Reheis | Die Resonanzstrategie | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 416 Seiten, Format (B × H): 1300 mm x 205 mm

Reheis Die Resonanzstrategie

Warum wir Nachhaltigkeit neu denken müssen. Ein Plädoyer für die Wiederentdeckung der Zeit
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-96238-554-5
Verlag: oekom verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Warum wir Nachhaltigkeit neu denken müssen. Ein Plädoyer für die Wiederentdeckung der Zeit

E-Book, Deutsch, 416 Seiten, Format (B × H): 1300 mm x 205 mm

ISBN: 978-3-96238-554-5
Verlag: oekom verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Was braucht der Mensch für ein gutes Leben? Wonach sehnen wir uns von Beginn an? Nach Resonanz! Jeder Mensch erhofft sich Resonanz auf das, was er tut: dass er verstanden wird, wenn er sich anderen mitteilt; dass er Antworten erhält, wenn er Fragen stellt; dass die Natur gedeiht, wenn er sich um sie kümmert; dass Entscheidungen, die er trifft, sich auch »stimmig« anfühlen. Resonanz ist auch der Schlu?ssel zu einem neuen Verständnis von Nachhaltigkeit. Nur, wenn der Mensch soziale Mitwelt, natürliche Umwelt und personale Innenwelt als Resonanzräume erfährt, wird nachhaltige Entwicklung möglich. Das Buch von Fritz Reheis zeigt, dass die herrschende Wirtschaftsordnung mit ihrem Beschleunigungsdiktat derartige Resonanzphänomene systematisch blockiert und damit ein gutes, nachhaltiges Leben verhindert. Reheis' Resonanzstrategie ist dabei konservativ und revolutionär zugleich. Sie zeigt, wie die Symphonie des Lebens - vom Lärm des Geldes ständig übertönt - für uns alle wieder hörbar werden kann.

Fritz Reheis gilt als einer der geistigen Väter von Begriff und Konzept der Entschleunigung. Publizistisch beschäftigt sich der habilitierte Erziehungs- und Sozialwissenschaftler mit der Frage nach dem richtigen Zeitmaß; für unsere beschleunigungskranke' Gesellschaft. Er ist Autor viel beachteter Bücher wie 'Entschleunigung: Abschied vom Turbokapitalismus', 'Die Kreativität der Langsamkeit' und 'Wo Marx Recht hat'.
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Vorwort
»Schneller, höher, weiter! – Aber wohin?«
»Schneller, höher, weiter!« Das ist das Mantra unseres Fortschritts. Immer schneller produzieren, transportieren und kommunizieren wir. Immer höher wachsen Berge von Gütern, Müll und Daten, wachsen Vermögen und Schulden. Immer weiter greifen wir in die Welt ein, die äußere und die innere. Wir steigern fast alles, was uns irgendwie in die Finger kommt. Wir gehorchen dem Steigerungsprinzip.
»Aber wohin?« Die Zweifel am Ziel unserer Anstrengungen lassen sich längst nicht mehr verdrängen. Die Welt sei aus den Fugen geraten, heißt es. Gefragt wird, was sie eigentlich noch zusammenhalte. Unbehagen, Besorgnis, Angst, aber auch Zorn, Wut und Hass greifen um sich. Die Gefühle variieren zwar je nach Betroffenheit und Nachrichtenlage, aber der Bedarf nach Orientierung wächst überall. Wie wollen wir leben? Wie leben wir tatsächlich? Und woher kommt die Diskrepanz?
Das Steigerungsprinzip mutet olympisch an. Wo es regiert, wird Genügsamkeit zum Fremdwort. Sein Ausbleiben, jeder Stillstand gilt als Alarmzeichen, als Vorbote einer Krise. Die Steigerung scheint zu beruhigen und für Sicherheit zu sorgen. Soziologen wie Hartmut Rosa sprechen von »dynamischer Stabilisierung«.1 Aber man muss nicht an die Rolle von Doping und Ökonomisierung im Sport erinnern, um die Kehrseite des Steigerungszwangs zu erkennen. Es gibt immer auch Grenzen, bei deren Überschreitung die Stabilität verloren geht.
Nehmen wir die Steigerung der Geschwindigkeit. Da bekanntlich mit der Höhe der Geschwindigkeit im Straßenverkehr auch die Unfallrisiken zunehmen, liegt die Idee nahe, einfach die Geschwindigkeit zu reduzieren und somit der generellen Beschleunigung die generelle Entschleunigung entgegenzusetzen. Das wäre ein grobes Missverständnis, mit dem ich, teils als Reaktion auf meine Bücher zum Thema »Entschleunigung«2, immer wieder konfrontiert worden bin. Der Notarzt muss schnell am Unfallort sein. Aber der, der ihn braucht, war vermutlich zu schnell. Deshalb hat es ihn aus der Kurve getragen. So wenig wie Schnelligkeit kann also auch Langsamkeit ein Wert an sich sein. Die Beseitigung des Hungers, der soziale Ausgleich, Abrüstung, Energiewende – all das muss schneller vorankommen. Dennoch sind wir in vielerlei Hinsicht zu schnell und vor allem atemlos. Seit ich auf der Welt bin, hat sich die Zahl der Menschen auf der Erde verdreifacht, die Summe aller jährlich produzierten Waren und Dienstleistungen sogar versiebenfacht. Mehr noch: Wir sind die erste Menschheitsgeneration, die einen vollen Überblick über die mit unserer Lebens- und Wirtschaftsweise verbundenen Risiken hat, und gleichzeitig vielleicht die letzte, die sie abwehren kann.3
Dass diese Risiken mit unserem Tempo zusammenhängen, habe ich Mitte der 1990er-Jahre in einer Bilanz der Destruktivität der Schnelligkeit zu belegen versucht.4 Dort habe ich aus besorgniserregenden Zukunftsprognosen zitiert. Heute, fast ein Vierteljahrhundert später, hat sich gezeigt, dass nahezu alles genau so gekommen ist – nur schneller. Flächenversiegelung und Klimawandel, Insekten- und Vogelsterben, Zwangsmigration und Terrorangst, Letztere jetzt auch auf den Inseln des Wohlstands und des Friedens. Die verheerenden Folgen der Beschleunigung sind heute im Wesentlichen klar: Nicht nur »nach uns«, auch »neben uns die Sintflut«.5 Was jedoch fehlt, ist eine überzeugende Alternative. Meine bisher eher rudimentären Überlegungen möchte ich hier fortführen, präzisieren und systematisieren. Wann ist eine Geschwindigkeit – aber auch eine Höhe, eine Weite – angepasst? Es geht um die Grenzen der Steigerung. Oder etwas antiquiert formuliert: um das rechte Maß.
Auch hier ist der Verkehr ein gutes Beispiel. Jede Geschwindigkeit muss an Straße und Witterung, an technische Eigenschaften des Fahrzeugs, an die Menge des verfügbaren Treibstoffs, an das Können des Fahrers und natürlich – siehe Notarzt – immer auch an den Zweck der Fahrt angepasst sein. Generell ist etwas angepasst, wenn es zur Gesamtheit der Voraussetzungen passt, auf denen es beruht.
Die Voraussetzungen des Verkehrs haben viel mit Zeit zu tun. Das beginnt schon beim zeitaufwendigen Bau einer Straße und der Festlegung des Straßenverlaufs, die der Einsparung von Reise- und Transportzeit dienen sollen. Es geht weiter mit der Zeit, die der Fahrer zur Reaktion auf die plötzlich auftauchende Kurve und das Fahrzeug zum Abbremsen der Geschwindigkeit benötigt. Und die Zeit spielt schließlich im oben genannten Beispiel eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, dass der Arzt rechtzeitig beim Unfallopfer eintrifft.
Dieses Buch will zeigen, dass die Zeitdimension auf der Suche nach verlässlicher Orientierung und brauchbaren Maßstäben ganz grundsätzlich weiterhelfen kann. Bekanntlich benötigt fast alles, was wir tun, seine Zeit, und Ungeduld ist selten zielführend. Eine Geschichte aus China erzählt von einem Bauern, der so lange an den Keimlingen einer Pflanze zupfte, um ihnen beim Wachsen zu helfen, bis sie welk wurden und abstarben. Und ein deutsches Sprichwort sagt, dass die Sau vom ständigen Wiegen nicht fetter wird. Der Mensch muss sich bei dem, was er tut, trotz aller Ungeduld immer auch an die zeitlichen Gegebenheiten anpassen, die seinem Tun vorgegeben sind. Dieses Buch fragt deshalb ganz grundsätzlich nach Eigenzeiten und nach den Bedingungen, unter denen sie zusammenpassen: nach der »Synchronisation« von Handlungen, Vorgängen und Gegebenheiten.
Nun ist aber allgemein bekannt, dass das Bemühen um Synchronisation in vielen Bereichen nicht zwangsläufig zu dem führt, was beabsichtigt ist. Naheliegendes Beispiel ist die zwischenmenschliche Kommunikation. Wir wissen im Voraus oft nicht, ob Bilder, Sätze oder Ideen wirklich beim Gegenüber ankommen, auf welche Anspielung etwa das Publikum im Kabarett reagiert, welcher Film ein Flop wird und welcher Millionen von Menschen bewegt. Kurz: Wir wissen nicht, wann sich »Resonanz« einstellt. Resonanz, ursprünglich ein Begriff aus Physik und Musik, spielt aber nicht nur dort und im Zusammenhang mit der zwischenmenschlichen Kommunikation eine Rolle. Der Mensch ist, so der Soziologe Hartmut Rosa, als soziales Wesen ganz grundsätzlich auf Resonanz angewiesen, darauf also, dass ihm die soziale Mitwelt nicht als taub und stumm begegnet, sondern dass sie antwortet, dass sie als etwas Lebendiges erfahren wird.6
Man kann das Phänomen der Resonanz jedoch noch wesentlich weiter fassen. Anknüpfend an die bisher wenig bekannte »Allgemeine Resonanztheorie« des Molekularbiologen Friedrich Cramer7 möchte ich zeigen, dass der Resonanzbegriff außer auf Soziales auch auf all jene Beziehungen gewinnbringend angewendet werden kann, die der Mensch zum einen mit der äußeren Natur, zum anderen mit sich selbst eingeht. Aus einer resonanztheoretischen Perspektive ist Resonanz ein Prinzip, das die soziale Mitwelt genauso umfasst wie die natürliche Umwelt und die personale Innenwelt. Wo Kommunikation in ein wechselseitiges Anschreien mündet, wo das Klima verrückt spielt und wo sich innere Erschöpfung breitmacht, passen menschliche Anstrengungen und die durch sie erzeugten Konsequenzen jedenfalls nicht wirklich zusammen. In all diesen Bereichen gibt es keine Garantie, dass das passiert, was beabsichtigt ist, dass also die Synchronisation zum gewünschten Ergebnis führt. Ich kann mich noch so sehr um Klarheit bemühen und werde doch missverstanden. Ich kann die Pflanze noch so liebevoll behandeln, und sie gedeiht dennoch nicht. Ich kann mir selbst gegenüber noch so achtsam sein und werde dennoch nicht wirklich glücklich. Resonanz ist zwar das untrügliche Zeichen dafür, dass die Bemühungen um Synchronisation erfolgreich waren – aber sie kann eben auch ausbleiben.
Das Beispiel Musik illustriert, wozu Resonanz, wenn sie sich ereignet, fähig ist. Zwar ergreifen die Schallwellen der besten Musik nicht zwangsläufig jeden Menschen in jeder Situation in seinem Innersten. Wo die von ihr ausgehenden Schwingungen aber in einem Menschen wirklich ankommen, können sie ungeahnte geistige, emotionale und körperliche Kräfte entfesseln, Menschen sogar heilen. Und Musik hat die Fähigkeit, unter denen, die von ihren Schallwellen berührt werden, Gemeinschaft zu stiften und ganze Generationen zu prägen, wie etwa die Beatles und die Stones bewiesen haben. Der Resonanzbegriff ist nicht einfach eine poetische Metapher, sondern ein Instrument zur präzisen Analyse komplexer zeitlicher Sachverhalte und Entwicklungen, die mit dem Streben nach Synchronisation im Idealfall einhergehen können.
Die Analyse des Zusammenhangs von Zeit, Synchronisation und Resonanz ermöglicht – das ist der erste Teil der Botschaft dieses Buches –, besser zu verstehen, was mit dem Terminus »nachhaltige Entwicklung« gemeint ist.8 Im Wort »nachhaltig« ist ja die Zeitdimension bereits enthalten, über die Begriffe »Synchronisation« und »Resonanz« kann sie nun explizit gemacht werden. Resonanz als Mit-, Nach- und Zurückschwingen, so wird sich zeigen, verweist analytisch auf zugrunde liegende Schwingungen und diese wiederum auf Kreisbewegungen, die miteinander in Wechselwirkung stehen.
Der zweite Teil der Botschaft besteht aus Überlegungen zu praktischen Konsequenzen, die aus dieser Analyse abzuleiten sind. Wenn wir nämlich anerkennen, wie bedeutsam die fundamentalen Kreisläufe beziehungsweise Schwingungen sind, die sich gegenseitig anstoßen und verstärken können, liegt es nahe, daraus eine ebenso fundamentale praktische Konsequenz zu ziehen: Statt immerzu alles Mögliche zu steigern, könnten wir die Wiederkehr des Ähnlichen zum...


Reheis, Fritz
Fritz Reheis gilt als einer der geistigen Väter von Begriff und Konzept der Entschleunigung. Publizistisch beschäftigt sich der habilitierte Erziehungs- und Sozialwissenschaftler mit der Frage nach dem richtigen Zeitmaß; für unsere beschleunigungskranke' Gesellschaft. Er ist Autor viel beachteter Bücher wie 'Entschleunigung: Abschied vom Turbokapitalismus', 'Die Kreativität der Langsamkeit' und 'Wo Marx Recht hat'.



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