E-Book, Deutsch, Band 24, 324 Seiten
Reihe: Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei
Reinalter Der freimaurerische Diskurs der Moderne
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7065-6221-8
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Vorlesungen, Vorträge, Studien und Essays
E-Book, Deutsch, Band 24, 324 Seiten
Reihe: Quellen und Darstellungen zur europäischen Freimaurerei
ISBN: 978-3-7065-6221-8
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Freimaurerei versteht sich nicht nur als Traditionsbund, sondern auch als lebendige Wertegemeinschaft. Diese grundsätzliche Einstellung geht davon aus, dass sich Fortschritt als weiter entwickelte Tradition bestimmt und sich daher Ziele und Aufgaben der Freimaurerei ständig in reformerischer Ausrichtung mit den geistigen Strömungen der Zeit beschäftigen sollten. Dabei geht es nicht um einen modischen Erneuerungszwang, sondern vielmehr um die Einsicht, dass sich von Zeit zu Zeit durch Veränderungen der Gesellschaft Reformen für die Weiterentwicklung der Bruderkette als nützlich und sinnvoll erweisen können. In diesem Zusammenhang geht es nicht darum, dem modischen Zeitgeist nachzueifern, sondern den Geist der Zeit herauszufinden, kritisch zu hinterfragen und für die Zukunft weiterzuentwickeln.
Das Werk „Der freimaurerische Diskurs der Moderne“ befasst sich deshalb mit Reformen und Modernisierungsversuchen der Bruderkette von ihren Anfängen bis in unsere Gegenwart, wobei unter Moderne ein historischer Umbruch oder Wandel der Gesamtgesellschaft gemeint ist. Unter freimaurerischem Diskurs versteht der Autor, die Freimaurerei zeitgemäß zu erneuern, wobei der wissenschaftliche Zugang zur Bruderkette eine unverzichtbare Verständnisgrundlage darstellt. Kritisches Vernunftdenken ist nämlich ein wesentlicher Bestandteil masonischer Ziele und Aufgaben.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Soziologie | Soziale Arbeit Soziale Gruppen/Soziale Themen Klubs, Vereine, Geheimgesellschaften
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politikwissenschaft Allgemein Politische Geschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Mentalitäts- und Sozialgeschichte
Weitere Infos & Material
Historische Perspektiven und Beispiele
I. Frühe Neuzeit
1. Die historischen Ursprünge und die Anfänge der Freimaurerei.
Legenden – Theorien – Fakten Über die Ursprünge und Entstehung der Freimaurerei haben sich im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Theorien, Mythen und Legenden entwickelt, die bis in die Antike zurückreichen. Heute stehen in der masonischen Historiographie stärker die westeuropäischen Gilden-, Maurer- und Steinmetzzünfte, Kathedralenbaumeister, Wandergesellen, Tempelritter, Mönchsorden und die frühen Akademien sowie aufgeklärten Sozietäten und Rosenkreuzer im Vordergrund der historischen Überlegungen. In der älteren Forschung wurden auch direkte oder indirekte Verbindungslinien zwischen den Bauhütten und den antiken Mysterienbünden, dem salomonischen Tempelbau und dem späteren Ritterorden hergestellt, um die esoterischen Wurzeln der Freimaurerei aufzuzeigen und zu erklären. In diesem Zusammenhang sind vor allem der Salomonische Tempel, der Kult der Brahmanen, die Isis- und Osiris-Legende des alten Ägypten, die ägyptische Mythologie, die geheime „Dreiheit“ des alten China, die Eleusinischen Mysterien, der Bund der Pythagoräer, der Mysterienkult der Essener, der Mithras-Kult, die Kabbala, die Gnosis, die Druiden und Barden zu nennen. Problematisch ist zweifelsohne der Versuch, Freimaurerei als eine Fortführung der alten Mysterien zu sehen (Johann August Starck). Inwieweit für die Gründung der Freimaurerei auch der Neuplatonismus bestimmend wurde, ist z. T. noch ungeklärt. Der Neuplatonismus versteht sich als Weiterentwicklung des Platonismus, der Lehre des Philosophen Platon. Dieser geht von der Annahme aus, dass das gesamte Individuelle stufenweise aus einem einzigen letzten Urgrund hervortritt und wieder dahin zurückkehrt. Dieser Urgrund ist das Eine, Ewige, Höchste, Gute und Schöne sowie Nicht-Seiende. Außerhalb dieses Einen existiert sonst nichts mehr. Der „Demiurg“ oder Schöpfer bringt die Weltseele hervor und schafft das ständig wahrnehmbare Universum nach dem Vorbild des „Nous“ und beseelt damit auch die Materie. Nicht bewiesen sind weiters der englische Philosoph Francis Bacon und der Philosoph, Theologe und Pädagoge Jan Comenius als Begründer der Freimaurerei. Die hier erwähnten Mysterienbünde können nur mit Vorbehalt und Einwänden als mögliche esoterische Wurzeln der späteren Freimaurerei angesehen werden. Mit wissenschaftlichen Belegen und Argumenten lassen sich solche Entwicklungslinien und Zusammenhänge kaum festmachen. Als wesentlich konkretere Vorstufen der modernen „spekulativen“ Freimaurerei findet man in der Literatur öfters die beruflichen Zusammenschlüsse der Handwerker und der Ritterorden, wie z. B. der Malteser- oder der Templerorden, der sich auf das hohe Ansehen der Ordensmitglieder als Bauherren stützt und auf der Hypothese aufgebaut ist, dass der Orden trotz Verurteilung und Verfolgung seine Weiterentwicklung sichern wollte. Der Großmeister Pierre d’Aumont, der zusammen mit zwei Kommandeuren und fünf Rittern nach Schottland floh, soll vom schottischen König Robert I. Bruce freundlich aufgenommen worden sein und Templer um sich gesammelt haben. Diese Gruppe soll weiters die bereits bestehenden Bauhütten als Organisationsträger beeinflusst und instrumentalisiert haben. Eine weitere Legende geht auf Baron Karl von Hund zurück, der ein bedeutender Freimaurer des 18. Jahrhunderts in Deutschland war. Auf der Basis des von ihm gegründeten masonischen Ritus, der „Strikten Observanz“, sollte der Templerorden wiederhergestellt werden. Ein Indiz für den Zusammenhang der Freimaurerei und den Templern könnte die Baukunst in den Logen gewesen sein, worüber mehrere Manuskripte des Bauhandwerks aus England berichten und auf die später noch hingewiesen wird. Eine weitere These geht von der älteren Rosenkreuzer-Bruderschaft als Ursprung der Freimaurerei aus. Charles von Bokor erwähnt, allerdings nicht vollständig, mehrere „pseudowissenschaftliche“ Theorien, die für ihn keinen Aufschluss über die Entstehung der Freimaurerei bieten.45 Erst im 19. Jahrhundert ist die realistische Geschichte durch alte Urkunden, kritische Prüfung der Quellen sowie durch den Vergleich mit den Steinmetz- und Handwerkerordnungen in Verbindung mit der Baukunst geklärt worden. Als die eigentlichen Vorläufer der modernen Freimaurerei gelten jedoch in der heutigen profanen als auch masonischen Forschung die handwerklichen Bruderschaften, die Bauhütten und Baumeister, auf deren Brauchtum sehr viel maurerisches Gedankengut zurückgeführt werden kann. Sie setzten sich aus Mitgliedern des Steinmetzstandes zusammen, nahmen aber auch Maurer und Decker auf. Die Bauhütten und Bruderschaften Während der Reformation wurde den Bauhütten der Vorwurf gemacht, sie würden geheime Zusammenkünfte abhalten und die Gesetze des Staates und der Kirche missachten. So verloren sie – auch aufgrund der Folgen negativer ökonomischer Entwicklungen und Auswirkungen durch den Hundertjährigen Krieg – langsam an Bedeutung und wurden schließlich im Laufe des 17. Jahrhunderts wieder aufgelöst. Unter „Bauhütte“ verstand man allgemein eine „Vereinigung von Werkleuten“ unter der Leitung eines Baumeisters zur Errichtung eines Bauwerkes. Diese Bauhütten reichen in der Geschichte weit zurück. Bedeutend waren in diesem Zusammenhang die Meister von Como. Die Heimat dieser Meister war das Seengebiet um Como, und sie verstanden sich als „Maestri comacini“. Sie waren Künstler, Baumeister und Werkleute dieser Gegend.46 Diese These ist aber wissenschaftlich nicht unproblematisch und z. T. bereits widerlegt worden. Ihr Zusammenschluss in Bruderschaften bildete die Fortsetzung der schon vorher vorhandenen Kollegien und die Vorstufe zu den Dombauhütten. Die Meister von Como strahlten mit ihrem Wirken von Norditalien in ganz Europa aus und schlossen sich in der Bruderschaft im Kult der „Vier Gekrönten“ zusammen. Ab 1050 wirkten sie in Salzburg, Straubing, Augsburg, am Dom zu Königslutter, in Chur, Zürich, Basel, Speyer und Mainz. Einer ihrer Meister, Donatus, baute von 1100 bis 1145 den Dom zu Lund in Schweden. Die Bruderschaften hatten eine eigene Ordnung, stellten sich unter den Schutz der „Vier Gekrönten“ und nahmen nicht nur Künstler, Architekten und Steinmetze als Mitglieder auf, sondern unterschieden bereits zwischen Meistern und Mitbrüdern. „Diese von Wissen, Können und einer hochentwickelten Ethik ihrer Kunst getragenen Meister verdingten sich Fürsten und geistlichen Herren für deren große Bauvorhaben und brachten damit eine ihnen würdige Tradition und ein Gedankengut mit, das schließlich in den Dombauhütten der Gotik in Deutschland, in Frankreich und den Niederlanden und letztlich den Lodges Englands und Schottlands zu einer Geistesentwicklung und deren äußeren Form führten, die ihren Zeitläufen weit voraus waren und schließlich in der Zeit der Aufklärung mit den Wissenschaften und deren Trägern zu geistiger Einheit verschmolzen.“47 Parallel dazu bildeten sich auch die klösterlichen Bauschulen heraus, die die Baukunst lehrten und damit für die bewegliche, wandernde Bauhütte die notwendigen Grundlagen schufen. Besonderen Einfluss hatten in diesem Zusammenhang die Klöster St. Gallen und Hirsau auf die Entwicklung der klösterlichen Bauschulen, um hier nur zwei konkrete Beispiele zu nennen. Abt Salomon von St. Gallen stellte im 9. Jahrhundert über die Kunst grundsätzlich fest: „Wahre Kultur kann nur durch geweckten Kunstsinn erreicht werden, nur dadurch kann die schwerfällige Volksmasse der Religion veredelt zugeführt und in eine wahre Lebenstätigkeit versetzt werden. Alles Edle kommt von Gott und der damit Begnadete hat die Pflicht übernommen, sein Talent und Genie Gott zu weihen und nicht an profane Gegenstände zu vergeuden, nicht damit die der Seele, der Sittlichkeit und dem Wohlstand gefährliche Eitelkeit zu unterstützen.“48 Viele begabte Baukünstler vom 9. bis zum 11. Jahrhundert erfuhren ihre Ausbildung in St. Gallen. Das Kloster Hirsau im Schwarzwald löste dann im 11. Jahrhundert den Ruf von St. Gallen ab und führte 1077 die Cluniazensische Regel ein. Abt Wilhelm von Hirsau, Pfalzgraf von Scheuern, führte das Kloster und war ein hervorragender Zeichner und Architekt. Die Laienbrüder bildete er selbst in seiner Bauschule aus. In den Statuten der Bauschule klingen bereits freimaurerische Prinzipien deutlich an: „Brüderliche Eintracht am Bau war oberstes Gesetz, weil in der Ausführung eines Baues Eintracht, Zusammenwirken aller Kräfte und sorgfältige Ausführung des übernommenen Auftrages allein das Gelingen des Ganzen bedingen.“49 Im Frühmittelalter gab es kleinere Kirchen, die nach römischer Art oder im gallischen Stil mit Bruchsteinen erbaut wurden, doch überwogen allgemein die Kirchen, die aus Holz gefertigt waren. Daher spielten zu dieser Zeit die Steinmetze noch keine große Rolle. Als die Romanik aufkam, hat sich dann allerdings die Situation geändert, weil die Kapitäle von Steinmetzen gemacht wurden. In Frankreich entstand in der Ile de France neben der Romanik bereits eine neue Architekturform in der Baukunst, wie bei der Errichtung der Basilika von St. Denis 1140, und ebenso in der Normandie sowie in Burgund. Ab nun waren die Steinmetze besonders gefragt, weil die Steinbildhauerei mit dem neuen Baugedanken und der Gestaltung der Baukunst eine zunehmend große Rolle zu spielen begann. Nach dem Ausscheiden der Steinmetze aus der klösterlichen Gemeinschaft schlossen sich diese zu einer Bruderschaft zusammen, sodass die Zeit der Gotik von den Bauhütten mitgeprägt wurde. Dabei gehörte die Bauhütte am Straßburger...