Rhue | American Hero | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: Carlsen Taschenbuch

Rhue American Hero


1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-646-92978-2
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 176 Seiten

Reihe: Carlsen Taschenbuch

ISBN: 978-3-646-92978-2
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Realität des Krieges aus der Sicht eines jungen Soldaten - erschütternd und authentisch! Das neue Buch von Bestseller-Autor Morton Rhue (»Die Welle«): Schon als Kind hat Jake davon geträumt, zur Armee zu gehen. Wie viele Jugendliche in den USA wird er bereits in der Schule auf eine Soldatenlaufbahn vorbereitet. Bei seinem ersten Kriegseinsatz mit achtzehn wird er schwer verwundet und kehrt als gefeierter Held zurück in die Heimat. Doch auch wenn die äußerlichen Wunden schnell verheilen - die schrecklichen Bilder lassen Jake einfach nicht mehr los. Aber davon will hier niemand etwas hören. Was ist nur aus seinem Traum geworden? 

Morton Rhue ist das Pseudonym des 1950 in New York geborenen Autors Todd Strasser. Sein Künstlername ist ein Wortspiel aus der deutschen Bedeutung und französischen Übersetzung seines Namens: Mort (Tod=Todd) und Rue (Straße=Strasser). Todd Strasser arbeitete viele Jahre journalistisch, bevor er sich ausschließlich seiner schriftstellerischen Tätigkeit widmete, neben Lesungen und Workshops in Schulen. Seine Romane (Die Welle, Ich knall euch ab!, Asphalt Tribe, Boot Camp, Ghetto Kidz) schockieren und berühren gleichermaßen durch ihre direkte Sprache und ihren ungeschminkten Blick auf die (amerikanische) Gesellschaft und wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet.
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JAKE


Die Propellermaschine setzt auf. Durch das Fenster sehe ich die Menschenmenge. Sie jubeln und schwenken amerikanische Fahnen, kleine und große. Auf ein Bettlaken hat jemand in roten Großbuchstaben geschrieben: »Willkommen zu Hause, Jake! Unser Held!«

An einem Besenstiel klebt ein Stück Pappe. »Danke für deinen Dienst an unserem Land.«

Da draußen warten um die zweihundert Leute.

Mein Herz klopft. Ich hatte wochenlang Zeit, mich auf diesen Moment vorzubereiten. Wochen, in denen ich mir überlegen konnte, was ich sage und wann ich es sage. Okay, anscheinend bin ich ein Held. Seit dem Hinterhalt hat man mir das jedenfalls tausendmal erzählt. Nur dass ich mich nicht wie ein Held fühle. In der Situation, in der es passiert, weißt du nicht, dass du mutig bist. Du tust nur das, was man dir beigebracht hat. Was dein Instinkt dir sagt.

Du tust es, obwohl du weißt, dass du mit großer Wahrscheinlichkeit dabei draufgehen wirst. Du tust es, weil du musst ... falls du danach, wenn alles vorbei ist, noch in den Spiegel schauen willst.

Jetzt rollen wir auf das Terminal zu, und ich erkenne einzelne Gesichter – Dad, Lori, Aurora und der General stehen ganz vorne. Während der letzten sechs Monate habe ich zigmal mit ihnen geskypt, aber jetzt, wo ich sie so direkt vor mir sehe, schmerzt mir das Herz. Ich habe sie vermisst. Es ist ein gutes Gefühl, zu Hause zu sein ...

Die Menge sieht mich hinter dem Fenster. Sie winken, wedeln mit ihren Flaggen, rufen Wörter, die ich durch die Scheibe nicht hören kann. Mein Körper ist angespannt. In erhöhter Alarmbereitschaft. Meine Hände wollen nicht gehorchen, als ich versuche, den Anschnallgurt zu lösen. Hier im Flugzeug bin ich sicher. Ich bin geschützt ... und allein.

Komm schon, Jake, sage ich mir. Niemand will dir was.

Kann doch nicht so schwer sein, oder? Du gehst einfach raus und begrüßt deine Familie, deine Freunde und ein paar Hundert Fans, die dich bewundern. Stattdessen fühlt sich das so stressig an, als würde man im Humvee an der Spitze der Kolonne fahren. Sosehr ich mich darauf gefreut habe, meine Familie zu sehen, so sehr hat mir auch in den letzten Wochen vor diesem Moment gegraut.

Deine Zeit wird knapp ...

»Jake?«

Ich blicke in das Gesicht des Piloten. Er ist aus dem Cockpit gekommen und lehnt jetzt am Sitz vor mir. Er ist älter als ich, hat rötliche Haut und einen Schnurrbart. Unter seiner Pilotenmütze ragen graue Koteletten hervor. Er hat so ein freundlich eingefrorenes Lächeln, wie jemand, der versucht, seine Besorgnis zu verbergen. »Sie warten.«

»Ja, Sir.« Ich schnalle mich ab. Manchmal bringt einen ausgerechnet die Militärausbildung dazu, Dinge zu tun, von denen man nicht sicher war, ob man dazu in der Lage ist. Mein linkes Bein ragt in den Gang, es steckt von der Leiste bis zum Fuß in Gips. Ich greife mit der einen Hand nach einer Krücke und mit der anderen nach der Nackenlehne vor mir.

»Brauchen Sie Hilfe?«, fragt der Pilot.

»Nein, Sir. Danke, Sir.« Ich ziehe mich hoch und bringe die Krücken in Stellung. Gehe mit eingezogenem Kopf durch den schmalen Gang und trete aus der Tür. Die Menge jubelt und schwenkt Banner und Fahnen. Fehlt nur noch die Blaskapelle. Die Sonne scheint mir direkt ins Gesicht, zum Glück trage ich eine Sonnenbrille. Für Anfang Juni kommt es mir ziemlich warm vor. Der Geruch von Heckenkirschen weckt in mir Erinnerungen an unbeschwerte Tage, als ich an Swimmingpools abhing und mit hübschen Mädchen flirtete.

Wenn ich nur so unbekümmert sein könnte wie damals.

Ich steige die Gangway hinunter. Im Militärkrankenhaus im deutschen Landstuhl haben sie mir beigebracht, wie ich da mit Krücken runterkomme, ohne auf die Nase zu fallen. Die Propeller haben aufgehört, sich zu drehen, und die jubelnde Menge drängt nach vorn. Ein Anblick, bei dem sich alles in mir versteift, ich bin sofort wieder in Alarmbereitschaft. Du kannst dir sagen, dass das hier deine Familie und deine Freunde sind, dass du in Amerika bist und nicht irgendwo in einem fremden Land, wo Krieg herrscht und überall Heckenschützen und Selbstmordattentäter lauern. Aber deine Ausbildung und deine Erfahrung kannst du nicht einfach ausschalten. Mein Blick schweift automatisch hin und her, auf der Suche nach dem verräterischen Funkeln einer Waffe, der unnatürlichen Wölbung eines Sprengstoffgürtels unter einem Hemd.

Mein Herz rast. Kann sein, dass mein Körper heimgekehrt ist, der Verstand ist jedenfalls noch auf Krieg gepolt.

Meine Familie wartet unten an der Gangway. Lori und Aurora haben Tränen in den Augen. Sie umarmen und küssen mich. Der Geruch ihrer Parfüms vermischt sich in meiner Nase. Ich fühle mich sicher bei ihnen. Sie versuchen, nicht auf die auffällige Narbe an meinem Kinn zu starren. Sie haben sie zwar schon auf Skype gesehen, aber das hier ist live.

Dad zieht mich zu sich ran, er scheint mit den Tränen zu kämpfen. Der General begrüßt mich mit einem schraubstockartigen Händedruck und klopft mir auf die Schulter. »Glückwunsch, mein Junge. Wir sind stolz auf dich. Du machst unserer Familie enorme Ehre.«

Aurora hat den Arm um meine Hüfte gelegt und schmiegt sich an mich. Ihr hellbraunes Haar duftet herrlich. Ich bin so froh, sie zu sehen, so voller Dankbarkeit, dass sie auf mich gewartet hat. Bei vielen anderen haben die Freundinnen das nicht getan. Sie hat mir Briefe geschrieben und Süßigkeiten geschickt und USB-Sticks mit Filmen drauf. Und sie war fast immer da, wenn ich mit ihr skypen wollte. Was ich durchgemacht habe, war schlimm, aber ohne sie wäre es noch viel schlimmer gewesen.

- - - - -

Das ist der letzte Stopp auf meiner »Heldentour«. Mein rechter Arm tut schon weh von all den Händen, die ich in der vergangenen Woche schütteln musste. Ich habe gelernt, die linke Hand eng am Körper zu halten und eine lockere Faust zu machen. Auf diese Weise fällt die Verletzung nicht so auf. Aber meine Schwester Lori weiß Bescheid und greift nach meinem Arm.

»Nicht jetzt«, flüstere ich.

Die Leute drängen nach. Mein Körper verkrampft sich. Ich schlucke seit Wochen Medikamente gegen die Angst. Aber selbst mit den Pillen bin ich immer noch extrem nervös. Hier sind viel zu viele Menschen – Freunde der Familie, Nachbarn, unbekannte Gratulanten, die Crew von einem lokalen Fernsehsender.

Bisher hatte ich auf meiner Heldentour immer einen Betreuer, der die Menge in Schach hielt. Heute nicht. Es ist zu laut, zu chaotisch. Sie wollen, dass ich zum Abendessen vorbeikomme. Sie wollen, dass ich ein Interview gebe. Sie gratulieren mir zu meinem Heldenmut und danken mir für meinen Einsatz. Ich habe keinen Überblick, wer mich berührt, mich tätschelt, nach mir greift. Es gibt keine Ordnung, ich habe keinen Platz, keinen Raum zum Atmen.

Aurora schiebt sich zwischen mich und die anderen. Bestimmt spürt sie meine Anspannung, so fest, wie ich ihre Hüfte umklammere. Sie zieht an Dads Ärmel, stellt sich auf die Zehenspitzen und flüstert ihm etwas ins Ohr.

Dads Stirn legt sich in Falten, er wirft mir einen kurzen Blick zu, bevor er sich an das Publikum wendet. »Okay, Leute, danke, dass ihr da seid. Jake freut sich sehr über euren fabelhaften Empfang. Aber lasst ihm etwas Zeit, ja? Es war eine lange Reise und er ist müde. Er ist noch die ganze Woche da, und ich bin sicher, er wird sich um jeden von euch kümmern, aber jetzt muss er erst mal ...«

»Moment mal!«, unterbricht ihn der General schroff. »Diese Leute haben alle ihre Zeit geopfert, um herzukommen und hier draußen in der Hitze zu stehen. Das Mindeste, was sie verdienen, sind ein paar Worte unseres Helden.«

Verdammt!

- - - - -

Was ist ein Held? Ich würde sagen, so ungefähr jeder, der bei der Armee gedient hat. Wahrscheinlich jeder, der im Krieg war. Auf jeden Fall jeder, der mehr als einen Tag in einem vorgelagerten Militärstützpunkt verbracht hat und jedes Mal zum Bunker laufen musste, wenn die Alarmsirene heulte und jemand »Deckung!« brüllte.

»Ahhhhhhhhhhhh!« Im staubigen Halbdunkel umklammerte mein Kumpel Skitballs seine Knie und stieß einen Schrei aus, der uns allen durch Mark und Bein ging. Beim ersten Sirenengeheul waren wir alle sofort in den Bunker gesprungen. Skitballs – Jayden Skinner, dunkelhäutig, lang und dünn – kam als Letzter. Kaum war er drin, warf die erste Raketenexplosion die Panzertür hinter ihm zu. Eine Sekunde später, und er wäre wahrscheinlich in Stücke gerissen worden.

»Alles okay, Skits?«, fragte Morpiss.

Der Schwall von Flüchen, den Skitballs daraufhin ausstieß, war irgendwie beruhigend. Das klang schon eher nach unserem Kameraden, dem Typen, der in die Armee eingetreten war, um von der Anwerbprämie die Kreditkartenschulden seiner Freundin zu bezahlen. Wir warteten, während er tief Luft holte und dabei die Fäuste schloss und öffnete, bis er sich etwas beruhigt hatte. »Verdammt noch mal!«, stöhnte er. »Was für eine Psychoscheiße ist das hier? Tag und Nacht unter Raketenbeschuss. Ich kann nicht mehr schlafen. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Bin ich hier der Einzige, der durchdreht?«

Wir waren alle am Durchdrehen. Skitballs sprach es nur als Erster laut aus.

»Geh zum Doc. Der gibt dir was«, erklang eine Stimme von weiter hinten aus dem Bunker. Ein grauhaariger, sonnengegerbter Mann mit den Streifen eines Korporals. Für einen Unteroffizier sah er zu alt aus. Aber im Krieg alterte man angeblich zehnmal so schnell.

»Und was genau soll das sein?«, erkundigte sich...


Morton Rhue ist das Pseudonym des 1950 in New York geborenen Autors Todd Strasser. Sein Künstlername ist ein Wortspiel aus der deutschen Bedeutung und französischen Übersetzung seines Namens: Mort (Tod=Todd) und Rue (Straße=Strasser). Todd Strasser arbeitete viele Jahre journalistisch, bevor er sich ausschließlich seiner schriftstellerischen Tätigkeit widmete, neben Lesungen und Workshops in Schulen. Seine Romane (Die Welle, Ich knall euch ab!, Asphalt Tribe, Boot Camp, Ghetto Kidz) schockieren und berühren gleichermaßen durch ihre direkte Sprache und ihren ungeschminkten Blick auf die (amerikanische) Gesellschaft und wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet.



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