E-Book, Deutsch, Band 3, 160 Seiten
Reihe: Kitty Muhr
Rebhandl Kitty Muhr und die tote Schiedsrichterin
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-6951-4681-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kitty Muhrs dritter Fall
E-Book, Deutsch, Band 3, 160 Seiten
Reihe: Kitty Muhr
ISBN: 978-3-6951-4681-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Manfred Rebhandl, geboren 1966 und wohnhaft in Wien, ist Journalist (DER STANDARD, Wiener Zeitung u.a.) und Buchautor. Für den STANDARD schreibt er die wöchentliche Kolumne "Hallo, was lesen Sie?" Bekannt wurde er mit seinen Krimireihen um den traurigen Ermittler Biermösel im Ausseerland sowie um den ebenso lebensklugen wie abgerockten Superschnüffler Rock Rockenschaub, der auf alle Fälle alle Fälle löst.
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Aber der Code funktionierte nicht, als ich ihn eintippte, und auch nicht beim zweiten Mal.
„Verdammt! Ist das seines?“, schrie ich Bonner an.
Ich kombinierte messerscharf, dass sie unsere Handys vertauscht haben mussten und ich nun das von ihm hatte. Mir blieb nur noch ein letzter Versuch, also probierte ich es mit 11-1-1, der nach 1-2-3-4 beliebtesten Kombination, und was soll ich sagen?
„He, ich hab das Handy eines Wirtschaftskriminellen geknackt!“, rief ich. „Dafür braucht die Staatsanwaltschaft normalerweise zwei Jahre!“
Die Nachrichten strömten nur so herein, hauptsächlich von Männern, die ihn wegen ihrer verlorenen Investments dran kriegen wollten. Aber auch Susi fragte, warum er sich nicht mehr bei ihr melden würde. Und Freitagnacht schrieb sie ihm: Bist du etwa mit zu ihr gegangen?
Das klang nicht nur eifersüchtig, sondern auch verächtlich. Meine sie damit etwas mich?
Ich schaltete das Ding also auf leise und öffnete den Ordner mit seinen Fotos darain, denn: Schauen würde man ja wohl noch dürfen! Bonner forderte das Handy mit Nachdruck zurück, um es der Staatsanwaltschaft aushändigen zu können, fragte dann aber doch: „Ist etwas Interessantes dabei?“
Ich scrollte die letzten paar Tage durch, und als ich bei Freitag angekommen war, dem Tag, an dem ich mich mit Susi in der Bingobongobar getroffen hatte, rutschten mir die Füße aus den High Heels, als ich dieses Foto sah.
„Verdammt!“
„Was?“
„Das halt ich nicht aus!“
„Was ist denn?“
Und als ich Bonner das Handy wieder zurückgab, fragte er: „Sie haben doch keine Beweismittel gelöscht?“
„Beweis wofür?“, fragte ich im jammernden Ton der Selbstanklage. „Dass jemand so dumm sein kann?“
So dumm nämlich sich fragen, warum der Kerl nicht einen selbst gefilmt hatte, sondern nur die beste Freundin.
*
„Zu eurem Fall!“, sagte Bonner schließlich und warf eine Mappe mit den Ergebnissen einiger Untersuchungen auf den Tisch: „Eine Streifenbesatzung hat die Eltern der Toten ausfindig gemacht und sie dort in ihrem Häuschen jenseits der Donau in trauter Zweisamkeit angetroffen. Warum sie keine Anrufe entgegengenommen haben? Die wollten dort übers Wochenende einfach mal ihre Ruhe haben, vermutlich von ihren missratenen Kindern. Dass sie sich scheiden lassen wolle, davon könne im Übrigen keine Rede sein, sagte die Ehefrau.“
Das kam überraschend. Hatte diese Marina also Dinge gesehen, die andere nicht sahen? Und hatte sie Probleme erfunden, wo es gar keine Probleme gab?
„Hat man ihnen denn gesagt, dass ihre Tochter ermordet wurde?“, fragte Ali.
„Natürlich!“, sagte Bonner. „Sie waren zwar traurig darüber, wie man über den Tod eines Kindes halt traurig ist, sagten aber auch, dass sie nicht überrascht wären, denn ihre Tochter sei … Moment, hier steht’s: Nicht einfach gewesen.“
„Nicht einfach? Ist denn eine Tochter, die sich um das Wohl ihrer Mutter sorgt, nicht einfach?“, fragte ich.
„Ja, Sie wissen schon: ‚Nicht einfach‘ wie diese Leute, die einem immer sagen, man solle das Rad nehmen und nicht das Auto, und man solle lieber Karotten essen anstatt …“
„Jaja“, unterbrach ihn Ali. „Wir wissen schon, was und wen Sie mit ‚diese Leute‘ und mit ‚nicht einfach‘ meinen. Es ist nur so, dass nicht falsch ist, was wir sagen, nur weil der Wind gerade wieder in eine andere Richtung dreht, zurück in die Steinzeit nämlich! Dorthin, wo die Affen zuhause sind!“
Während die beiden sich gegenseitig angifteten, überlegte ich vor mich hin: Selten, dass sich von einer Ermordeten ein so gelinde gesagt widersprüchliches Bild ergab. Oder sogar unsympathisches Bild. Es gibt Leute, die bringen die Sonne mit, und andere bringen die Zwietracht. Mittlerweile konnte man den Eindruck bekommen, dass Marina zu letzteren gehörte.
Was Bonner nun sagte, konnte diesen Eindruck sogar noch verstärken: „Im Bett dieser Marina fanden sich durchaus viele verschiedene Haare: Blonde, braune und schwarze Kopfhaare - auch schwarz gefärbte Kopfhaare! Plus die jeweils dazugehörenden Schamhaare. Was schließen wir daraus? Sie scheint keinen großen Wert darauf gelegt zu haben, ihre Wäsche zu wechseln, wenn sie ihre Liebhaber wechselte. Und lasst uns bitte nicht vergessen: Ihre Liebhaberinnen! Denn die blonden Haare gehörten zu einer Frau. Wäre es also möglich, dass es Probleme unter der Schar ihrer Liebhaber und –Innen gab, dass man also aufeinander eifersüchtig war und einer oder eine dem Treiben ein Ende setzte?“
„Blonde Haare“, überlegte Ali laut. „Ist nicht ihre Nachbarin blond?“
Und ich überlegte ebenso laut: „Schwarz gefärbte Haare …“
Bevor mir einfiel: „Verdammt, gibt es wirklich noch jemanden, der sich da unten nicht rasiert?“
Sowohl Ali als auch Bonner schauten mich verständnislos an. In Alis Kulturkreis war der (mehr oder weniger) gepflegte Pelz ja immer noch Pflicht, da kam kein Shaver an die empfindlichen Stellen. Und Bonner hatte sich längst so weit aufgegeben, dass ihm gar nicht mehr auffiel, wo er überall Haare hatte: Am Nasenrücken, in den Ohren und auf ihnen, an den Händen … An welcher verdammten Körperstelle konnten einem Mann eigentlich keine Haare wachsen?
„Sie war also“, fasste Bonner zusammen, „sexuell sehr aktiv.“
„Oder sie hat einfach gerne gekuschelt!“, relativierte Ali, der davon träumte, auch mal mit einer Frau kuscheln zu dürfen.
Bonner hingegen hielt von Kuscheln gar nichts, wie das großformatige Foto hinter ihm an der Wand zeigte: Eine Frau auf allen Vieren, auf der eine Glasplatte lag. Dahinter saß ein Typ mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte, der seine Füße auf diesen „Tisch“ legte. Davon träumte er, dass einmal er dieser Kerl sein könnte und eine für ihn diesen Tisch machte. Aber bis heute war diese Frau nicht geboren worden, und es war unwahrscheinlich, dass es noch irgendwann passieren würde.
„Gibt’s Neuigkeiten zur Tatwaffe?“, fragte Ali schließlich, der von Schamhaaren nichts mehr hören wollte.
„Ja“, gab Bonner zur Antwort. „Möglicherweise ein Messer, möglicherweise aber auch ein spitzer Gegenstand in der Art einer Schere mit einer Länge von 17 Zentimetern.“
*
Mir war dann eingefallen, dass ich schon länger nichts mehr gefuttert hatte! Und gleich darauf fiel mir ein, wo es immer etwas zu futtern gab. Wenn ich schon keinen Trost und keine Zuneigung von ihr bekam, so doch zumindest immer etwas zu essen.
Als meine Mutter uns die Türe zu ihrem Häuschen öffnete, behandelte sie mich aber wie den streunenden Hund, der nur kurz mal vorbeikam, um den Inhalt des Futternapfes zu prüfen, wohingegen sie Ali ihr breitestes Lächeln schenkte und ihn sogar vor mir ins Haus bat.
„Mama, ich bin heute Nacht fast vergewaltigt worden!“
Mit schweren Geschützen wollte ich um ihre Aufmerksamkeit kämpfen, während ich hinter Ali hertrottete.
„Bist du oder bist du nicht?“, fragte sie betont sachlich, während wir in ihre Küche gingen. Anderen Müttern würde schon die Andeutung einer Vergewaltigung genügen, um Mitgefühl mit ihrer Tochter zu zeigen, aber meine wollte es ganz genau wissen: Von hinten oder von vorne? Am Tag oder in der Nacht? Sie brauchte harte Fakten, bei ihr war alles Entweder-Oder, Schwarz-Weiß. „Entweder bist du richtig vergewaltigt worden, oder gar nicht!“ Und das war kein Wunder, denn mit Papa lebte sie genau so: Entweder war er hier, oder er war weg. Entweder liebten sie sich, oder sie hassten sich. Entweder lebte er, oder er war tot. Dazwischen gab es nichts.
„Es scheint alles noch mal gut ausgegangen zu sein“, fühlte sich Ali bemüßigt, für mich zu antworten. „Nur ihr Handy hat sie leider immer noch nicht.“
„Ach, darum rufst du deine Mutti nie an?“
„Du bist meine Mutter!“
Sie bot Ali einen Stuhl an, während sie zu mir sagte: „Warum heiratest du nicht einfach deinen Kollegen hier und hörst endlich auf herumzustreunen wie eine läufige Hündin, dann passiert dir so etwas nicht!“
„Wie eine läufige Hündin? Geht’s noch?“
Hast du schon mal gesehen, wie groß er ist?, hätte ich darauf noch antworten können. Da werden auch deine Grießnockerl nicht reichen, um aus ihm noch einen Mann zu machen! Aber ich sagte lieber gar nichts mehr, sondern stocherte nur in dem Salat herum, den sie für Ali gezaubert hatte, und dachte wehmütig an die Zeiten zurück, als Papa noch jeden Tag Fleisch aß. Und mit jedem Blatt Salat, das ich in mich hineinwürgte, bewegte ich mich weiter in Richtung Selbstaufgabe, mit jedem Bissen fiel mir ein neuer Grund ein, an mir selbst zu zweifeln: Dass dieser Kerl nichts von mir gewollt hatte, dass er mich nicht einmal nackt gefilmt hatte, das...




