E-Book, Deutsch, 160 Seiten
Rosenberger Vademecum RepGrid
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7543-9264-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Leitfaden für den professionellen Einsatz der Repertory Grid Technik
E-Book, Deutsch, 160 Seiten
ISBN: 978-3-7543-9264-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Nutzung kollektiver Intelligenz wird vor dem Hintergrund stetig ansteigender Komplexität und Dynamik immer wichtiger. Ein Einzelner ist heute kaum mehr in der Lage, alle relevanten Informationen zur Entscheidung eines Sachverhalts einzubeziehen. Methoden, die in der Lage sind, sowohl tiefliegende Überzeugungen sichtbar zu machen, als auch kollektive Trends aufzuzeigen, sind zunehmend gefragt. Die Repertory Grid Technik (repgrid) ist ein solch tiefschürfendes Instrument. Bis vor ein paar Jahren gab es nur sehr wenige Möglichkeiten, individuelle Repertory Grid Ergebnisse zu einem Gesamtbild zusammenzuführen und Kollektivmuster auszuwerten. Mit modernen IT-Lösungen zur Interviewführung und Analyse, ist es jetzt möglich. Softwaregestützt lassen sich nahezu vorgabefrei, zuverlässig und schnell Überzeugungen und Werthaltungen Einzelner aggregieren und analysieren; oft mit attraktiver, intuitiv verständlicher dreidimensionaler Grafik, mit unvergleichbar hoher inhaltlicher Aussagekraft.
Rosenberger, Matthias, Dr. rer. Pol./Dipl.-Psych., Jg. 1965. Seit Februar 2007 Geschäftsführender Gesellschafter der Rosenberger Management & Strategieberatung GmbH (www.rsnbrgr.com) und Mitgründer der RoTec Rosenberger Technologies AG (www.rotecag.com). Seit über 20 Jahren als kreativer Methodenentwickler, Berater und Dozent tätig. Er hält Vorlesungen und Seminare verschiedenen Universitäten und Hochschulen und ist Vorstandsvorsitzender des Brentano Institut für angewandte Kategorienwissenschaft e. V.
Autoren/Hrsg.
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2 Kellys Theorie der persönlichen Konstrukte Im Jahre 1955 veröffentlichte George A. Kelly sein Buch „The Psychology of Personal Constructs“. In diesem zweibändigen Werk grenzte er sich von den damals vorherrschenden Denkrichtungen des Behaviorismus auf der einen und der tiefenpsychologischen Betrachtungsweise auf der anderen Seite ab. Kelly war der Überzeugung, dass durch die Trennung von Denken, Fühlen und Handeln der Vielseitigkeit des Betrachtungsgegenstandes (Mensch) nicht genügend Rechnung getragen wird. Er übernahm aber durchaus Teile und Ideen dieser Theorien und entwickelte eine Zwischenposition – man könnte auch sagen ein theoretisch-methodisches Oxymoron. Kelly sieht in seiner „Theorie der persönlichen Konstrukte“ den Menschen als „Forscher“, der bemüht ist, seine Konstruktionen über die Welt permanent zu überprüfen und zu verbessern, um möglichst genaue Vorhersagen über kommende Ereignisse treffen zu können. Er stützt sich dabei auf die philosophischen Grundannahmen des „konstruktiven Alternativismus“ (vgl. Westmeyer 2002, S. 3f.). Demnach können Menschen nicht unmittelbar mit der sie umgebenden „objektiven“ Wirklichkeit in Kontakt treten, sondern sie (re-)konstruieren ihre Wirklichkeit. Nach Westmeyer (2002, S. 326) ist Kellys Theorie daher auch einer der ersten subjektwissenschaftlichen Ansätze in der Psychologie. Kellys Grundpostulat lautet: „A person’s processes are psychologically channelized by the ways in which he anticipates events“ (Kelly 1991, S. 32, vgl. a. Westmeyer 2002, S. 327, Bannister/Fransella 1981, S. 7ff.). Mit anderen Worten: Der Mensch antizipiert Ereignisse in Form individueller Verknüpfungen seiner Erfahrungen, denn nur diese stehen ihm zur Verfügung. Das Ergebnis seiner Handlung kann er auch nur mit den ihm zur Verfügung stehenden Konstruktionen aufnehmen und zur Anpassung an die Erfordernisse der Umwelt heranziehen. Die zentralen Begriffe in Kellys Theorie sind das „persönliche Konstrukt“ und das „Element“. Elemente stellen konkrete, für den Befragten bedeutsame Dinge, Situationen/Ereignisse oder Personen dar. Konstrukte sind Bewertungen und beziehen sich auf Eigenschaften der Elemente. Gemeinsam bilden sie die Grundlage für das Individuum, die Welt zu strukturieren. Elemente fungieren als Bedeutungsträger, Konstrukte führen zu Verhaltenskonsequenzen und können als Handlung umgesetzt oder auch formuliert werden. Kelly fasst Konstrukte als dichotome Dimensionen (z. B. gut vs. böse) auf, die dazu dienen, die vorhandenen Elemente in Gruppen hinsichtlich ihrer Ähnlichkeit zu sortieren und zu bewerten. Dieser Vorgang wird von Kelly als „Konstruktionsprozess“ beschrieben. Ergebnis dieses Konstruktionsprozesses ist eine Abstraktion, die unabhängig von den Elementen existiert und von Kelly als „Konstruktsystem“ bezeichnet wird (Kelly 1991, S. 74ff.). Diese Abstraktion bestimmt die Wahrnehmung und Bewertung anderer, ähnlicher Erscheinungen bei zukünftigen Ereignissen. Kelly betont, dass es vom psychologischen Standpunkt aus keine anderen als dichotome Denksysteme gibt. Eine Ähnlichkeit festzustellen bedeutet, bewusst oder unbewusst, immer auch die Heranziehung eines differenzierenden Kriteriums (Gegensatz). Sollten nur Ähnlichkeiten wahrgenommen werden, so würde die Realität zu einer ununterbrochenen Kette von monotonen Erscheinungen; sollten nur Unterschiede wahrgenommen werden, so würde die Realität zu einem Chaos von unwiederholbaren Erscheinungen. Die Konstrukte stellen gleichzeitig Ähnlichkeiten und Unterschiede fest, ordnen die Ereignisse bestimmten Kategorien zu und werden so zu einer realitätsstiftenden Einheit für das Individuum (Kelly 1991, S. 75, s. a. Catina/Schmitt 1993, S. 15ff.). 2.1 Der Schöpfer George A. Kelly
Der „Erfinder“ der Repertory-Grid-Methode war George Alexander Kelly (* 28. April 1905 in Perth, Kansas, USA; † 6. März 1967). Er war Professor für Klinische Psychologie und ist der Begründer der Psychologie der persönlichen Konstrukte. G. A. Kelly kam aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war ein strenggläubiger Geistlicher. Zunächst ging Kelly in eine einklassige Landschule und besuchte dann die höhere Schule. Nach seinem Abschluss studierte er Mathematik und Physik, wechselte 1931 zur Erziehungswissenschaft und dann zur Psychologie. Während des Krieges arbeitete er als Psychologe bei den Marinefliegern. Von 1946 bis 1965 war Kelly Professor für Psychologie an der Ohio State University. Ab 1965 arbeitete er bis zu seinem frühen Tod an der Brandeis University (vgl. Sader 1980). Kelly arbeitete in den 50er Jahren außerdem als Leiter in einem Krankenhaus. Um seinen Studenten einen Leitfaden für spezifische Vorgehensweisen innerhalb der Therapie und zur Förderung des Verständnisses gegenüber den Klienten zu vermitteln, sollte ein Handbuch für klinische Verfahren entwickelt werden (Kelly 1986). Ein bedeutender Grund für das Buch war Kellys Kritik an den maßgeblichen psychologischen Konzepten der 40er und 50er Jahre. Hauptsächlich kritisierte er dabei die behavioristische Psychologie auf der einen und die tiefenpsychologisch-psychodynamische Psychologie auf der anderen Seite. Beide Theorien berücksichtigten seiner Meinung nach nicht die Vielseitigkeit des Betrachtungsgegenstandes. Durch die Begründung, eine neue Theorie zu entwickeln, erachtete er es außerdem als notwendig, für seine neuartigen Gedanken auch eine neue Terminologie zu entwickeln (vgl. Scheer/Catina 1993), die später ausgiebig erläutert wird. Das Werk „The Psychology of Personal Constructs“, bestehend aus zwei Bänden mit über 1.200 Seiten, entstand zusammen mit vielen Kollegen Kellys. Zuerst stellte er fest, dass es sinnlos sei, dem Leser nur mitzuteilen, wie er mit klinischen Problemen umgehen sollte, wenn er nicht wisse, warum er damit so umgehen soll. Später bemerkten Kelly und seine Schüler(innen), dass sie sich in den Jahren ihrer isolierten klinischen Praxis weit von dem entfernt hatten, was die bisherige gängige Psychologie zu sagen hatte. Die vielen impliziten Annahmen, die das Team um Kelly gemacht hatte und bereits als erwiesen ansah, mussten klar dargelegt werden. So begannen Kelly und seine Schüler(innen) zusammenhängende Annahmen zu erarbeiten, die einem breiten Forschungsfeld standhalten würden, und formulierten Überzeugungen, die sie als erwiesen betrachteten. Es entstand eine neue Persönlichkeitstheorie, die mit ihren praktischen Auswirkungen direkt in die Arbeitswelt der Psychologen reichte (Kelly 1986). 1955 veröffentlichte Kelly sein monumentales Werk über die „Personal Construct Psychology“ (PCP), die ebenso unter dem deutschen Titel „Die Psychologie der persönlichen Konstrukte“ bekannt ist. Dieses Werk enthält zum einen die theoretischen Aspekte, die unter dem Namen „Theorie der persönlichen Konstrukte“ (seit 1986 auch als deutschsprachiges Werk erhältlich) behandelt werden, und zum anderen den methodischen Zugang durch die Repertory-Grid-Technik, die auch methodisch und methodologisch der repgrid App zugrunde liegt. Kelly entwickelte seine Vorstellungen in den 50er Jahren in prononcierter Abgrenzung von den damals herrschenden Denkrichtungen. Als Kelly um die Mitte der 50er Jahre seine Konzepte ausarbeitete, wurden in der Psychologie mehrere konkurrierende Sichtweisen entwickelt, deren Ziel es war, das Individuum auf einer neuen Grundlage zu erklären und damit greifbarer und untersuchbarer zu machen, als dies die Psychoanalyse bis dahin geleistet hatte. Es war die Zeit, als die Lerntheorie vervollständigt wurde, die Selbstverwirklichungstheorie entstand und der faktorenanalytische Ansatz in der Persönlichkeitstheorie entwickelt wurde (Catina/Schmitt 1993). Trotz seiner Kritik an den psychoanalytischen, lerntheoretischen und humanistischen Ansätzen übernahm Kelly teilweise deren Ideen und verwandelte sie zu einer Denkweise, die eine theoretische Zwischenposition darstellte. Kellys Theorie legte eine Verbindung mit anderen Konzepten geradezu nahe. Doch anstatt seine Arbeit als Brücke zwischen den verschiedenen Strömungen zu akzeptieren, wurde die Theorie der persönlichen Konstrukte vielfach als eklektizistisch kritisiert. Direkt nach dem Erscheinen 1955 wurde das Werk Kellys als bedeutender Beitrag der neueren Psychologie besprochen und bewertet, doch dann schnell ignoriert. Groeben und Scheele (1977) führen das darauf zurück, dass der Ansatz der Theorie für das herrschende Paradigma des Behaviorismus zu früh in Erscheinung getreten war. Kelly wollte das stark im Vordergrund stehende Paradigma auch nicht in Frage stellen, sondern eine alternative, ergänzende Perspektive auf sein Fach anbieten. Eine theoretische Annäherung wurde von „Dogmabedürftigen“ jedoch stets verzögert, verhindert oder nicht in Betracht gezogen. Auch Kelly selbst machte wohl den Fehler, mehr die Unterschiede als die Ähnlichkeiten zwischen seiner und anderen Denkweisen (Catina/Schmitt 1993) zu...