Rossmann Gut, aber tot
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-99037-059-9
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Mira-Valensky-Krimi
E-Book, Deutsch, Band 18, 269 Seiten
Reihe: Mira-Valensky-Krimi
ISBN: 978-3-99037-059-9
Verlag: Folio
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eva Rossmann, 1962 geboren, lebt im Weinviertel/Österreich. Verfassungsjuristin, politische Journalistin, seit 1994 freie Autorin und Publizistin. Seit ihrem Krimi Ausgekocht auch Köchin in Buchingers Gasthaus 'Zur Alten Schule'. Drehbuchautorin, Moderatorin der ORF-Radio-Sendung 'Café Sonntag'. Zahlreiche Sachbücher. Österreichischer Buchliebling 2009, Leo-Perutz-Preis 2014. Gut, aber tot ist ihr 18. Mira-Valensky-Krimi.
Autoren/Hrsg.
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[ 1. ]
MÖRDERIN!
Rote Blockbuchstaben auf dem weißen Tor. Das R etwas verronnen, wie eine Blutspur, die sich nicht stoppen ließ. Ein Feme-Zeichen, eine Drohung.
Da passiert noch was. Ich denke es, ärgere mich darüber und sage zu Martina: „Immerhin haben sie die weibliche Form verwendet.“
Martina starrt mich empört an. „Weil sie ja so korrekt sind! Die wirklich Guten! Nur seltsam, dass sie dann mit Blut schreiben! Wo sie nicht einmal Milch trinken, um den armen Tieren nichts wegzunehmen!“
„Vielleicht ist es Menschenblut?“ Es sollte nach einem Witz klingen, nach etwas, das dem Ganzen diese eigenartige Dramatik nimmt. Es gelingt mir nicht. „V.A. – was bedeutet das?“ Ich deute auf die beiden Buchstaben unter der Anklage.
„Die sind so feig, dass sie nicht einmal sagen, was es heißen soll. Vegane Anarchie, angeblich, oder Victory Animal oder sonst irgendwas. Vegane Arschlöcher, sagt Viktor. Wir lassen uns das nicht mehr länger gefallen! Jetzt ist Schluss! Die können nicht einfach hergehen und das Tor anschmieren und …“
„Wo ist Eva?“
„Große Weinpräsentation in Brüssel. Ich wollte selbst fahren, aber wir haben zwei neue Arbeiter, ich muss ihnen eine Menge zeigen. Wir haben Trockenschäden und da bin ich lieber dabei, wenn wir Trauben reduzieren. Außerdem ist Mama bei so etwas großartig. Bei mir tun einige Kunden noch immer, als wär ich zu jung, um guten Wein zu machen.“
„Du solltest es einfach abwaschen.“ Ich kratze am Punkt des Rufzeichens. „Das wird Farbe sein, geht ziemlich leicht runter.“
„Es riecht nicht nach Farbe. Und es sieht auch nicht wie Farbe aus.“
„Und … warum schreiben sie MÖRDERIN! auf euer Tor?“
„Weil für sie alle Mörder sind, die Tiere essen.“
„Müsste da nicht auf fast jedem Tor in Treberndorf MÖRDER! stehen?“
„Was soll das? Das klingt, als würdest du zu ihnen halten! Ich hab dich geholt, damit du etwas darüber schreibst. Wäre doch eine spannende Geschichte fürs ‚Magazin‘. Damit klar wird, was das für Leute sind. Die werden immer radikaler. Letzte Woche haben sich Aktivisten in San Daniele in Käfige gesperrt, um gegen die Prosciutto-Produktion zu protestieren. Und in Süditalien sind welche aufgetaucht, die haben Transparente mit Weiße Scheiße vor einer Büffelmozzarella-Produktion entrollt. Vor den Zoos in Schönbrunn und in Berlin haben sie Flugblätter verteilt: Keine Gefängnisse für Tiere!, Warum hat die Giraffe lebenslänglich?, Was hat der König der Tiere verbrochen? – All so was. Auf den Essbaren Tiergarten vom Zotter haben sie gesprüht: Wer Tiere isst, ist selbst ein Schwein! Blöder geht’s nicht. Weil, ist Schwein jetzt doch ein Schimpfwort? Wo sie alle Tiere lieben? Abgesehen davon, dass der sogar vegane Schokolade im Programm hat. Und alles bio-öko-fair produziert. Und dann die radikalen Veganer- und Tierschützerseiten im Internet. Sie missbrauchen Gräuelfotos, um uns Bauern anzugreifen!“
„Du bist Winzerin. Ihr haltet keine Tiere.“
„Eben. Und trotzdem schmieren sie MÖRDERIN! auf unser Tor!“
„Warum gerade auf eures?“
„Weil sie so sind. Unser Wein ist eigentlich sogar vegan. Weil wir nicht mit Eiweißschönung arbeiten. Die Gelatine, die wir beim Flotieren verwenden, wird abgeseiht. Ich lass mir nicht gefallen, dass wir Bauern niedergemacht werden.“
„Bist du in die Politik gegangen? Als Bauernvertreterin? Eva hat mir nichts davon erzählt.“
Martina sieht mich an. „Bin ich nicht. Die tun doch ohnehin nichts für uns. Also müssen wir es selbst machen. Deswegen haben wir die ,Landsleute‘ gegründet.“
„Und was ist das?“
„Ein Zusammenschluss junger Bäuerinnen und Bauern. Ich bin so was wie ihre Sprecherin. Wir haben vor kurzem Jahrgangstreffen der Fachschule gehabt. Da haben wir über die Veganer und ihre Aktionen geredet. Gegen Viktor haben sie einen regelrechten Shitstorm im Netz gemacht, gemeinsam mit ein paar Idioten aus seinem Dorf, die aufs Land gezogen sind und sich jetzt darüber aufregen, dass Schweinemist stinkt. Und da hab ich gesagt, dass wir uns wehren müssen. Was die können, können wir schon lange.“
Ich seufze. „,Landsleute‘: Klingt … nach Heimat, Blut und Boden. Irgendwie ziemlich re…“
„Retro?“
„Rechts.“
„Sicher nicht. Wir sind weder blöd noch dumpf.“
„Die anderen kenne ich nicht. Du bist jedenfalls nicht blöd. Umso mehr frage ich mich …“
„,Landsleute‘ ist super. Wir sind Leute vom Land. Und wir lassen uns nicht dumm anreden. Wir stehen dazu, Bauern zu sein, und wir stehen zu unserem Land. Was ist dran schlecht?“
„Gar nichts.“
„Also. Es wird Zeit, dass man den ganzen Mief vergisst.“
„Die Geschichte ist ein Teil von uns. Das, was Väter und Großmütter getan und erlebt haben, kann man nicht einfach vergessen.“
Martina verdreht die Augen. „Ja eh. Und weil wir eine Geschichte haben, heißen wir ,Landsleute‘. Anders als die Veganen Analphabeten oder Alkoholiker oder Anarchisten oder Animalisten oder was auch immer, die nicht einmal sagen, wie sie wirklich heißen. Die haben keine Vergangenheit und keine Zukunft. Das machen wir ihnen klar.“
„Wie nennen sie sich auf ihrer Homepage?“
„Die haben keine. Zumindest haben wir keine gefunden. Auch nichts auf Facebook. Aber sie sind verbunden mit diversen veganen Vereinsmeiern und Tierrechtlerinnen und so weiter. Einzelpersonen, oft mit Nicknames, die dann auch mit V.A. unterschreiben. Viktor war völlig fertig, sie haben irgendwie rausgefunden, dass ihn seine Freundin verlassen hat, sie haben ihn auf Facebook verspottet: Wahrscheinlich hat sie von seinem Sauschädl genug gehabt, und: Wenn einer so riecht, sucht man sich lieber jemand, der nicht nach Tierleid stinkt. Echt tief. Noch dazu, wo ihn das mit seiner Freundin sehr getroffen hat. Besonders attraktiv ist er nämlich nicht und auch sonst eher ein Stiller. Hat lange gedauert, bis er eine gefunden hat.“
„Und die ist jetzt mit einem Veganer unterwegs?“
„Ach wo, ich glaube, ihr neuer Freund ist Baggerfahrer, Viktor wollte nicht darüber reden. Dem geht’s dreckig genug, sein Vater ist gestorben und hat ihm jede Menge Schulden hinterlassen. Die Schweinemast bringt nicht mehr viel ein, die einzige Chance ist zu wachsen und die Effizienz zu steigern, sagen die Berater. Das heißt natürlich investieren. Er ist einer von den Bauern, deren Grund eigentlich den Banken gehört. Aber das ist den superguten Tierfreunden egal, ist ja nur ein Mensch.“
„So richtig toll finde ich Massentierhaltung auch nicht.“
„Glaubst du, ich? Aber von heute auf morgen aussteigen ist schwer. Ganz abgesehen davon: Bernhard haben sie auch bedroht, und der ist Biobauer. Mit Mangalitza-Schweinen, die jede Menge Platz im Freien haben. Es reicht, dass er sie irgendwann schlachtet.“
„Schick mir den Link, ich sehe mir den Shitstorm an.“
Martina deutet auf die großen dunkelroten Buchstaben auf dem Tor. „Blut. Ich sage dir, das ist Blut.“
„Ich halte es nicht für klug, euren Streit weiter aufzuschaukeln.“
„Wer schaukelt da auf? Wohl die! Ich hab keine Tore beschmiert!“
Ich sehe die junge Weinbäuerin an. Ich kenne die Bertholds seit mehr als zehn Jahren. Damals war Martina sechzehn. Und wild entschlossen, Winzerin zu werden. Ihr Vater war auf dem Weg in die erste Liga der Weinmacher. Und kurz darauf tot, von einem Hochstand aus erschossen. Gemeinsam mit ihrer Mutter Eva hat Martina weitergemacht. Sie haben es geschafft. Das Weingut Berthold steht besser da denn je. Das ist keine, die klein beigibt. – Da war etwas, das sie gesagt hat … der Essbare Tiergarten … ein sympathisches Projekt. Aber darum geht es nicht … „Karl Simatschek. Ich werde ihn fragen.“
Martina sieht mich erstaunt an.
„Rechtsmediziner. Früher in der Steiermark. Wir haben uns kennengelernt, als ich bei der Schönheitsklinik im steirischen Vulkanland recherchiert habe, eine Zeit später ist er nach Wien gegangen. Leider hab ich schon länger nichts mehr von ihm gehört. Er könnte analysieren, ob es sich um Blut handelt.“
„Sehr gut. Viel besser, als wenn wir die Polizei einschalten. Wir machen das selbst.“
Das klingt auch nicht eben nach Deeskalation. Irgendwas kratzt an der Innenseite des Tores.
„Reblaus. Er hat...