Rohrsen Der Tee
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-406-65418-3
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Anbau, Sorten, Geschichte
E-Book, Deutsch, Band 2790, 128 Seiten
Reihe: Beck'sche Reihe
ISBN: 978-3-406-65418-3
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie gewinnt man grünen und weißen Tee? Was zeichnet einen Spitzentee aus? Wie kommt der Tee von China bis in meine Tasse? Und wie wurde aus einem Luxusgetränk ein Genussmittel für jedermann? Tee ist das beliebteste und vielfältigste Getränk der Welt. Peter Rohrsen erklärt in diesem Band kenntnisreich und anschaulich alles, was man als Teetrinker wissen will: von den Eigenschaften der Teepflanze über die wichtigsten Teesorten bis zum weltweiten Teehandel und dem Nutzen des Teetrinkens für die Gesundheit. Er skizziert die globale Geschichte des Tees, erzählt von den Teekulturen der verschiedenen Länder und lässt auch die alles entscheidende Frage nicht aus: milk in first oder tea in first?
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III. Unerschöpfliche Vielfalt:
Anbaugebiete und Teesorten
Überfliegt man den Teegürtel rund um den Globus nördlich und südlich des Äquators, so fällt auf, dass weißer und grüner Tee primär in ihrer asiatischen Heimat, also in China, Japan, Korea und Südostasien, erzeugt und getrunken werden. Schwarzer Tee stammt hingegen vor allem aus den ehemaligen Kolonien des Britischen Empire in Südasien und Afrika, und er wird dort überwiegend zum Export produziert: Das gilt für Kenia und Sri Lanka, wo Tee das wichtigste Exportgut überhaupt ist und 90 Prozent der Teeproduktion ausgeführt werden, ebenso wie für Indien, das aber einen höheren Anteil seiner Produktion selber verbraucht. Auch ein weiterer grundsätzlicher Unterschied springt ins Auge: Schwarztees werden – ähnlich den europäischen Weinen – nach ihrer Herkunftsregion bezeichnet, bei Qualitätstees bis hin zum Garten und dem Zeitpunkt der Ernte. Grüntees dagegen werden zumeist nach ihrem Erscheinungsbild (typisch für China: mit blumigen Fantasienamen) oder ihrem Verarbeitungstypus charakterisiert. Natürlich gibt es auch beim grünen Tee Ursprungs- und Schwerpunktregionen einzelner Teesorten. Aber sie werden deutlich seltener zur Benennung der Sorten verwendet, und Produkte wie Drachenbrunnen-, Chun Mee- oder Gunpowder-Tee können inzwischen aus einer ganzen Reihe von Anbaugebieten in China stammen. Gleiches gilt für japanische Tees wie Bancha, Sencha, Kukicha oder Matcha. Oolong-Tees haben auch in dieser Hinsicht eine Zwischenstellung inne: Einige Spitzenprodukte aus Taiwan zum Beispiel führen den alten portugiesischen Inselnamen Formosa als Markenzeichen. China und Indien produzieren jeweils etwa ein Drittel der Welternte, das letzte Drittel teilen sich Kenia, Sri Lanka, Japan und Indonesien. Kleinere Teeproduzenten wie Argentinien, Brasilien, Iran, Türkei, Georgien, Grusinien, Korea, Nepal, Vietnam, Thailand, Australien und Neuguinea exportieren wenig oder nichts, weil sie ihren Tee selber verbrauchen oder weil die Qualität ihrer Produkte für den Weltmarkt nicht ausreicht. Dass Liebhaber auch jenseits der tropischen Breiten, in den USA und Mexiko, auf Korsika und den Azoren, in der Toskana, in Cornwall oder in Neuseeland Tee anbauen, wird Botaniker mehr interessieren als die Akteure des Teemarkts. 1. China
China besitzt die größte Tee-Anbaufläche der Welt, produziert mehr Tee als jedes andere Land und exportiert rund ein Fünftel seiner Ernte. Die Chinesen verzeichnen vier große Anbauregionen mit ganz unterschiedlichen geografischen und klimatischen Verhältnissen. Die älteste liegt im Südwesten in den Provinzen Sichuan, Guizhou und Yunnan; sie gilt als Ursprungsregion des Teeanbaus. In ihrem subtropischen Monsunklima werden neben Grüntees auch beträchtliche Mengen an schwarzen Blatt- und Broken-Tees erzeugt, ebenso Spezialitäten wie gepresste und Pu Erh-Tees. In der südlichsten Anbauregion in den Provinzen Guangxi, Guangdong und auf der Ferieninsel Hainan herrscht ebenfalls ein gleichmäßig warmes Klima mit großen Niederschlagsmengen und Temperaturen zwischen 19°C und 22°C im Jahresmittel. Sie erzeugt neben grünem, schwarzem und weißem Tee viel Oolong und postfermentierten Liu Bao. Die beiden anderen Großregionen des chinesischen Teeanbaus werden vom Yangtse begrenzt. Südlich des Stromes, in den Provinzen Hunan, Hubei, Zhejiang, Jiangxi, Anhui, Shanghai und Jioangsu, werden zwei Drittel des gesamten chinesischen Tees geerntet. Entsprechend breit ist die Palette der produzierten grünen, schwarzen, «dunklen» und parfümierten Tees, die vom berühmten Drachenbrunnen- und vom Melonensamen- über den Haarspitzen- bis zum Silbernadel-Tee reicht. Die Ernte der einzelnen Sorten richtet sich nach den hier sehr ausgeprägten Jahreszeiten. Nördlich des Yangtse, in den Provinzen Henan, Shaanxi, Gansu und Shandong, macht das trockenere und kühlere Klima den Teeanbau schwieriger. Vor allem in Bergregionen werden exportfähige Grüntees wie Melonensamen- oder Maojian-Tee hergestellt. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein besaß China praktisch eine Monopolstellung im internationalen Teehandel, die es eifersüchtig und stolz hütete. Erst mit dem Aufkommen der Teeplantagen in den britischen und niederländischen Kolonialgebieten, in Indien, Sri Lanka, Indonesien und im 20. Jahrhundert auch in Afrika, änderte sich die Lage. China hielt lange an jahrhundertealten Produktionsgewohnheiten fest und verlor nicht nur sein Monopol, sondern auch immer mehr Anteile am weltweiten Teehandel. Weiterhin bewirtschafteten Kleinbauern ihre Gärten, verkauften ihre Blätter an Zwischenhändler, diese ließen sie dann in Fabriken weiterverarbeiten und zu den Agenten in den wenigen Exporthäfen transportieren. Abseits der exportorientierten Produktionszentren wird in China auch heute noch viel – und zum Teil hervorragender – Tee auf diese Weise produziert. Doch vor allem seit der Kulturrevolution wurde die Anbaufläche inzwischen beträchtlich ausgeweitet auf mehr als eine Million Hektar, die von Kommunen und Großplantagen bewirtschaftet werden. Die dominierende Stellung Chinas im Handel, insbesondere mit Grüntee, ist heutzutage wieder gefestigt. Vielfalt und Anzahl der Teesorten in China und Taiwan sind kaum überschaubar; «all the tea in China» ist eine englische Alltagsmetapher für unerschöpfliche Fülle. Fast alles, was man mit den grünen Blättern anstellen kann, wurde im Mutterland des Tees erfunden und kultiviert: Sie werden gerollt, geröstet, gedämpft, nachfermentiert, zu verschiedensten Formen von Kügelchen bis Locken gedreht, zu Kräuterarznei destilliert, zu Sträußchen und Blütenformen gebunden, zu Kuchen und kunstvollen Teeziegeln gepresst, zu Pulver gemahlen oder mit Blumen, Gewürzen, Ingwer, duftenden Ölen und Essenzen aromatisiert. Was geeignet ist, einen systematischen Kopf zur Verzweiflung zu treiben, erfreut den Teeliebhaber: Jede Provinz und Region hat ihre Spezialitäten, und «dieselbe» Teesorte kann ganz unterschiedlich ausfallen. Entsprechend viele Teesorten kann man aufzählen – manche wollen gar über 3000 ausmachen. Das in China nicht erst seit der Erfindung des Fernsehens beliebte Ranking führt zwar «die zehn großen chinesischen Tees» auf. Aber von diesen kursieren mehr als zehn unterschiedliche Listen, die nur teilweise dieselben Teesorten nennen. Deshalb sollen hier nur einige im Westen besonders beliebte chinesische Sorten vorgestellt werden. Grüntees Chun Mee (zhenmei = «Schöne Augenbraue») Der einfache, im Aufguss helle Grüntee ist kräftig und herb im Geschmack. Der auch in China populäre Exportschlager stammt ursprünglich aus Jiangxi, wird heute aber in verschiedenen Provinzen (und in verschiedenen Qualitäten) erzeugt, auch in Taiwan. Er entspricht dem klassischen Geschmacksprofil, das westliche Teetrinker bei einem grünen China-Tee erwarten. Seine Blätter werden vor der Schlusstrocknung gerollt und leicht gebogen – daher der poetisch angehauchte Name. Mao Feng (máofeng = «Haarspitzen») Für den zarten, gelb-grünen, im Geschmack leicht würzigen Grüntee werden nur die jüngsten Blattknospen verwendet; diese behalten bei sorgfältiger Herstellung ihren silbrigen Flaum, der dem Tee seinen Namen gab. Der für chinesische Zeitdimensionen junge Mao Feng-Tee wurde erstmals um 1875 in der Huang Shan-Region am Gelben Berg angebaut. In dieser Gegend um den heutigen Nationalpark wird seit dem 18. Jahrhundert eine Reihe von bekannten Tees für den Export nach Europa produziert. Pi Lo Chun (bìluóchun = «Jadeschnecke des Frühlings») Der Überlieferung nach benannte Kaiser Qianlong im 18. Jahrhundert diesen Tee bei seinem Besuch in Suzhou, weil er von seinem Duft und Geschmack so angetan war. Auch westliche Schwarzteetrinker können diese Wertschätzung teilen. Der Tee, der dem Mao Feng mit seinen gewundenen Blättern und seinem fruchtigen Aroma verwandt ist, eignet sich besonders für erste Versuche mit grünem Tee. Ordentliche Qualitäten kommen heute auch aus anderen Gegenden in Festlandchina und aus Taiwan. Tee-Ernte in den Bergen, chinesisches Aquarell aus dem 18. Jahrhundert Lung Ching (lóngjing chá = «Drachenbrunnen-Tee») Dieser berühmte Grüntee ist benannt nach einem Brunnen bei Hangzhou, den man heute gerne Touristen zeigt. Angeblich soll aus ihm einmal ein Drache entstiegen sein. Der Tee mit seinen langen, glatten Blättern erscheint untypisch für chinesischen Grüntee. Sein Geschmack allerdings bietet feinstes China-Aroma: facettenreich, mild, fruchtig, lieblich, ohne bitteren oder grasigen Unterton. Es verwundert nicht, dass Qianlong ihn im 18. Jahrhundert zum «Tee des Kaisers» adelte. Die feinsten Qualitäten werden um das Dorf Lung Ching herum Anfang April gepflückt und zu Erzeugerpreisen von rund 400 bis 500 Euro pro Kilo gehandelt. Die Inlandsnachfrage nach diesen Spitzenprodukten ist in China so hoch, dass kaum eine Partie in den Export gelangt. Ausgeführt werden...