E-Book, Deutsch, 587 Seiten
Ruederer Bühnenwerke
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3441-4
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 587 Seiten
ISBN: 978-3-8496-3441-4
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Josef Anton Heinrich Ruederer war ein deutscher Schriftsteller. Dieser Band umfasst seine Bühnenwerke Die Fahnenweihe, Prinz Dschem und Die Morgenröte.
Autoren/Hrsg.
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Zweiter Akt
Die gleiche Szenerie wie im ersten Akte. Der Vorhang der Bühne ist herabgelassen. Vor dem Podium, auf dem Saalboden liegen junge Tannen, ungeordnet durcheinander geworfen. Weitere Stämme lehnen links neben der Verandatür. Tische und Stühle sind besser geordnet. Die Fahne ist entfernt. Vorne rechts sitzen die Stammgäste, Assessor a.D. Knackberger und Premierleutenant a.D. Bernhuber. Sie rauchen in Holzspitzen bedächtig ihre Frühschoppenzigarren. Der Mohrenwirt sitzt bei ihnen. Jeder hat eine halbe Flasche Weißwein und ein volles Glas vor sich stehen. Nachdem der Vorhang sich erhoben hat, noch kleine Pause.
KNACKBERGER gewichtig. Ja, ja.
BERNHUBER in ganz anderem Tone wie Knackberger. Ja, ja!
KNACKBERGER. So geht's!
BERNHUBER. So geht's!
KNACKBERGER. Ich hab's übrigens immer g'sagt, daß wir da noch einmal 'was erleben.
MOHRENWIRT immer eifrig und voll sichtlicher Freude über den Vorfall. Ja, ja!
BERNHUBER. s' war vorauszusehen, Herr Assessor, 's war vorauszusehen.
MOHRENWIRT. Es muß a schöner Skandal gewesen sein, was i so g'hört hab, a schöner Skandal!
BERNHUBER. Dank mei'm Schöpfer, daß ich nicht dabei war.
MOHRENWIRT. Ich auch, Herr Premierleutenant.
BERNHUBER. Das heißt, ich hätt's ganz gern mit ang'schaut, aber man hätt mich net sehen dürfen dabei.
KNACKBERGER. So was war noch nicht da die siebzehn Jahr, die wir hier in Pension leben.
BERNHUBER. Beim frühern Posthalter war so was einfach unmöglich g'wesen.
KNACKBERGER. Des war a ruhiger, alter Mann.
BERNHUBER. Witwer seit dreißig Jahr.
KNACKBERGER. Aber unter dem jetzigen Regiment da geht alles drüber und drunter.
BERNHUBER. Die alten Stammgast werden nimmer estimiert, wie war's denn sonst möglich, daß man uns schon seit zwei Tag da 'reing'steckt hätt in den kalten Raum?
KNACKBERGER. Wo's nach Tannen stinkt.
BERNHUBER. Elf und dreiviertel Jahr verkehren wir hier schon, aber das hat's noch nie geb'n, daß man unser alte Gaststub'n g'weißt und neu ausg'malt hat, wegen so'm Fest.
MOHRENWIRT. Es is eine Rücksichtslosigkeit ohnegleichen.
BERNHUBER. Ach was!
KNACKBERGER. Man kommt ja ganz aus seiner gewohnten Ruh und Ordnung.
MOHRENWIRT. Wenn die Herren amal mir die Ehr' geben woll'n, i hab no so a gemütlichs, altdeutsch's Eckzimmer in mei'm Gasthaus, den besten Wein – i tat ja alles, um Sie zufriedenzustellen.
BERNHUBER Ja, Herr Moosreiner, wir werden zu Ihnen kommen, denn hier ...
KNACKBERGER Tut's nimmer länger gut.
Die linke Flügeltüre wird nach beiden Seiten heftig aufgestoßen. Minna, Flora und Hulda stürzen unter lautem Gelächter herein. Sie haben Hüte auf und Schirme in den Händen. Als sie die Stammgäste erblicken, kichern sie und stoßen sich gegenseitig an. Die alten Herren blicken ärgerlich um.
HULDA knicksend. Habe die Ehre, recht guten Tag zu wünschen, meine Herren!
BERNHUBER. Sie! Sind S' so freundlich und machen S' die Tür wieder zu, wenn S' da 'rein kommen, gelt?
FLORA. Können die Herren kein'n Zug vertragen?
MINNA. So schöne, stattliche Herren! Alle drei lachen.
KNACKBERGER sehr ärgerlich. Haben die Damen nicht g'hört, was der Herr Premierleutenant g'sagt hat?
HULDA. Der Herr Premierleutenant! Wo is der Herr Premierleutnant? Des is der Herr Premierleutenant? Ha, ha, ha, ha! Minna! Gelt? Da schaut unser Premierleutenant scho anders aus?
BERNHUBER pustet wütend Rauch von sich.
MINNA. Jawohl, wenn er a bloß bei'm Infanterieregiment in München steht.
HULDA. Aber dafür beim Garde-Infanterieregiment!
MINNA. Der is schon lustiger, wie die Herrn.
HULDA. Und etwas höflicher.
BERNHUBER aufspringend. Machen Sie jetzt die Tür zu oder nicht?
FLORA Oh, wir machen s' gleich von außen zu, Herr ... Herr Premierleutenant.
Alle drei eilen lachend zur Verandatüre.
HULDA. Na, das is a netts Dorf, Flora, ha?
Sie begegnen im Hinausgehen Frau Wanninger und Frau Specht, die ihnen mit Zeichen des Abscheus hastig ausweichen. Die Eintretenden tragen Hut und Straßentoilette. Mohrenwirt erhebt sich und schließt die linke Türe.
BERNHUBER ganz außer sich. Ja, was sind denn das für Weibsbilder?
FRAU SPECHT eilig. Choristinnen sind's, ganz gemeine Choristinnen aus München. Guten Morgen übrigens, Herr Premierleutenant!
BERNHUBER. Guten Morgen. So eine Gemeinheit war ja noch gar nicht da!
FRAU SPECHT. Net wahr? Ist es net haarsträubend, was man seit gestern abend in dem Haus erlebt hat?
FRAU WANNINGER. Sie wissen doch hoffentlich schon alles?
FRAU SPECHT. Jetzt kann man ja reden drüber.
FRAU WANNINGER sieht sich um. Freilich, 's is ja kei' jungs Mädel da.
KNACKBERGER. Uns hat der Herr Moosreiner die ganze Geschichte aufs genaueste hinterbracht.
MOHRENWIRT. I bin eben eigens herkommen, um's den Herrn zu erzählen, denn sonst hätt' mi kei Mensch mehr da rein 'bracht in das Haus.
FRAU SPECHT. Ja, gelt? Sie hat ja der Posthalter gestern so unverschämt behandelt?
MOHRENWIRT. Des kriegt er scho no!
FRAU SPECHT. Der hat alle Ursach, still zu sein auf den Skandal hin.
FRAU WANNINGER. Nein, was war des! Und ich hab' mei Kind dabei g'habt.
FRAU SPECHT. Man muß sich ja vor alle Leut' schämen.
FRAU WANNINGER. Am besten ist's, wir schauen, daß wir bald 'nauskommen.
BERNHUBER. Das ist das wahre. Genau so machen wir's auch, denn mit solchen Existenzen, wie mit dem Herrn Posthalter und seinen saubern Stadtfreunden kann ein alter Soldat nicht mehr verkehren.
FRAU SPECHT. Freilich net, man muß der G'sellschaft zeigen, was anständige Leute von ihr halten. I bitt Sie, so ein Mensch, wie der Rettinger!
KNACKBERGER. Der Millionenprotz!
BERNHUBER. Das ist so ein echtes Münchener Früchtel.
FRAU SPECHT. Ja, was der sich aber einbilden soll darauf, daß er Millionär und Reserveleutnant ist?
BERNHUBER. Auf den Reserveleutnant braucht er sich gar nichts einzubilden, denn seine Wahl zeigt nur, was heutzutage beim Militär für Verhältnisse eingerissen sind.
KNACKBERGER. Ja, ja!
BERNHUBER. Unser Militär ist schlaff und hat keine Disziplin mehr, wie zu meiner Zeit.
KNACKBERGER. 's is mit der Justiz ganz genau so, alles geht zurück.
FRAU...