Roters | Das Grab im Schnee | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 480 Seiten

Roters Das Grab im Schnee

Kriminalroman
15001. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8270-7833-9
Verlag: Berlin Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman

E-Book, Deutsch, 480 Seiten

ISBN: 978-3-8270-7833-9
Verlag: Berlin Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Winter in Berlin. In einer Kleingartenkolonie wird eine junge Frau tot aufgefunden. Sie war die Assistentin eines bekannten Showmasters und, wie es scheint, die Geliebte seines Konkurrenten. Wurde sie Opfer der Intrigen und Eitelkeiten des TV- und Filmbetriebs? Warum wurde die Leiche aber so sorgsam abgelegt und auffällig drapiert? Kommissar Breschnow und sein Team stoßen bei ihren Ermittlungen im Umfeld der Toten auf ein Geflecht aus Lügen und Schweigen. Als bald darauf eine zweite Leiche mit geöffneten Pulsadern im Schnee gefunden wird, ist klar: Der Fall ist abgründiger als gedacht und führt das Team schließlich zu einem ungesühnten Verbrechen in der Vergangenheit...

Connie Roters studierte Publizistik und Germanistik, arbeitete als freie Journalistin und Veranstalterin für Kleinkunst, als Modellbauerin und Innenrequisiteurin beim Film und als Sozialarbeiterin. Sie ist Mitglied bei den »Mörderischen Schwestern« und im »Syndikat« und lebt in Berlin. Weitere Veröffentlichungen: »Tod in der Hasenheide«, Kriminalroman, April 2014, Emons Verlag »Treptower Steine«, Krimineller Reiseführer, Juli 2014, Windspiel Verlag »Marie«, Shortlist Bonner Literaturpreis 2015, Dichtungsring.
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MONTAG


Ein schöner Winter, dachte sie und blickte in den Garten. Der Schnee hatte alle Konturen verwischt und Rasen und Beete zugedeckt. Kleine geheimnisvolle Hügel waren entstanden und sie bedauerte, dass es nicht so bleiben würde.

Ihr Blick folgte einer Amsel, die sich zögernd der Terrasse näherte. Der Vogel verharrte einen Moment, taxierte sie mit schwarzen Augen und schnappte sich dann blitzschnell eines der Körner, die sie heute Morgen verstreut hatte. Sie lächelte und sah ihm nach, wie er davonflog und sich mit seiner Beute auf der Tannenspitze niederließ. Schnee rieselte herab, lautlos wie Federn. Ihr Blick glitt von der Tanne zum Himmel, der sich verfinstert hatte. Bald würde es wieder schneien und sie konnte es kaum erwarten.

Ein lautes Klacken ließ sie zusammenzucken. Der Wasserkocher hatte sich abgestellt. Unwillig verließ sie ihren Platz am Fenster und durchquerte die Küche. Sie griff den Topf, goss das heiße Wasser in die Teekanne und schwenkte sie aus.

Ihr Mann hatte heute Morgen versprochen, zum Tee zu Hause zu sein, und sie hatte noch nicht entschieden, ob sie den Tisch in der Küche oder im Wohnzimmer decken sollte.

Ihr Blick streifte die Uhr. Sie hatte noch Zeit. Zufrieden schlenderte sie zurück zum Fenster. Jetzt schneite es. Sie öffnete die Terrassentür, sog die frische kalte Luft ein und trat hinaus. Im Schnee sah sie die kleinen Tapse der Amsel. Noch hatte der neue Schnee sie nicht verdeckt. Sie lächelte und folgte ihnen weiter hinein in den Garten. Ihre Hausschuhe tranken den Schnee und hingen kalt und schwer an den Füßen. Aus der Ferne hörte sie das Klingeln des Telefons. Sie erwog, es einfach klingeln zu lassen, hielt es dann aber nicht aus und eilte zurück ins Haus.

Als sie die Küche erreichte, verstummte der Ton. Der Anrufbeantworter schaltete sich ein und sie hörte die Stimme ihrer Tochter.

»Mama?«

Sie versuchte zu rennen, rutschte auf dem glatten Steinboden aus und hielt sich an der Küchenkommode fest.

»Mama«, schluchzte ihre Tochter.

»Mama, es ist so kalt.«

Endlich erreichte sie das Telefon und riss den Hörer vom Apparat.

»Nina, mein Kind.«

Am anderen Ende blieb es still.

»Nina? Nina, was ist los?«

Es klackte leise, dann kam das Freizeichen.

Mit zitternden Händen hielt sie den Hörer vor ihr Gesicht und starrte ihn ungläubig an. Dann legte sie ihn vorsichtig zurück auf die Gabel und ließ sich auf das Telefonbänkchen sinken. Ihr Blick glitt zu der alten Standuhr. In einer halben Stunde würde ihr Mann nach Hause kommen.

Sie legte ihre Hände übereinander in den Schoß und wartete.

Die Amsel flog von der Tannenspitze herunter und schnappte sich ein weiteres Korn.

***

Eine schwarze Limousine kreuzte seinen Weg und er trat hart auf die Bremse. Der alte VW schlingerte auf der verschneiten Straße, aber Breschnow hielt dagegen und hatte ihn kurz danach wieder im Griff. Er fluchte und fingerte nach seinen Zigaretten auf dem Beifahrersitz. Die Limousine hatte ihm die Vorfahrt genommen, aber sicher war er sich nicht. Er war für eine Zehntelsekunde am Steuer eingenickt. Er steckte die Zigarette zwischen die Lippen und beugte sich ein wenig vor, um das Handschuhfach zu öffnen. Der Flachmann blitzte kurz im Licht der Straßenlaterne. Er nahm ihn heraus, klemmte ihn zwischen die Oberschenkel und schraubte den Verschluss auf. Kurz nahm er auch die linke Hand vom Steuer und die Zigarette aus dem Mund, setzte den Flachmann an und trank. Danach wischte er sich mit dem Handrücken über die Lippen und warf die leere Flasche auf die Rückbank.

Er gähnte und streckte den schmerzenden Rücken. Die vergangenen fünf Nächte, die er am Krankenbett seiner Nichte Mona verbracht hatte, steckten ihm in den Knochen. Das fünfjährige Kind lag mit hohem Fieber auf der Intensivstation und die Ärzte waren ratlos. Vorhin waren ihm im Sitzen die Augen zugefallen und seine Schwester hatte ihn aus dem Zimmer gejagt und ihm befohlen, dass er endlich mal wieder schlafen müsse. Als er nicht gehen wollte, hatte sie gedroht, ihn vom Sicherheitsdienst hinauswerfen zu lassen.

Sein Handy klingelte. Er fingerte es aus der Jackentasche und lenkte mit einer Hand.

»Paul hier.«

Breschnow grunzte.

»Du hast wieder die Lesung vergessen?«

»Hmm.«

»Stefan, das ist das zweite Mal. Die Leute kommen wegen dir und ich …«

Er ließ den Satz unvollendet.

»Du hast was gut bei mir«, knurrte Breschnow.

»Dann will ich, dass du beim Lyrikfestival liest.«

Breschnow stöhnte. »Das haben wir doch schon tausendmal durchdiskutiert. Ich kann das nicht.«

»Ich hab was gut bei dir, schon vergessen? Lass dir was einfallen.«

»Ich könnte mit Burka lesen«, schlug Breschnow vor.

Sein Freund lachte. »Gute Idee!«, sagte er und legte auf.

Breschnow warf das Handy auf den Beifahrersitz und zündete sich noch eine Zigarette an.

»Verdammter Mist«, schrie er und schlug mit der flachen Hand gegen das Lenkrad. »Verdammtes Festival!«

Der Wagen zuckte kurz nach links und die Zigarette fiel auf den Boden. Er trat sie aus. Vor ihm trödelte ein Golf. Er ging vom Gas, und überlegte, ob es Burkas für ein Meter neunzig große Menschen gab.

Sein Handy klingelte wieder.

»Gibt’s was Neues von Mona?«, erkundigte sich seine Kollegin.

»Nein, ich bin auf dem Weg nach Hause.«

»Du musst zum Revier kommen.«

»Wieso?«

»Eine Vermisstenmeldung«, antwortete Regina.

»Vermisstenmeldung?«

»Ja, Nina Sebastian. Die Eltern haben einen Anruf bekommen und es klingt, als ob die Tochter … Komm einfach her und hör’s dir an.«

Sie legte auf.

Er wendete den Wagen und schaltete das Radio an, hoffte, dass die Musik ihn wach halten würde. Sie spielten »Radar Love«, einen Hit aus seiner Jugend. Er drehte auf und grölte mit.

***

Lautlos glitt die Limousine durch die Nacht. Karsten Movara lehnte im Fond und starrte auf den Nacken seines Fahrers. Ein ruhiger Mann, das mochte er. Nur vorhin, als der VW fast in sie hineingefahren wäre, war er ein wenig nervös geworden. Das hatte er an dem Blick gesehen, mit dem er sich umgedreht hatte, um zu sehen, ob im Fond alles in Ordnung war.

Sie fuhren stadtauswärts. Nach und nach erstarb das quirlige Treiben der Großstadt, der Verkehr wurde lichter, die Straßen dunkler und menschenleer. Es hatte wieder zu schneien begonnen, kleine eisige Flöckchen trieben im Wind. Er mochte diese Jahreszeit. Der Januar in diesem Jahr war besonders schön. Es war bitterkalt, schneite oft und Hochnebel ließ die Tage trübe vergehen. Die dunklen Monate gaben ihm Ruhe und Konzentration.

Sie stoppten vor einer Villa im Bachstelzenweg im südlichen Dahlem. Der Chauffeur hielt die Fernbedienung aus dem Fenster, das schmiedeeiserne Tor glitt langsam zur Seite und gab den Weg zur Auffahrt frei. Movaras Grundstück war das kleinste in der Nachbarschaft, genauso wie sein Haus. Aber mehr konnte er sich mit seiner Show nicht leisten. Noch nicht.

Sie hielten vor dem roten Klinkerbau mit den mahagonifarbenen Holztüren und Fenstern. Der Fahrer sprang aus dem Wagen, öffnete mit einer leichten Verbeugung die Tür und spannte einen Schirm auf. Movara stieg aus, ließ sich zum Eingang begleiten und befahl dem Mann, ihn am nächsten Morgen um neun Uhr abzuholen. Der Chauffeur nickte und verabschiedete sich höflich.

Movara betrat die geräumige Eingangshalle seiner Villa, die leicht nach Parfüm roch. Der Fußboden war mit weißem Marmor gefliest, von dem jeder Schritt widerhallte. Auch die Wände waren weiß gestrichen und betonten die Größe des fast unmöblierten Eingangsbereichs. Rechts und links führten geschwungene schwarze Marmortreppen in den ersten Stock hinauf. Er hob den Kopf und sah wie immer seine Frau auf der Empore stehen. Von ihrer Schönheit fasziniert, starrte er sie an. Sie trug ihr schulterlanges schwarzes Haar offen, ihre Haut war hell und eben, ihre Augen tiefblau.

Wie Schneewittchen, dachte er.

Und wer bin ich? Der Zwerg?

Der Gedanke nährte seine immerwährende Wut auf seine ein Meter achtundsechzig. Er bemühte sich, ihn sofort zu verdrängen und lächelte.

»Nadine, willst du nicht herunterkommen und mir bei einem Glas Wein Gesellschaft leisten?«

»Wenn du das möchtest.«

Langsam schritt sie die Treppe hinab. Sie trug ein eng anliegendes rotes Kostüm, dazu die passenden Pumps und eine schwarze Kette. Sie humpelte leicht, hatte sich bei einem Sturz die Hüfte verletzt.

Er nahm sie kurz in den Arm, roch an ihrem Haar und gab ihr einen Kuss auf die rechte Wange. Nadine hakte sich bei ihm ein und sie schlenderten gemeinsam ins Wohnzimmer. Dort löste sie sich behutsam, nahm eine Karaffe Rotwein und zwei Kristallgläser von der Anrichte und drehte sich zu ihm hin.

»Die Haushälterin ist schon gegangen«, sagte sie. »Ich habe sie nach Hause geschickt. Frau …«

Er fiel ihr ins Wort. »Keine Namen, mein Schatz. Das macht die Beziehung zu den Hausangestellten zu persönlich.«

Nadine lächelte. »Frau Kurca ist erkältet und ich möchte mich nicht anstecken.«

Er bedachte sie mit einem missbilligenden Blick und deutete auf das Sofa. »Setz dich doch.«

Noch immer lächelnd, ging sie eng an ihm vorbei, reichte ihm die Karaffe und ein Glas, ließ sich langsam auf das weiße Sofa gleiten und schlug...


Roters, Connie
Connie Roters studierte Publizistik und Germanistik, arbeitete als freie Journalistin und Veranstalterin für Kleinkunst, als Modellbauerin und Innenrequisiteurin beim Film und als Sozialarbeiterin. Sie ist Mitglied bei den »Mörderischen Schwestern« und im »Syndikat« und lebt in Berlin. Weitere Veröffentlichungen: »Tod in der Hasenheide«, Kriminalroman, April 2014, Emons Verlag »Treptower Steine«, Krimineller Reiseführer, Juli 2014, Windspiel Verlag »Marie«, Shortlist Bonner Literaturpreis 2015, Dichtungsring.

Connie Roters, geboren 1958, arbeitete im PR- und Theaterbereich und schrieb für die »taz« und den »Tagesspiegel«. Sie unterrichtete Kreatives Schreiben und war Initiatorin diverser Leseveranstaltungen. Ihr Debütroman, »Tod in der Hasenheide«, erschien 2014 bei Emons. Connie Roters lebt in Berlin.



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