E-Book, Deutsch, 480 Seiten
Regenbrecht Göttern und Menschen zum Troz
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-925805-45-5
Verlag: TABU LITU Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Roman mit zahlreichen freien Adaptionen und Modificirungen
E-Book, Deutsch, 480 Seiten
ISBN: 978-3-925805-45-5
Verlag: TABU LITU Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Caroline Schelling (1763 bis 1809), geborene Michaelis, verwitwete Böhmer und geschiedene Schlegel, hatte ein faszinierendes Leben, in dem sie den Geistesgrößen ihrer Zeit begegnete, allen voran Goethe und Schiller. Aber auch Wilhelm und Alexander von Humboldt, August Wilhelm Schlegel, zeitweise ihr Ehemann, und dessen Bruder Friedrich spielen eine wichtige Rolle wie weiterhin Georg Forster, Ludwig Tieck und Novalis, Clemens und Bettine Brentano, Fichte und Herder.
Sie war eine der sogenannten Universitätsmamsellen, Töchter Göttinger Professoren, hochgebildet, auch wenn sie keine Universität besuchen durften; Caroline sprach Italienisch, Französisch und Englisch. Ihre Lebensstationen nach der Kindheit in Göttingen sind Clausthal im Harz mit dem Ehemann Dr. Böhmer, nach dessen Tod Aufenthalt in Marburg bei einem Bruder, weiter nach Mainz, wo sie ein gutes Jahr lebte, die kurzlebige Mainzer Republik miterlebte und mit einem jungen französischen Offizier eine „Glutnacht“ verbrachte, die nicht ohne Folgen blieb. Auf ihrer Flucht aus Mainz wurde sie von preußischen Soldaten festgehalten und auf die Festung Königstein gebracht, wo sie mit ihrer Tochter Auguste drei Monate in Geiselhaft genommen wurde. Ihr Bruder und August Wilhelm Schlegel setzten sich beim preußischen König für sie ein und sie kam frei. Über Leipzig landete sie in Jena, wo sie mit ihrem Ehemann August Schlegel, dessen Bruder Friedrich und Partnerin Dorothea Veit die berühmte Jenaer Wohngemeinschaft bildete, die das Kernstück der Frühromantik wurde.
Nach ihrer Trennung von Schlegel und dem Tod ihrer Tochter heiratete sie den Philosophen Schelling und ging mit ihm nach Würzburg und München. Mit nur 46 Jahren Jahren starb sie in Maulbronn. Caroline hat zwar den Versuch eines Romans unternommen, kam damit aber nicht weit, dennoch sind vor allem ihre Briefe ein großartiges Porträt eines ungewöhnlichen Lebens. Sie arbeitete nicht nur an dem Journal „Athenäum“ der Schlegel-Brüder mit, sondern half August Wilhelm auch bei seinen Shakespeare-Übersetzungen, die zeitlose Gültigkeit haben. Die Frühromantiker um die Schlegel-Brüder strebten nach Ganzheitlichkeit und wollten das Leben mit der Kunst versöhnen, so besehen ist Carolines Leben ein romantisches Gesamtkunstwerk. Vor allem war es ein selbstbestimmtes Leben, das Caroline über die Konventionen spießiger Moral oder öffentlicher Anerkennung hinaus glückte.
KD Regenbrecht hat den Roman über Caroline Schelling „mit zahlreichen freien Adaptionen und Modificirungen div.Quellen“ versehen, weil er, wie er sagt, „die Zeit weder glorifizieren noch mit ironischer Distanz aus heutiger Sicht präsentieren“ wollte; „deshalb habe ich auch die Passagen, die keine Zitate sind, in Sprache und Orthografie der damaligen Zeit angepasst.“ Zusammen mit den beiden 2019 erschienenen Büchern, „Ein Mythos wird vermessen – Rhein, Romantik und neue Raumerfahrung“ und dem Roman „Die selige Verzückung absehbarer Enttäuschung“, sei seine Romantik-Trilogie rund 1000 Seiten stark und, so der Autor, „sicher einzigartig im fast unüberschaubaren Meer der Veröffentlichungen, die sich mit der Romantik befassen.“ Durch die sowohl essayistische, wissenschaftliche als auch literarisch fiktive Bearbeitung auf verschiedenen Zeitebenen hofft Regenbrecht der aufregenden Epoche der Romantik, die ohnehin eine Renaissance erlebt, umfassend gerecht zu werden.
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Königstein
Ende März endlich entschloßen sich Caroline und Meta mit vier Kindern, darunter Auguste und Adalbert, sowie Metas Mutter und ihrer Schwägerin, Mainz in Richtung Mannheim zu verlaßen. Caroline wolte weiter nach Gotha zu den Gotters; Meta und ihr Anhang zurück nach Göttingen, wo sie eine neue Ehe eingehen wolte. Ihre Braunschweigischen Paßpapiere waren expirirt, woher neue nehmen? Wo welche Heere lagen, darüber gab es Speculationen, aber keine Gewißheit. Sie mußten den Postkutschern vertraun. Nach kurzer Wegstrecke, in Oppenheim, hielten Soldaten sie fest: „Gännse vlaischt de Koffer mal uffmachen? „Gännse vlaischt emol Däitsch räden?“ Caroline konnte schnippisch reagieren; die anderen Frauen warfen ihr besorgte oder böse Blicke zu. Nach nur kurzer Wegstrecke brachte Carolines Verhalten, die seit jener Ballnacht ein Geheimnis hatte und hätte wißen müßen, daß ihr vorlautes Betragen von den Preußen nicht geduldet würde, sie alle in Bedrängnis. Wäre nicht die Sorge um die Kinder gewesen, sie hätten Mainz nicht verlaßen. Mainz war nicht zu halten. Die Heere, die sich endlich gesammelt hatten, waren übermächtig. Vielleicht floh Caroline aber auch vor den Avancen des jungen Lieutenants. Nicht einmal Meta wußte, was geschehen war. Niemand sollte je erfahren, was sich in jener Nacht zugetragen hatte. Ein Officir war hinzu getreten, salutirte und fortan führte er das Wort. Metas Mutter ihrerseits hatte die Gesprächsführung bey den Weibern übernommen, um weiteren Schaden zu verhindern. Der Officir sprach nicht nur ein sauberes Niederdeutsch, sondern war wesentlich ordentlicher uniformirt. Er wußte natürlich, woher die Gesellschaft kam, und belehrte sie darüber, daß sie sich nun auf dem Bodem des Heiligen Römischen Reiches befänden und nicht mehr im französischen Sündenpfuhl von Mainz, wo das Chaos herrsche, des gueux et des misérables. Man munkele, Colporteure hätten das confirmirt, Saufgelage und Orgien seyen dort an der Tagesordnung. Seyn Blick weilte dabei auf Caroline, unter den Weibern der Reisegesellschaft die Prominente an Körpergestalt und Anmut des Gesichtes. Gott, Kaiser und König würden dafür sorgen, daß auch dort wieder Sitte, Recht und Ordnung die Oberhand gewännen. Deshalb werde man sie jezt zur weiteren Interrogation nach Frankfurt verbringen. Zwei berittene Soldaten begleiteten den Officir, der die Kutsche sammt der Frauenzimmer und Kinder über Hattersheim nach Frankfurt eskortirte. Die Fahrt war öde, es regnete, es war kalt, die Frauen froren und verfluchten Caroline, die ihre Zunge nicht hatte im Zaume halten können. In Frankfurt gingen die Verhöre erst richtig los und nach zwei Tagen Aufenthalt wurden sie nach Königstein deportirt, zusammen mit aus Mainz geflohenen und festgesezten Jakobinern, ohne zu wissen, was ihnen vorgeworfen wurde. Jedermann hatte Kenntniß darüber, daß auch in Mainz Frauenzimmer keine Stimme hatten, nicht in die Clubs aufgenommen werden durften; bey den Versammlungen waren sie hinter die Barricaden verbannt, wenn die Klubisten ihre flammenden Reden hielten. Forster begann damals mit einem Zitat aus seinen Ansichten vom Niederrhein: „Was die Potentaten von Europa einander garantiren, sollte freilich ewig dauern müssen; nur schade, daß die Erfahrung hier die Theorie so bündig widerlegt und jedem Fürstenvertrage seine längere Dauer verspricht, als bis zur nächsten Gelegenheit, wo er mit Vortheil gebrochen werden kann. In der Seele der Politik ist ein Friedensact vom Augenblick der Unterzeichnung an vernichtet; denn in diesem Augenblick hatte sie ihren Endzweck durch ihn erreicht.“ In den Verhören war natürlich herausgekommen, daß Caroline bey Forstern gewohnt hatte, dessen Frau den Verstand gehabt hatte, sich mit den Kindern zu distanciren. Forster selbst war längst in Paris, also über alle Berge verschwunden, aber man glaubte, daß die Böhmerin Frau des Hetzers Böhmer in Mainz war. Georg Wedekind, der selbst im Dom von aufwiegelnden Haßtiraden keinen Abstand genommen hatte, das war ebenso klar geworden, war der Sohn der inhaftirten alten Wedekind, und Meta war seyne Schwester. Er hatte sich wie Forster rechtzeitig nach Landau aus dem Staube gemacht. Über weite Strecken gebährdeten sich die Verhörführenden wie Ankläger. Nicht nur Caroline unterstellte man ein Verhältniß mit Forster, nein, auch Meta sollte mit ihm mehr als ein Arbeitsverhältniß gepflegt haben. Was war denn damals auf ihrer gemeynsamen Reise nach Karlsruhe gewesen, wo er sich als ihr Stiefvater ausgegeben hatte? Zunächst sah es jedoch gar nicht so schlimm aus. Sömmerring, der wie Forster als Universitätsprofessor noch vom Kuhrfürsten nach Mainz berufen worden war, berichtete am 6. April an Heyne, Thereses Vater: „Mad. Wedekind, die Mutter Forkel und Wittwe Böhmer konnten nicht weiter als Oppenheim, nun suchten letztere drei sich über Frankfurt nach Göttingen und Gotha zu begeben, allein die Böhmerin war selbst schuld, daß sie zu Hattersheim Wache bekam und so hierher gebracht wurde. Ich sah sie vor und nach dem Verhöre wo sie mir sich sehr unweiblich zu betragen schien, unter andern sagte sie in meiner Gegenwart zum General-Auditeur, ’Er wäre ein trefflicher Redacteur, indem er alles so schön kurz zu fassen gewußt hätte’, worauf er ihr fortschreibend ohne sie anzusehen erwiderte, ’ich habe mich mit Fleiß nicht weitläufig einlassen mögen, um nicht odiosa bemerken zu müssen’. Sie kamen frei, doch sagte man ihnen, daß sie noch ein paar Tage verziehen möchten. Allein als Frau Forkel gestern anfragte, ob sie abreisen könnten, und ihr der General-Auditeur dieselbe Antwort gab, daß sie noch verziehen möchten, bis er Antwort aus dem Cabinet bekäme, so fragte sie: ’Was es denn zu sagen gehabt hätte, wenn sie doch abgereist wären?’ worauf man nicht antwortete, sondern jeder drei Mann Wache zuschickte.“ Warum hatten sie sich nicht einfach aus Frankfurt entfernt? „Es thut mir leid, daß die superklugen Göttingerinnen meinem ernstlichen Rath nicht folgen wollten, sogleich sich nach dem Verhöre wegzumachen, weil ihre Namen hier zu gehäßig wären, wovon sie doch selbst demüthigende Proben genug erfuhren, indem sie kaum Logis finden konnten, und ihnen der Kellner Caffee zu reichen abschlug.“ So mutmaßte Sömmering weiter, aber Caroline stellte die Dinge in einem Brief ganz anders dar: „Endlich mach ich mich am 30sten mit Meta und der alten Mutter auf den Weg, um über Mannheim nach Gotha zu gehn, wo Gotter schon seit langer Zeit mein Absteigequartier bereitet hatte. Wir mußten umkehren, weil die Preußen schon das Land im Besitz hatten – wir vertrauten uns einem Mann an, um nun grade zu nach Frankfurt zu reisen, der einer von den Leuten ist, die im Geruche der Rechtschaffenheit stehn, aber aus Furchtsamkeit aller möglichen Schurkenstreiche fähig sind – das war dumm, da ich ihn bey dieser Gelegenheit zum erstenmal sah – aber wie kont ich an Verrath denken. Sobald man uns auf unsre ominösen Nahmen hin anhält, überliefert uns dieser Mensch, um seine Loyalität zu retten – immer ohne Ahndung des schrecklichen Ausgangs bleiben wir 3 Tage in Frankfurt und halten heilig den auferlegten Stadtarrest, indem er ins Hauptquartier geht, auf welche Expedition erst Bewachung im Hause und dann ein Transport nach Königstein folgt.“ Thereses Vater, Gottlob Heyne, richtete seinen ganzen Haß gegen Caroline, als er an seine Tochter schrieb: „Caroline sitzt auch auf dem Königstein und hat andere Unschuldige in ihr unglücklich Schicksal gezogen, die arme Forkelin, die Wedekind und ihre Mutter.“ Sömmerring berichtete, daß die Frauen weder ein weiteres Mal verhört wurden, noch daß ihnen die Ursache ihres Arrest’s und ihres Gefängnisses zu Königstein gesagt worden wäre. Und was sie nicht für möglich gehalten hätten, wurde bittre Wahrheit: Von Frankfurt ging es nach Königstein, die Festung im Taunus, nicht weit entfernt, fest in der Hand der Preußen: „Sie sprechen von Formalitäten, sie sezen Anklage, Vertheidigung, Untersuchung voraus – wo fand dergleichen Statt? Räuberformalitäten übt man an uns – und sie tun nicht wohl im deutschen Eifer einer Nation ausschließlich das Räuberhandwerk zuzueignen. Mir müßten sie es wenigstens nicht sagen, die ich 160 Gefangene sah, welche durch deutsche Hände gingen, geplündert, bis auf den Tod geprügelt worden waren, und ohngeachtet die wenigsten von ihnen den Franken wirklich angehangen hatten, jetzt der deutschen Großmuth fluchen mußten. Königstein bildet eifrige Freyheitssöhne – alles, was sich von Kraft in diesen Armen regt, lehnt sich gegen dies Verfahren auf.“ So schrieb Caroline an Friedrich Wilhelm Gotter, bey dessen Familie sie in Gotha ein Unterkommen erhofft hatte. Man hielt die Frauen und ihre Kinder in...