ihren Rock hochzuziehen. »Aber eins muss ich dir lassen. Du hast einen schönen Körper, hübsche, feste Brüste und runde Hüften. Du bist ein verführerisches, wollüstiges kleines Luder. Ich glaube, du kannst so manchen Mann glücklich machen mit deinem Hüftgewackel! Und … du schuldest mir noch was!«
»Lass mich los!«, schrie Tora. »Ich schulde dir gar nichts!« Sie versuchte, ihn wegzuschieben, aber er hielt immer noch ihre Hände hinter ihrem Rücken fest.
»Oh, doch! Du schuldest mir was für die Unterkunft, für viele Tage Kost und Logis, für die Benutzung meines Bettes und meiner Bettwäsche. Du bist mir ein Dankeschön schuldig, weil ich so großherzig war, dich bei uns wohnen zu lassen, obwohl dein Platz draußen auf der Kohlenhalde gewesen wäre! Und weil du in den ersten Wochen nach der Ankunft meiner Frau unser Zusammenleben gestört hast. Ich bin gekommen, um deine Schulden bei mir einzufordern, Tora!«
»Du … du verdammter, feiger Mistkerl!« Tora versuchte, ihr Knie in seinen Schritt zu rammen, als er das Gummiband ihrer Unterhose zu fassen bekam und sie seine Hand auf der nackten Haut spürte. »Lass mich los, sonst schreie …«
Weiter kam sie nicht, bevor sein Mund wieder ihre Lippen verschloss. Wütend biss sie ihn in die Unterlippe und bekam sein Blut zu schmecken. Erschrocken wich er zurück und Tora ergriff die Gelegenheit, ihm ins Gesicht zu spucken.
Ihr Angriff erfolgte so plötzlich, dass er einen Augenblick nicht aufpasste. Er zog die Hand unter ihrem Rock hervor, um sich das Gesicht abzuwischen. Gleichzeitig hielt er ihre Hände weiterhin umklammert, wodurch sie immer noch wehrlos blieb. Sie wollte ihn kratzen, schlagen und treten, aber er war viel, viel stärker als sie.
»Du Luder!«, kreischte er und versetzte ihr einen kräftigen Schlag auf den Mund.
Tora sah Tausende von Sternen vor ihren Augen tanzen.
»Dir werde ich’s zeigen!«
Sie konnte nichts anderes tun, als um Hilfe zu rufen, das wusste sie. Doch mehr als einen jämmerlichen Schluchzer brachte sie nicht heraus.
Dann hielt er ihr den Mund zu und erstickte ihren Schrei. Er ließ ihre Hände los und machte sich erneut unter ihrem Rock zu schaffen, während er gleichzeitig versuchte, sie in den Raum zu zerren, den sie gerade sauber gemacht hatte.
Toras Zorn flammte erneut auf. Unverdrossen drosch sie mit Fäusten auf ihn ein und merkte, dass sie einen Volltreffer auf seiner Schläfe gelandet hatte. Sie wollte ihm das Gesicht zerkratzen, was ihr jedoch nicht sonderlich gut gelang, denn auf Sara-Ellens Anordnung, hatte das Küchenpersonal stets mit kurz geschnittenen Nägeln auf der Arbeit zu erscheinen.
»Du Schwein!« Sie versuchte, nach ihm zu treten, verlor dabei jedoch das Gleichgewicht, was er gleich ausnutzte und ihr einen Schubs versetzte, sodass sie auf den harten Boden stürzte.
Tora kämpfte unerbittlich. Sie fauchte wie eine Wildkatze, schlug und trat um sich, kratzte und biss, auch wenn sie merkte, dass er mehr und mehr die Oberhand gewann. Ihr Rock war schon bis zur Taille hochgeschoben.
Er war gerade dabei, seinen Hosenstall aufzuknöpfen, als Tora – stumm zu Gott betend, er möge sie verschonen – bemerkte, wie ein dunkler Schatten auf sie und ihren Peiniger fiel. Im ersten Moment dachte sie, der Herr hätte ihre Gebete erhört und einen Engel geschickt … einen dunklen, riesigen Engel …
Erst als Havre von ihr abließ und sie ihn seitwärts zu Boden taumeln sah, erkannte sie, dass ihr Beistand in größter Not kein Engel war, sondern höchst menschlich. Erleichtert brach sie in Tränen aus, denn ihr Retter, der Havre gerade mit einem Kinnhaken niederstreckte, war Anton. Ihr geliebter Anton!
Sie zog Unterwäsche und Rock zurecht und sah ängstlich zu, wie Anton zu einem weiteren Schlag ausholte, während Havre versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Eine Sekunde lang sah sie ein mörderisches Glitzern in seinen Augen, bevor er sich auf Anton warf, aber Anton war flinker als Havre. Er sprang zur Seite, und Havre verlor erneut das Gleichgewicht.
»Ich schlag dir den Schädel ein!« Anton hob erneut die Faust. »Du verfluchter …«
»Anton … Anton! Nein!« Toras Stimme hallte in der leeren Baracke wider. »Lass es sein, Anton. Man wird dich bestrafen. Du wirst dafür bezahlen!«
Als hätte der Klang ihrer Stimme ihn aus einem roten Nebel gerissen, erstarrte Anton mit erhobener Faust, während Harald Havre seine Chance erkannte und an ihm vorbei aus der Baracke stürmte.
Mit geballten Fäusten blieb Anton ratlos stehen und schaute ihm nach, als würde er sich fragen, ob er dem Mann hinterherjagen sollte. Sein Atem ging stoßweise,...