Rech | Im Schatten des Permes | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 344 Seiten

Rech Im Schatten des Permes


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7597-4793-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 344 Seiten

ISBN: 978-3-7597-4793-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Im Schatten des Permes heißt die überarbeitete Neuauflage des Kult-Krimis Der Permes und seines Nachfolgers Der Werwolf vom Webenheimer Bösch. Die Geschichten spielen in einem Dorf im Saarland, umgeben von dichten Wäldern. Über Jahrzehnte hinweg verschwinden immer wieder Menschen auf rätselhafte Weise. Hat sie der Permes, der Herrscher des Waldes geholt? Als die erfolgreiche Architektin Jessica Lück nach Jahren in das Dorf ihrer Kindheit zurückkehrt, muss sie sich, zusammen mit ihrem Jugendfreund und Pfarrer Alfred, Erinnerungen stellen, die geradewegs zu einem wahnsinnigen Mörder führen. Hat er im Auftrag des Permes getötet? Bei all dem Grauen, welches zutage tritt, bleibt Jessica noch Zeit für privates Glück, das sie in ihrer Jugendliebe Margot wiederfindet. Ein Jahr später wird das Dorf erneut vom Bösen heimgesucht. Ein Werwolf hätte Margot beinahe getötet. Und wieder raunt man im Dorf, dass auch hier der Permes seine Hand im Spiel hat.

Kerstin Rech schreibt Kriminalromane, Thriller, Hörspiele, Kurzgeschichten und arbeitet auch als freie Journalistin.

Rech Im Schatten des Permes jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


-II-
Bierbach, Grohbachtal, 18. Juli 1903. „Tot! Tot! Sie schlagen mich tot!“, kreischte die Bas Stollebett. Die Gänsehirtin von Bierbach war sie, die Bas Stollebett. Und ein armes Weib war sie obendrein, das von dem geringen Lohn ihres Gewerbes kaum leben konnte. So kam es, dass sie ihren kargen Lebensunterhalt mit dem Erbetteln von Speck und Brot und Kartoffeln aufbesserte. Und mit noch etwas anderem kam sie den Bierbachern an. Einer Gabe nämlich, die einmalig war und um die sie dennoch niemand im Dorf zu beneiden wagte. Und eben diese Gabe stand wohl im Zusammenhang mit der Tatsache, dass sie jetzt auf der Flucht war. Auf der Flucht vor drei mit Äxten bewaffneten Bierbacher Burschen. Wenn die Bas immer sonntags, nachdem die Leute aus dem Dorf aus der Kirche kamen, ihre paar Pfennige fürs Gänsehüten abholte und noch ein bisschen etwas dazu erbettelte, gaben ihr die Bierbacher gerne etwas ab. Aus Mitleid zum einen und zum anderen, weil sie die Gänse des Dorfes so gut hütete. Und einen dritten Grund gab es. Wenn man es genau betrachtete, gaben sie hauptsächlich und ohne sich dessen bewusst zu sein, aus Furcht. Furcht nicht allein vor der Bas, der alten, Tabak schnupfenden Gänsehirtin, sondern vor der geheimnisvollen Macht, mit der sie im Bunde zu stehen schien. Denn die Bas konnte Brauchen, und von irgendwoher musste sie die Kraft für diese Gabe bekommen haben. Dass der allmächtige Herrgott die alte Bas so außergewöhnlich ausgestattet hatte, hielten die Dorfbewohner für unwahrscheinlich. Was sollte der Herrgott schon mit einer verlumpten Gänsehirtin im Sinn haben, wenn es in Bierbach so viele rechtschaffene Leute gab? Aber wenn nicht Gott, wer blieb dann noch übrig? Wer da draußen, so fragten sich die Bierbacher, vor allem in der dunklen Jahreszeit, wenn die Nacht länger währte als der Tag und der kalte Mond durch die Fenster in die kleinen, niedrigen Kammern schaute. Wer beobachtete sie, versteckt im Dunkeln der Nacht? Wer jagte und schnappte zu wie ein Wolf, wenn ein unbedarfter Mensch alle Vorsicht außer Acht ließ und des Nachts alleine in den Wald ging? Wer war es, der das beschauliche Dorf zwischen Schucht, Steinberg, dem Bliesgau und dem Hechlertal ebenfalls seine Heimat nannte und der im Wald nahe dem Grohbach seinen Unterschlupf hatte? Genau dort, vermutete man nicht zu Unrecht, war das Unheimliche zu Hause, in der Nähe jener Stelle, wo die Bas Stollebett ihre Hütte hatte. Doch war jemand krank im Dorf, dann wurde die Bas Stollebett ans Krankenlager gerufen. Es gab kein Haus in Bierbach, in das man sie nicht schon bestellt hatte. Im Linnebrunne, auf dem Hüwelche, im Käsehof oder im Eck bis hinauf in die Muhl. In den Häusern der Tagelöhner, der Kleinbauern, der Korbmacher, der Maurer, Schuster und Pflasterer hatte sie so oft gestanden und die Wärme gespürt, die von den unter den Stuben liegen Ställen hochstieg. Dann verabreichte sie ein nach eigener Rezeptur aus Kräutern und Pilzen hergestelltes Gebräu und murmelte für die Umstehenden unverständliche Beschwörungsformeln. Wenn man wollte, konnte man ab und zu beschwichtigende Worte wie Jesus Christus oder unser Herrgott im Himmel heraushören. Und es schien beruhigend, dass die Bas Stollebett den Namen des Herren aussprechen konnte, ohne dass der Zorn des Himmels sie traf. Man sprach nicht gerne darüber, dass man ihre Dienste in Anspruch nahm und war froh, wenn sie nach dem Brauchen wieder das Haus verlies. Man schämte sich auch gebührlich, so wie man sich schämt, wenn man einem verbotenen Laster frönt. Doch der Aberglaube im Dorf war eben doch stark, zu manchen Zeiten fast so stark wie der Glaube. Doch eben nur fast. Und das bewahrte Bierbach vor dem Schicksal, das der Permes sich für das Dorf ausgedacht hatte, wenn sie, die Bierbacher, ihn in ihre Häuser, in ihre Herzen, einlassen würden. Die Bas Stollebett hauste die meiste Zeit im Grohbachtal, mitten im Pirmannswald in einer schiefen, modrigen Holzhütte, die mit verbeulten Blechen notdürftig abgedeckt war. Dort saß sie die meiste Zeit auf einem Bündel Binsen, starrte auf die offene, aus drei Steinen und einem viereckigen Blech bestehende Feuerstelle und stopfte ausgefallene Gänsefedern in ein Säckchen. Da ihre Hütte nur eine kleine Öffnung hatte, durch die man hinein und hinaus kriechen konnte, war das Innere ständig voller Rauch. Vermischt mit der Feuchtigkeit, die an vielen Tagen im Grohbachtal hing, machte er das Atmen schwer, benebelte den Geist und berauschte die Sinne. „Tot! Tot! Sie schlagen mich tot!“ Die Bas Stollebett kreischte weiter, während sie den Waldweg entlang rannte. Ihre Stimme, die vor Angst in eine schrille, unnatürliche Höhe zog, verfing sich in den Spitzen der Tannen und Fichten, schwebte wie ein fadenscheiniges aber festes Spinnennetz in die Kronen der Eichen und Buchen und hatte schon nichts Menschliches mehr. Ein Eichelhäher, der vom Webenheimer Bösch herübergeflogen kam, stieß einen warnenden Ruf aus, der von den Baumkronen widerhallte. Die Bas Stollebett hatte ihre Röcke gehoben und rannte mit nackten Füßen von ihrer Hütte zur Kanzel. Zu ihrer Rechten floss der Grohbach als dünnes Rinnsal dahin. So brav und leise, als wolle er den Lauf der Welt nicht stören. In seinem seichten Wasser konnte man gerade die Füße benetzen. Unklar schien es, wie es dieser Bach ohne Hilfe geschafft haben soll, vor vielen Tausenden von Jahren den Schucht vom Steinberg zu trennen, und das bewaldete Tal, das seinen Namen trug, zu formen. Die Bas Stollebett rannte. Angst und Verzweiflung trieben sie vorwärts über den breiten Waldweg. Wie hatte es geschehen können, dass diese drei Bierbacher Burschen in ihre Hütte hatten kommen können, ohne von ihr bemerkt zu werden? Warum hatte sie nicht ihr Lachen und Rufen gehört, als die drei, durch das Grohbachtal marschierend, beständig näherkamen? Warum hatten die Gänse in ihrem Pferch nicht Alarm geschlagen? Gänse sind die besten Wachhunde. Und die Bas konnte bislang auf sie vertrauen. Sonst hatte die Bas immer „komme erinn, ihr Buwe!“ gerufen, wenn sie die Ankömmlinge hörte, die in den Wald kamen, um Holz zu schlagen. „Komme erinn, ihr Buwe“ und die Buben waren der Aufforderung gefolgt. Alle. Jedes Mal. Sie kamen sogleich durch die kleine Öffnung hereingekrochen. Auf allen vieren. Saßen dann da auf ihren Fersen. Ängstlich und doch neugierig beäugten sie die Bas Stollebett durch den dichten Rauch ihres süßlich riechenden Feuers. Und dann erzählte sie die Geschichten, die ihr so am Herzen lagen. Von den Goldgluten, von der Proforschtjagd, vom Butterhut und vom Permes. Immer wieder vom Permes. Wie er dem alten Vetter Dorkel des Nachts erschienen war, als dieser bei seinen Schafen schlief. Den alten Hanjakob fast zu Tode erschreckt hatte, als dieser im Schweitzertal seinen Gaul hütete. Und immer kam er in anderer Gestalt. Als Jäger im grünen Wams, als Ketten rasselndes Ungeheuer, das sich aus seinem Kerker befreit hatte, als Harlekin, der seine Späße trieb. Doch immer war es der Permes. Aber dieses Mal hatte sie sie nicht kommen hören, die Burschen, die zum Holzschlagen in den Wald gekommen waren. Plötzlich waren sie da gewesen, hatten am Eingang gehockt und mit großen Augen und voller Abscheu dem Treiben in der Gänsehütte zugesehen. Das hätte nie, nie geschehen dürfen. Als hätte der Permes plötzlich Wasser ins Feuer gegossen, war der Rauch undurchdringlicher und fester geworden, und als er wieder seine natürliche Dichte annahm, war der ganze Spuk vorüber. Regungslos und stumm hatte die Bas Stollebett zuerst dagesessen und zurückgestarrt. Hatte gehofft, dass ihre im Geiste gestammelten Beschwörungen die rechte Wirkung auf die drei jungen Männer hätten, und sich der Mantel des Vergessens über sie legen würde. Sie hoffte auf die Kraft des Permes. Ihre Hoffnung erstarb jäh, als der Sohn des Korbmachers nach draußen gekrochen war, um seine Axt zu holen, die er, wie seine Kameraden, neben der Hütte abgelegt hatte. Er schien entschlossen, die Ordnung im Universum wieder herzustellen, damit der Himmel oben und die Erde unten bliebe. Und was immer in der Hölle verborgen war, sollte dort und nur dort weiterfristen. Als die Bas Stollebett die Entschlossenheit des Korbmachersohnes erkannt hatte, bekam sie es mit der Angst zu tun. War aufgesprungen, an den verdutzten Gesichtern der beiden anderen, die nur noch aus Augen zu bestehen schienen, vorbeigestolpert und auf allen vieren davon gekrabbelt. Schreiend davon gekrabbelt. Draußen gab sie dem dritten, der unschlüssig seine Axt in der Hand wog, einen kräftigen Stoß vor die Brust und raffte ihre Röcke. Wie Bluthunde mussten ihr nun die drei Bierbacher Burschen folgen. Sie hatten Angst. Gerade so wie die Bas Stollebett. Doch ihre Angst war grauenvoller anzusehen, denn ihre Angst galt dem Unfassbaren. Dem nicht zu Begreifenden. Instinktiv erfassten sie, dass es mit einem Axthieb nicht getan wäre. Das Böse konnte man nicht...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.