E-Book, Deutsch, Band 2, 528 Seiten
Reihe: Die Eispalast-Saga
Rosenthal Der Eispalast - Die Kür ihres Lebens
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-641-31624-2
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman. Die Bestsellersaga rund um den Eiskunstlauf geht weiter
E-Book, Deutsch, Band 2, 528 Seiten
Reihe: Die Eispalast-Saga
ISBN: 978-3-641-31624-2
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
London, Anfang 20. Jahrhundert: Eiskunstlauf ist Madges große Leidenschaft. Doch aufgrund eines fatalen Fehlers in der Vergangenheit ist es ihr lediglich erlaubt, ihre jüngeren Geschwister zu trainieren. Als sie die gleichaltrige Julianna kennenlernt, ist Madge völlig fasziniert von dem neuen Wiener Fahrstil, den diese ihr zeigt: eine Art Ballett auf dem Eis, so anmutig und fließend, dass es ihr den Atem raubt. Solch eine Kür wäre ihre Chance, doch noch an der anstehenden Weltmeisterschaft teilzunehmen. Und gleichzeitig endlich das Herz von Benedict – dem Star des Londoner Skating Clubs – zu erobern. Gemeinsam schmieden Madge und Julianna einen mutigen, aber riskanten Plan. Einen Plan, der nicht nur ihre Zukunft, sondern auch den Ruf ihrer gesamten Familie zerstören könnte …
Eine zauberhaft-winterliche und auf wahren Begebenheiten basierende historische Saga, die durch wechselnde Perspektiven in der Ich-Form eine besondere Nähe zu den Hauptfiguren schafft.
Die Trilogie erscheint in hochwertig veredelter, liebevoller Ausstattung – funkelnd wie ein Eiskristall. Die drei Bände der Saga erscheinen im Jahrestakt, jeweils im Winter.
Lesen Sie gleich weiter und entdecken Sie auch Rena Rosenthals duftende Familiensaga »Die Hofgärtnerin«:
Buch 1: »Die Hofgärtnerin – Frühlingsträume« (Neuerscheinung 2021)
Buch 2: »Die Hofgärtnerin – Sommerleuchten« (Neuerscheinung 2022)
Buch 3: »Die Hofgärtnerin – Blütenzauber« (Neuerscheinung 2023)
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
Madge
London,
frühes 20. Jahrhundert
Das Verliebtsein, diese absolute Gewissheit, dass er der Richtige ist, kam nicht mit einem Paukenschlag. Ich habe ihn nicht an einem Ballabend gesehen, seine weich fallenden Locken und sein so sanft aufblühendes Lächeln wahrgenommen und von einem Moment auf den anderen tausend Geigen spielen hören. Nein. Da war auch kein plötzliches Feuerwerk in meinem Herzen, wie es gerne in Romanen und Schmonzetten beschrieben wird.
Bei mir kam das Verlieben ganz allmählich.
Zuerst war da nur ein Sandkorn, als ich Benedict Aspley zum ersten Mal im Prince’s Skating Rink begegnet bin. Benedict. Allein wenn ich diesen Namen in Gedanken ausspreche, bekommt meine Stimme einen verträumten, geradezu sehnsuchtsvollen Klang.
Dabei bemerkt er mich nicht einmal.
Unser erstes Kennenlernen ist nun zwei Jahre her. Damals ist er zum Vormittagstraining der Männer neu hinzugekommen. Ich selbst übe schon von klein auf das Eislaufen und helfe momentan meinen Geschwistern Henry und Helen beim Training für das Paarlaufen bei der nächsten Weltmeisterschaft in Sankt Petersburg. Wir teilen uns an den Vormittagen die Halle mit den Männern, die ebenfalls für die großen Wettbewerbe trainieren. Als Benedict damals zum ersten Mal dabei war, fiel mir gewiss sein gutes Aussehen auf, das – wie wir im Ballett sagen würden – sozusagen en pointe ist, da er solch ebenmäßige Züge hat. Er trägt seine leicht gewellten Haare zudem halblang und seine Augen haben ein undurchdringliches Taubengrau. Aber ich bin kein naives Mädchen, das den feinen Herren aufgrund der vornehmen Gesichtszüge sofort zu Boden liegt. Es waren eher seine noble Art und seine klugen Kommentare, die dafür gesorgt haben, dass das Sandkorn Woche für Woche, Monat für Monat von einer hauchdünnen Schicht Perlmutt umhüllt wurde, sodass mittlerweile eine prächtige kostbare Perle daraus geworden ist.
Und die ist mein bestgehütetes Geheimnis.
»Warum lächelst du ihn nicht einmal an, Madge?« Helen, meine Schwester, ist schwungvoll neben mir zum Stehen gekommen, ihre Kufen haben die oberste Eisschicht abgeschabt und meine Schuhe mit weißen Schneesprenkeln überzogen. Mit ihren kohlgeschwärzten Augen plinkert sie mich an.
Nun gut.
Ganz so gut ist mein Geheimnis offenbar doch nicht verborgen. Oder hat Helen heimlich in meinem Tagebuch gelesen? Allerdings nehme ich es überallhin mit, sodass es nie unbeaufsichtigt ist. Hat sie dennoch eine Gelegenheit gefunden? Skeptisch mustere ich sie, doch sie atmet betont ein und dreht die Augen zur hohen Decke des Skating Rinks.
»Seit Ewigkeiten schmachtest du ihn aus der Ferne an.« Theatralisch legt sie eine Hand auf ihr Herz und ich will sie am liebsten sofort wegreißen. Nicht, dass jemand merkt, wovon wir sprechen. Helen ist nie sparsam, was die Gesten betrifft. Und auch sonst eigentlich nicht, fast alles an ihr ist ein über.
»Seit wir beim letzten Ball gesehen haben, dass er sich bei diesem Hungerhaken Ada Thompson auf der Tanzkarte eingetragen hat, isst du nur noch wie ein Spatz und hast tagelang deine Haare mit Kamillentinktur gewaschen, um sie aufzuhellen. Außerdem bin ich deine Schwester«, erklärt sie und stellt sich neben mich an die Bande. Gemeinsam betrachten wir die Gruppe der Männer am anderen Ende der Eishalle aus der Ferne. Am Vormittag sind zum Glück nur die Menschen hier, die ernsthaft trainieren, natürlich streng bewacht von Mister Babington, dem Aufseher. Er ist die rechte Hand des Eishallenbesitzers und damit ungemein wichtig – zumindest in seinen Augen. Mit einer blauen Kappe auf dem Kopf sitzt er über einen Haufen Papiere gebeugt auf seinem Podest im abgegrenzten Bereich neben der Eisfläche. Wenn er das nicht macht, poliert er die Kufen, die man an der Theke hinter dem eleganten Sitzbereich der Halle ausleihen kann, oder kontrolliert die vier Thermometer an der Eisfläche und die beiden in der Halle und auf dem Außengelände. Er lebt in ständiger Sorge um das kostbare Kunsteis. Noch größer ist allerdings seine Sorge, dass wir uns nicht an die zahlreichen Regeln halten und dass auf der Eisfläche etwas Unziemliches geschieht. Er beobachtet uns mit Argusaugen, obwohl wir alle nur trainieren wollen und Helen und ich die einzigen Frauen sind. Wir kennen die Regeln zudem besser als die Bibelsprüche. Trotzdem sieht er in regelmäßigen Abständen von seinen Notizen hoch, so skeptisch, als wären wir im Begriff, einen Diebstahl zu begehen.
Mich behält er stets ganz besonders gut im Auge. Vater hat dafür gesorgt. Deswegen setze ich mich nun langsam wieder in Bewegung. Wenn man zu lange stillsteht, wird einem ohnehin kalt.
Kurze Zeit später holt Mister Babington seine goldene Jägeruhr heraus, klappt sie mit einem knappen Nicken wieder zu und erhebt sich. Er wird nun in den angrenzenden Salon verschwinden, wohin er sich alle zwei Stunden zurückzieht, um seine Pfeife zu stopfen und ganz genüsslich für sich zu rauchen.
Kaum ist er weg, streift ein kalter Windzug meine Ohren und ich sehe Edgar in voller Geschwindigkeit auf die Männergruppe zusausen. Er umrundet sie mehrmals, bevor er Benedict den Hut vom Kopf klaut und rasend schnell davonläuft. Natürlich nimmt Benedict umgehend die Verfolgung auf, wirkt dabei jedoch leicht verärgert. Ich kann das verstehen. Edgar ist immerhin der Trainer der Männer und einige Jahre älter als wir und dennoch so kindisch! Anfang dreißig ist er, und trotz seines braunroten Van-Dyck-Barts kann man sich bestens vorstellen, was für ein Satansbraten er als Kind gewesen sein muss. Sein Grinsen wirkt noch immer so verschmitzt wie das eines Jungen, der etwas ausgefressen hat. Wir sind alle zum Üben für die Weltmeisterschaft hier und nicht zum Herumflachsen, das sollte doch gerade er als Trainer wissen.
Nun rast er direkt auf mich zu, stelle ich entsetzt fest. Bevor ich etwas dagegen unternehmen kann, setzt er mir Benedicts Hut auf und nimmt keinerlei Rücksicht auf meine Pompadour-Frisur, für die ich immer extra früh aufstehe. Er zieht mich weiter in die Mitte und wirbelt mich an seinen Händen in die Runde. Mit dem schwarzen Hut auf meinem mit Sicherheit leuchtend roten Kopf muss ich wie ein Roulettespiel wirken, bei dem durch das schnelle Drehen die Farben ineinanderfließen. Urplötzlich ist er wieder weg, und ich versuche beduselt, das Gleichgewicht zu halten.
Ich hasse dieses erwachsene Enfant terrible.
Benedict hingegen ist all das, was Edgar nicht ist. Er ist ernsthaft, während Edgar nichts ernst nehmen kann. Er ist kultiviert, wo Edgar derbe Witze reißt. Er ist aufrichtig, während Edgar hinterlistig ist. Wegen eines dummen Fauxpas darf ich mir nichts, aber rein gar nichts mehr zuschulden kommen lassen, deswegen nehme ich mich jeden Tag zusammen und kämpfe jeglichen Übermut, der mich früher gelenkt hat, zurück. Edgar weiß das genau und trotzdem macht er so etwas mit mir! Noch bevor ich meinen Gleichgewichtssinn wiedererlangt habe, steht Benedict vor mir, und nun, wo er mir so nah gegenübersteht, bin ich doch gefesselt von seiner Stattlichkeit. Warum muss er mich ausgerechnet jetzt, wo ich mit meinem hochroten Kopf und der zerstörten Frisur vermutlich so elegant wie ein Truthahn auf Kufen wirke, so deutlich mustern?
Erwähnte ich, dass ich Edgar hasse?
Mit einem sanften Lächeln streckt Benedict die Hand aus. »Darf ich?«
Noch immer ganz durch den Wind, weiß ich zunächst nicht, was er will. Für einen winzig kleinen absurden Moment frage ich mich, ob er mit mir tanzen will. Aber wie soll das hier auf dem Eis gehen?
»Ähm …«, stammle ich und bemerke dann, wie sein Blick zu meinem Haaransatz wandert. Ach ja, der Hut.
Natürlich!
Meine Begriffsstutzigkeit ist mir so peinlich, dass ich mich nicht wundern würde, wenn das Eis um mich herum schlagartig wegschmelzen würde. Ich reiße den Hut so ruckartig von meinem Kopf, als würde ich mich ekeln, und deswegen gleitet er mir im nächsten Moment aus der Hand. Du liebe Güte, was muss Benedict nur von mir denken! Sollte ich schnell etwas Berichtigendes sagen? ›Ihr Hut war sehr wohlriechend?‹ oder ›Das hatte nichts mit Ihrem Hut zu tun!‹? Allesamt törichte Antworten, erkenne ich und beschließe zu schweigen. Und zu lächeln. Hoffentlich nicht ganz so einfältig, wie ich mich fühle. Ich muss einfach hoffen, dass er aus meinem Verhalten keine falschen Schlüsse zieht. Wenn man jemanden näher kennenlernen möchte, ist man schließlich auf subtile Hinweise angewiesen, nichts in diese Richtung kann offen kommuniziert werden. Selbst wenn man einen Brief schreiben würde, bräuchte man hierzu zunächst einen guten Grund und könnte dann allemal zwischen den Zeilen etwas andeuten.
Mein momentanes Verhalten ist leider keineswegs zwischen den Zeilen im Subtext verborgen. Ich starre. Ich weiß, dass ich das nicht tun sollte, aber ich kann nicht anders. Er bückt sich, um den Hut aufzuheben, was mir als Dame sogar in diesem eher informellen Rahmen des Eislauftrainings nicht gestattet ist, und klopft das Eis vom schwarzen Stoff, bevor er ihn wieder aufsetzt. Er sieht aus, als würde er noch etwas sagen wollen, aber bevor er den Mund aufmacht, werden wir unterbrochen.
»He, Benny«, ruft Wallace in seinem breiten amerikanischen Akzent zu uns herüber. Einige der großen Eisläufer aus den anderen Ländern trainieren hier bei uns. Wallace tritt für Amerika an, dann ist da noch Mick aus Holland und Vikram aus Indien. »Wenn du die Weltmeisterschaft gewinnen willst, bevor du auf deine Grand Tour gehst,...




