E-Book, Deutsch, 140 Seiten
Reihe: Reclams Universal-Bibliothek
Raimund / Mansky Das Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-15-962177-7
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Romantisches Original-Zaubermärchen mit Gesang in drei Aufzügen - Raimund, Ferdinand - 14294
E-Book, Deutsch, 140 Seiten
Reihe: Reclams Universal-Bibliothek
ISBN: 978-3-15-962177-7
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Matthias Mansky lehrt Neuere deutsche Literatur an der Universität Wien. Das Wiener Volkstheater gehört zu seinen Forschungsschwerpunkten.
Weitere Infos & Material
[7]Erster Aufzug
Erster Auftritt
CHOR.
Welch ein herrliches Konzert,
Wo sich hoch die Kunst bewährt,
Was ist Amphions Geklimper?
Selbst Apollo ist ein Stümper,
Wenn man solche Künstler hört.
Bravo! Bravo! O vortrefflich!
Bravo! Bravo! Bravo! Bravo!
[8]ZENOBIUS. Bravissimo, meine Herrn! Das haben Sie gut gemacht. Besonders Sie.
BUSTORIUS. Istem nuzeck! Ist das schönes Quartett! von wem ist das komponiert?
ZENOBIUS. Das Adagio ist von einem Delphin.
BUSTORIUS. Und das Furioso?
ZENOBIUS. Von einer Furie.
BORAX. Aber Mama, mich lobens gar nicht.
ANTIMONIA. Sei nur still!
BUSTORIUS. Das kleine Bübel greift aber manchmal ein bissel falsch.
ANTIMONIA . Mein Herr! das könnte mich beleidigen. Er ist der erste Violinspieler im ganzen Feenreich, er hat einen englischen Meister, der für jede Lektion zweihundert Schillinge bekömmt.
ZENOBIUS. Ganz gut, aber überlassen Sie sein Lob andern Leuten.
ANTIMONIA. Wer kann ihn unparteiischer beurteilen als ich, seine Mutter? Obwohl mirs meiner Jugend und meiner Reize wegen niemand ansieht, dass ich seine Mutter bin.
BUSTORIUS. Nein, hätt ich Ihnen für seine Großmutter gehalten.
ANTIMONIA. O Sie einfältiger Zauberer!
BORAX .
ANTIMONIA. Pfui, mein Boraxi! musst nicht weinen. Hörst? musst gar nicht aufmerken auf die abscheulichen Leute da.
BORAX . Freilich! was liegt denn mir an den Leuten, die können alle weniger als ich.
[9]ANTIMONIA. So, mein Bubi! so ists recht, jetzt bist brav.
ZENOBIUS . Bravissimo!
BUSTORIUS . Das ist gute Erziehung. Buben tut sie schön, und Meister gibt sie Schilling.
ANTIMONIA. Beleidigen Sie mich nicht länger, oder ich verlasse die Gesellschaft.
ZENOBIUS. Bleiben Sie. – Hat Lakrimosa Sie darum zu sich gebeten, um zu streiten? Sie wird augenblicklich erscheinen, und empfängt nur ihren Vetter, den sie aus Donaueschingen erwartet hat, und der wie Sie alle im Hexenhof abgestiegen ist, weil im Palast hier niemand wohnen darf.
ANTIMONIA. Gut! Aus Höflichkeit will ich bleiben, aber schweigen kann ich nicht, durchaus nicht.
BUSTORIUS. Wenn ich einmal heirat, nimm ich keine andere, aber sie auch nicht.
Zweite Szene
DIENER. Die Fee.
BUSTORIUS. Sie sieht noch gut aus.
ZENOBIUS. Das Schicksal hat sie mit ewiger Jugend beschenkt, darum hat der Gram ihre Reize geschont.
[10]Dritte Szene
ALLE. Vivat! die Hausfrau!
LAKRIMOSA. Es freut mich, meine werten Gäste, wenn Sie sich gut unterhalten haben.
ALLE. Vortrefflich!
LAKRIMOSA. Hier stelle ich Ihnen meinen geliebten Vetter vor. Magier aus Schwabenland.
AJAXERLE . Freut mich, Sie allerseits kennenzulernen.
ALLE. Freut uns!
BUSTORIUS. Was Teixel, das ist ja der Ajaxerle?
AJAXERLE. Der Tausend! Wie kommen denn Sie daher? Ach herrjegele, das freut mich!
LAKRIMOSA. Kennen sich die Herrn?
AJAXERLE. Das glaub ich. Wo haben wir denn nur geschwind Freundschaft geschlossen?
BUSTORIUS. Wissen Sie nicht? Auf dem letzten Geisterdinée.
AJAXERLE. Ja richtig, wo Sie mir die Bouteille Wein an Kopf g’worfen habe, da habe ich die Ehr gehabt, Sie kennenzulernen.
LAKRIMOSA . Genug, meine Herrn. Diese schönen Erinnerungen ein andersmal. An mir ist die Reihe. Ja, es ist keines ausgeblieben, alle sind sie hier, die mein Schmerz zu sich bitten ließ. Türkische, [11]böhmische und ungarische Wolken haben sie zu mir getragen. Mein Bustorius aus Warasdin, meine Freundin, die Nymphe von Karlsbad, sogar Selima und Zulma, die Feen von der türkischen Grenze. Der trübe Morgen und der Abend, Blödsinn und Faulheit, und – etc., etc., alle, alle sind sie hier.
BUSTORIUS. Ist das Freud, sein wir alle da.
LAKRIMOSA. Und nun hören Sie die Ursache, warum ich Sie auffordern ließ, Ihre Wolkenschlösser zu verlassen und mir in meiner bedrängten Lage Beistand zu leisten.
ALLE. Erzählen Sie.
LAKRIMOSA. Es sind nun volle achtzehn Jahre, als ich an einem heitern Juliustage auf einem Sonnenstrahl nach der Erde fuhr und mich in Blitzesschnelle in einem angenehmen Tale befand. Vor mir stand ein junger blonder Mann, sein edler Anstand und sein gemütliches Auge bürgten für die Aufrichtigkeit seines Herzens. Ihn zu sehen und zu lieben, war das Werk eines Augenblicks. Er war der Direktor einer reisenden Seiltänzergesellschaft, die in diesem einsamen Orte Halt machte, und nicht mehr weiterziehen wollte, bis die für zweihundert Gulden rückständige Gage augenblicklich gesichert wäre. Mein Entschluss war gefasst: er mein Gemahl, oder keiner. Ich zauberte ihm schnell einen Beutel Louisdors in die Tasche, und flog, in eine girrende Taube verwandelt, in mein Reich zurück. Mein Freund Zenobius sah mich kommen. Erinnerst du dich noch?
ZENOBIUS. Ja, es war an einem Mittwoch, und den Tag vorher haben wir Holz bekommen.
LAKRIMOSA. Ihm übergab ich geschwinde die Schlüssel meines Palastes, und um schneller die Erde zu erreichen, [12]verwandelte ich mich in einen Pfeil, und Zenobius schoss ihn in das Dach des Wirtshauses, welches mein Geliebter indessen bezogen hatte. – Ich stieg als reisende Schauspielerin darin ab, und um kurz zu sein, er sah mich, liebte mich, und ward mein Gemahl. Doch nach zwei glücklichen Jahren – wer hilft mir die Erinnerung dieses Schmerzes ertragen – stürzte er vom Seil, das er von einem Stadtturm zum andern gespannt hatte, und verhauchte seinen stolzen Geist.
AJAXERLE. Ja das Seiltanzen, ich habs auch einmal probiert, aber ich versichere Sie, ich bin recht auf den Kopf g’fallen.
BUSTORIUS. Das hab ich schon lang bemerkt, hab ich nur nicht gleich sagen wollen.
LAKRIMOSA. Von tiefer Trauer erschüttert, nahm ich mein Kind, ein Mädchen von zwei Jahren, und kehrte mit ihr ins Feenreich zurück. Bezahlte schnell die Schulden, die mein treuer Zenobius indessen auf meinen Namen gemacht hatte, und nachdem mein Schmerz vertobt war, erbaute ich meiner Tochter einen diamantenen Palast, ließ sie in dem höchsten Reichtum erziehen, und schwur, ihre Hand nur dem Sohne der Feenkönigin selbst zu geben. Kaum hatte ich diesen unseligen Schwur getan, so krachten die Säulen meines Palastes, und...