Rees | Die Frauen von Richmond Castle | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 528 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Rees Die Frauen von Richmond Castle

Roman
20001. Auflage 2020
ISBN: 978-3-8437-2145-5
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 528 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-2145-5
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein bewegender Roman über Familie und Vergebung England in den 20ern: In ihrem Townhouse in Richmond sind Ishbel Christina Camberwell, genannt Blue, und ihre Familie glücklich  - zumindest an der Oberfläche. Aber als Blue die junge, mittellose Delphine aufnimmt, um diese vor ihrem gewalttätigen Ehemann zu schützen, gerät Blues Familie ins Wanken. Die junge Frau erobert Blues Herz im Sturm, sie werden enge Freundinnen. Doch Delphine sorgt unbeabsichtigt dafür, dass ein gut gehütetes Geheimnis der Familie ans Licht kommt. Ist die Freundschaft der beiden unterschiedlichen Frauen stark genug für die Wahrheit? 'Tracy Rees ist die herausragendste Autorin historischer Romane.' Lucinda Riley

Tracy Rees studierte in Cambridge und hat acht Jahre in einem Sachbuchverlag gearbeitet. Ihr Debütroman 'Die Reise der Amy Snow' wurde aus über tausend Einsendungen in einem Schreibwettbewerb als Gewinner ausgewählt. Sie lebt in South Wales, England.
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KAPITEL EINS


Nur eine einzige Frage schien alle Welt zu beschäftigen, die es in diesem flirrenden Sommer des Jahres 1925 ans Flussufer zog: Wen würde Blue Camberwell wohl heiraten?

»Das interessiert doch wohl !«, trumpfte Juno Forrester in der auf.

Blue ließ die Zeitung auf einen Beistelltisch fallen und presste ihre Stirn gegen die Fensterscheibe. Draußen auf dem Rasen waren die Vorbereitungen für das Fest zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag in vollem Gang. Kellner richteten die funkelnden Champagnergläser auf den langen Tischen aus, auf denen weiße Tafeltücher wie eine Glasur glänzten. Für den Abend angeheuerte Bedienstete hockten auf Leitern und hängten Lampions in den Bäumen auf oder wanden Bänder von einem Spaliergitter zum nächsten. Im Sommerhaus stellte Midge behutsam ein Grammophon ab, das zum Einsatz kommen würde, wenn das Jazzquartett eine Verschnaufpause machte. Blues Vater war nirgendwo zu sehen.

Obwohl sie sich der deprimierenden Wirkung bewusst war, gab Blue dem Impuls nach und griff erneut nach dem Zeitungsartikel.

Drei? Verliebt? Das war Blue neu.

Mit einem leisen Knurren ließ Blue die Zeitung in den Papierkorb fallen – eine leere Geste, denn sicherlich würde Midge sie später wieder herausfischen, um den Artikel in ihr Sammelalbum zu kleben. Blue war es gewohnt, ihr Leben mit überschwänglichen Worten beschrieben zu sehen: die schöne Blue und ihr zauberhaftes Leben; die schöne Blue, die mit ihrem gut aussehenden Vater, ihrer rechtschaffenen Stiefmutter und dem Elf im Garten in einem Schloss lebte … Sie von Glück gesegnet, das wusste sie. Aber das Leben war nicht immer nur das eine oder das andere, für niemanden.

Nun, all diejenigen, die es interessierte, würden sich wohl auf eine Enttäuschung gefasst machen müssen! Denn es gab einen ganz einfachen Grund dafür, weshalb sie heute Abend nicht erfahren würden, wen Blue heiratete – sie wusste es selbst nicht. Weitaus mehr als romantische Vorstellungen beschäftigte Blue nämlich der Gedanke, wie sie ihren Traum, Schriftstellerin zu werden, in die Tat umsetzen konnte. Aber das taugte nicht für die Klatschspalte.

Stunden später hing Dämmerlicht wie ein Schleier über dem lang gestreckten Garten von Richmond Castle, das eigentlich gar kein Schloss war, sondern nichts weiter als ein georgianisches Reihenhaus auf dem Richmond Hill. Den Namen hatte es von einem früheren Besitzer, der seine Gründe dafür gehabt haben mochte, die sich allerdings im Nebel der Zeit verloren haben, während der Name geblieben war. Blue fand ihn ein wenig spleenig, aber wunderschön, und zermarterte sich den Kopf darüber, wer dieser Besitzer wohl gewesen war und warum er sein Heim zum Schloss erklärt hatte.

Dem Anlass angemessen, hatte Blue sich von ihrer üblichen Alltagskleidung, die aus einem wadenlangen Rock, Bluse und Schnürschuhen bestand, getrennt und war in etwas Glamouröses geschlüpft. Natürlich in ihrer charakteristischen Farbe – dem rauchigen, aber doch strahlenden Taubenblau der Schmetterlinge im Richmond Park. Diesen Traum von einem Kleid hatte Midge für sie genäht: Das seidene Unterkleid mit tiefer Taille und Rüschensaum schimmerte durch den Chiffon, der mit Tausenden winziger blauer Perlen übersät war. Sicherlich würde der zarte Chiffonstoff den schweren Perlen nicht lange standhalten und beim Tanzen reißen. Es war ein Kleid für nur eine Nacht, und Midge hatte ihr damit einen wahrhaftigen Liebesdienst erwiesen.

Stilberaterin war Blues ältere Schwester gewesen. Mochte Merrigan inzwischen auch Ehefrau und Mutter sein (von der achtzehn Monate alten Cicely mit dem Gesicht eines Cherubs und der Stimme eines Nebelhorns), war sie doch noch immer eine Instanz in allen Modefragen. Wie die silberfarbenen Schuhe mit kleinen Absätzen und das silberne, tief in die Stirn gezogene Band bewiesen, dessen kunstvolles muschelförmiges Ornament von Blue keck über dem rechten Ohr getragen werden sollte.

»Wenn eine das tragen kann, dann doch wohl du, meine Hübsche«, hatte Merrigan gekontert, als Blue die Notwendigkeit dieser Muschel infrage stellte. »Ich bin bestenfalls attraktiv, aber aufzupeppen lohnt sich wirklich!«

Blue konnte darüber nur lachen. »Bestenfalls attraktiv« war nun wirklich keine Bemerkung, die einem zu Merrigan einfallen würde. Ihr glattes nussbraunes Haar war wie geschaffen für den gerade erst in Mode gekommenen Bubikopf, der Fernwirkung der schalkhaften dunklen Augen vermochte kein Beau zu widerstehen, zudem verstand sie es, äußerst souverän aufzutreten – eine Fassade, hinter der durchaus Ungemach lauern konnte. Im Vergleich dazu empfand Blue sich manchmal als altmodisch und blass. An ihrer großen schlanken Figur hing das neue Kleid wie an einem Kleiderbügel. (Was jedoch, wie Merrigan ihr versicherte, intendiert war.) Wie ihre Schwester hatte sie braune Augen, aber blonde Haare, die ihr in einer trägen Welle in die Stirn hingen. Jetzt hatte man sie aufgesteckt, um einen Bubikopf zu imitieren, doch tagsüber ließ Blue sie meist lang über die Schultern hängen, was nach Merrigans Meinung schauderhaft aussah. Zu ihrem vollen Mund hatte sie zu ihrem Leidwesen die weiblich abgemilderte Adlernase ihres Vaters geerbt, eine Römernase, wie sie lamentierte.

»Römisch!«, stichelte Merrigan. »Die ist nicht . Die ist noch nicht mal italienisch, Schätzchen!«

Jetzt trudelten die Gäste ein, und die Camberwells versammelten sich an der Türschwelle, um sie in Empfang zu nehmen. Blue hatte sich bei Merrigan untergehakt. Lawrence Miller, Merrigans Ehemann, stand hinter seiner Frau und hielt die Fußknöchel ihres Kindes fest, das auf seinen Schultern ritt und recht energisch mit den Füßen gegen seine Brust trommelte. Hinter Blue stand ihr Vater, neben ihm Midge.

Blue murmelte lächelnd Begrüßungen, als die vertrauten Gesichter vorbeidefilierten, Gesichter, die sie ihr ganzes Leben lang begleitet hatten, Menschen, mit denen sie aufgewachsen war. Doch einen kurzen Moment lang sah sie beim Blick auf die illustre plaudernde Menge nur Verluste und Narben. Dies waren Menschen, die den Krieg durchlitten und sich davon mehr oder weniger wieder erholt hatten, jeder auf seine Weise. Fast kam es ihr so vor, als ob sich ihre eigenen Hüllen aufgelöst hätten – das wunderbare Haus, das glitzernde Kleid, die glückliche Familie – und ihre Wunden freigelegt. Momente wie dieser überkamen Blue häufig und zeigten ihr, dass auf nichts Verlass war. Dann schüttelte sie es von sich ab. Dieses Gefühl hatte an einem Abend wie diesem nichts verloren, heute wurde gefeiert. Die liebe Midge hatte sich wie immer unheimlich große Mühe gegeben. Blue tastete nach ihrer Hand und drückte sie. Midge erwiderte den Druck.

Nachdem die meisten Gäste eingetroffen waren, zog Blue los, um einem nach dem anderen ihre Aufwartung zu machen. Sie nahm Küsse, Geschenke und Komplimente entgegen. Stellte sich mit geduldigem Lächeln den Fragen nach ihrem Liebesleben und wusste Juno Forresters eifriger Bitte nach »aufregenden Interna« geschickt auszuweichen. Eigentlich fand Blue die schnell sprechende, entschlossene Frau in den Dreißigern mit einem Faible für Turbane recht nett. Aber sie fragte sich, Gazette?

Nicht dass Blue die Liebe gleichgültig gewesen wäre. Meine Güte, gab es etwas Romantischeres als eine Schriftstellerin? Eine Schriftstellerin, korrigierte sie sich rasch. Von Juno wusste sie, dass es keine romantischeren Menschen gab als e Schriftstellerinnen. Aber Schriftsteller hätten gar keine Zeit für Romantik, hatte sie ergänzend hinzugefügt und diese philosophische Erkenntnis mit einem Kringel Zigarettenrauch untermalt, da sie viel zu sehr damit beschäftigt waren, ihre Abgabetermine einzuhalten. Und so hatte Blue sich bisher gar nicht erst in eine Situation bringen lassen, die sie von ihrem Ziel hätte abhalten können. Und das hatte sie auch jetzt nicht vor.

»Hallo, Blue, altes Mädchen. Meine Güte, du siehst aber toll aus!«

Blue drehte sich um zu Foster Foxton, dem Freund ihrer Kindertage,...


Rees, Tracy
Tracy Rees studierte in Cambridge und hat acht Jahre in einem Sachbuchverlag gearbeitet. Ihr Debütroman "Die Reise der Amy Snow" wurde aus über tausend Einsendungen in einem Schreibwettbewerb als Gewinner ausgewählt. Sie lebt in South Wales, England.



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