E-Book, Deutsch, 120 Seiten, EPUB
Rüther Geh’n Sie weg, das ist mein Platz!
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8346-4243-1
Verlag: Verlag an der Ruhr
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
111 Tipps zum Umgang mit Konflikten unter Senioren
E-Book, Deutsch, 120 Seiten, EPUB
Reihe: Kleine Helfer für die Altenpflege
ISBN: 978-3-8346-4243-1
Verlag: Verlag an der Ruhr
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Handlicher Ratgeber mit vielen Praxistipps zum richtigen Umgang mit Konflikten unter Senioren für Pflege- und Betreuungskräfte in der Altenpflege sowie für pflegende Angehörige zu Hause +++ Pflege- und Betreuungskräfte wie auch pflegende Angehörige sind oft im Stress und müssen sich vielen Herausforderungen stellen. Dieser kleine Praxishelfer für die Altenpflege gibt Ihnen kompetenten Rat zum Umgang mit Konflikten unter Senioren mit und ohne Demenz. Dabei beschränkt er sich ganz bewusst aufs Wesentliche – kurz, knapp, klar verständlich und mit maximalem Praxisnutzen für Ihren Betreuungs- und Pflegealltag. Typische Fallbeispiele und Situationen, in denen Sie sich bestimmt sofort wiederfinden, sowie humorvolle Cartoons bilden den Einstieg in jedes Kapitel. In den kurzweiligen, kompakten Kolumnen finden Sie dann Antworten zu allen Fragen und viele konkrete Tipps zum schnellen Nachlesen und Umsetzen. Von der Frage, ob jeder Konflikt geschlichtet werden muss („Ich streite, also bin ich! Das Recht auf den Konflikt“) über demenzielle Symptome als Auslöser für Konflikte („Können Sie nicht mal still sein?“) bis hin zum Umgang mit Konflikten in Betreuungsrunden („Geh’n Sie weg, das ist mein Platz!“): Das kompakte (Basis-)Wissen für die Altenpflege begleitet Sie zuverlässig durch alle Situationen und rüstet Sie für alle erdenklichen Szenarien. Das handliche Taschenbuch ist ein echter „Rat-Geber“ – für einen wertschätzenden Umgang mit Menschen mit Demenz, der Ihre Kräfte schont und allen ganz viel gibt.
Weitere Infos & Material
ER, SIE, DU, ICH UND ALL DAS ANDERE … – RAHMENBEDINGUNGEN
Die Senioren leben nicht im luftleeren Raum. Sie sind in eine Umgebung eingebettet. Zu dieser Umgebung gehören die Einrichtung, die organisatorischen Abläufe, die Geräusche des Alltags, Menschen, die sich in den Einrichtungen bewegen, sowie die anderen Senioren, die Mitarbeiter und auch Sie!
Auch ich gehöre dazu!
Frau Strohte und Frau Velter sitzen am Tisch und frühstücken. Frau Velter beginnt, ihr Brot mit den Fingern klein zu drücken. Frau Strohte reagiert verärgert: „Lassen Sie das doch sein, immer dieses Matschen. Das kann man ja nicht mit ansehen!“ Die Betreuungskraft Frau Hirse kommt dazu und meint: „Ja genau! So etwas gehört sich doch nicht, essen Sie doch vernünftig!“ Dabei zwinkert sie Frau Strohte zu.
Wir als Pflege- und Betreuungskräfte sind oft Teil der Konflikte. Wir gehen davon aus, dass wir Beobachter oder Schlichter sind, aber so einfach ist das nicht. Oft mischen wir mit, ohne uns dessen bewusst zu sein.
Jeder reagiert anders auf Konflikte. Wichtig ist, zu wissen, was Konflikte für einen selbst bedeuten. Die einen sagen: „Das gehört zum Leben, das ist halt so!“ Die anderen setzen noch eins drauf und meinen: „So kommt doch erst richtig Leben in die Bude! Dann ist endlich mal etwas los!“ Die Nächsten vertreten den Standpunkt: „Gewitter reinigen die Luft und wir wissen doch häufig erst durch den Streit, wo eigentlich das Problem liegt.“ Einer weiteren Gruppe machen Konflikte Angst. Sie ignorieren sie oder reden Harmonie herbei.
Tipp 1: Setzen Sie sich mit Ihrem eigenen Konfliktverhalten auseinander.
Es ist wichtig, zu wissen: Was bedeuten Konflikte eigentlich für mich? Bin ich konfliktfähig? Und wann reagiere ich konfliktorientiert, z. B. wenn es laut wird, wenn ich zwei Parteien gerecht werden muss oder wenn meine Planung durcheinandergerät? Fragebögen zum Konfliktverhalten aus dem Internet können Ihnen helfen, Ihrem eigenen Konfliktverhalten auf die Spur zu kommen.
Tipp 2: Sprechen Sie mit Ihren Kollegen über Ihre Reaktionen auf Konflikte.
Nehmen Ihre Kollegen eine Situation ebenfalls als Konflikt wahr oder war sie nur in Ihren Augen konfliktgeladen? Ebenso verschieden wie unsere Einstellungen und Reaktionen auf Konflikte sind auch unsere Strategien, mit Konflikten umzugehen. Die einen gehen bei dem kleinsten Anzeichen sofort dazwischen, wenn es Spannungen zwischen Senioren gibt; die anderen schauen weg, nach dem Motto: „Ich reagiere erst, wenn Blut fließt!“ Wiederum andere bleiben gelassen und suchen nach konstruktiven Lösungen. Und genau darum geht es: herauszufinden, worauf man wie reagiert, um in Zukunft gelassen bleiben und einfühlsam Lösungen finden zu können.
Die Umgebung macht’s
In wenigen Minuten gibt es Mittagessen. Frau Müller und Frau Schneider sitzen bereits auf ihren Plätzen und warten. Zwei Mitarbeiterinnen des Wohnbereichs sind gerade dabei, die Tische einzudecken. Dabei unterhalten sie sich quer durch den Raum und laufen schnell von Tisch zu Tisch. Aus der Küche hört man viele Geräusche. Der Geschirrspüler wird gerade lautstark ausgeräumt. Dabei fällt jemandem ein Glas klirrend zu Boden. Gleichzeitig bereitet die Hauswirtschafterin mit dem Mixer das pürierte Essen vor. Mitten in diesem Geräuschkonzert sitzen die Seniorinnen. Plötzlich wirft Frau Müller Frau Schneider einen Löffel an den Kopf. Frau Schneider beginnt, laut zu schreien.
Menschen mit Demenz nehmen sehr viel empfindsamer als wir Geräusche, Bewegungen und Atmosphären wahr. Viele Eindrücke stürmen gleichzeitig auf sie ein. Allerdings können Menschen mit Demenz diese oft nicht mehr auseinanderhalten, erkennen, benennen, sortieren und ordnen. Schnell wissen sie nicht mehr, was los ist. Das kann verunsichern und wütend machen. Solche Situationen können schnell zu einem Gefühl der Überforderung führen. Häufig wird die Person für diese Überforderung verantwortlich gemacht, die der Mensch mit Demenz in dem Moment gerade sieht – in unserem Fall nimmt Frau Müller ihre Sitznachbarin Frau Schneider als Verursacherin der Unruhe und der Geräusche wahr.
Tipp 3: Verringern Sie die Geräuschkulisse und den Lärmpegel.
Die zahlreichen Geräusche einer Tagespflege oder eines Wohnbereichs – wie der Geschirrspüler, der unter lautem Geklapper ausgeräumt wird, der Mixer, der gleichzeitig dröhnt, Türen, die schlagen, Schuhe, die klackern, Mitarbeiter, die sich lautstark unterhalten – verbinden sich für die Senioren zu einem Lärmteppich, zu einer schlecht klingenden Folge von Geräuschen. Natürlich können Sie nicht alle Geräusche vermeiden, aber Sie können versuchen, sie einzudämmen: Versuchen Sie z. B., Türen leise zu schließen, achten Sie auf die Besohlung Ihrer Schuhe und die Lautstärke Ihrer Unterhaltungen.
Tipp 4: Kündigen Sie an, wenn es laut wird.
Oft hilft es auch, den Senioren den Lärm anzukündigen oder zu erklären: „Achtung, jetzt wird es laut!“ oder „Das tut mir sehr leid. Ich räume gerade den Geschirrspüler ein!“ Bei den Senioren, die über Erklärungen nicht mehr zu erreichen sind, ist es hilfreich, die Gefühle anzusprechen: „Der Lärm ist wirklich kaum auszuhalten!“, „All diese Geräusche, das macht einen ja richtig nervös!“ oder „Hier ist es jetzt aber laut!“
Eine Senioreneinrichtung in Bewegung
Zu den Geräuschen kommen außerdem die Bewegungen. Es herrscht häufig ein Kommen und Gehen, die Senioren werden geholt, zurückgebracht, Angehörige schauen vorbei, die Mitarbeiter hasten mit schnellen Schritten durch die Flure und Räume. Die Senioren sind aufgrund verlangsamter Verarbeitungsprozesse aber nicht mehr in der Lage, Bewegungen korrekt einzuschätzen.
Tipp 5: Bitten Sie die Kollegen, sich langsamer zu bewegen.
Hastige oder unvermittelte Bewegungen können Angst auslösen. Sie werden als Bedrohung erlebt, weil sie so schnell nicht eingeschätzt werden können. Oft zuckt der Senior auch sichtbar zusammen. In diesem manchmal sehr unruhigen Klima kommt es dann zu Unmutsäußerungen, zu großer Ungeduld oder ein Senior lebt, wie in dem aufgeführten Fallbeispiel mit Frau Müller und Frau Schneider, seine Angst gegenüber seinem Tischnachbarn aus. Überlegen Sie doch einmal mit Ihrem Team, wie Sie das häufige Durchqueren der Räume, in denen sich die Senioren aufhalten, vermeiden können.
Tipp 6: Überprüfen Sie insbesondere die Atmosphäre während der Essenszeiten. Schalten Sie Hintergrundgeräusche aus.
Vor allem zu den Essenszeiten häufen sich die Probleme. Zahlreiche Menschen bewegen sich im Raum. Es entsteht Unruhe und das Essen ist mit vielfältigen Geräuschen (z. B. klapperndes Geschirr, Senioren, die mit ihrem Besteck über die Teller kratzen, Gespräche) verbunden. Hinzu kommen noch ein dudelndes Radio oder der laufende Fernseher. Da muss man seinen Frust ja seinem Gegenüber ins Gesicht werfen! In zahlreichen Einrichtungen hat man deshalb begonnen, die Essenszeiten zu entzerren. Diejenigen, die sehr lärmempfindlich sind, werden z. B. vorgezogen oder bekommen ganz zum Schluss ihr Essen, wenn sich nur noch wenige Senioren im Speiseraum aufhalten.
Wo sind denn alle? – Präsenz zeigen
Alle Mitarbeiter nehmen an einer Teambesprechung teil, während viele Bewohner Mittagsruhe in ihren Zimmern halten. Frau Mirnau fährt mit ihrem Rollstuhl über den Flur und beginnt, zu rufen: „Hallo, hallooo! Wo sind denn alle?“ Mit raschen Schritten geht Herr Paul zu Frau Mirnau. Er stellt sich direkt neben sie und herrscht sie an: „Seien Sie doch still! Kein Benehmen!“ Frau Mirnau schreit zurück: „Hauen Sie ab! Nun geh‘n Sie schon!“, und schlägt dabei mit einer Hand in seine Richtung. Die gegenseitigen Beschimpfungen werden lauter und hitziger. Die anderen Bewohner reagieren mit Unruhe.
Ähnliche Situationen wiederholten sich immer dann, wenn ein Meeting anstand. Daraufhin blieb eine Mitarbeiterin als Ansprechpartnerin bei den Senioren. Dadurch wurden die Konflikte seltener. Überlässt man Menschen mit Demenz über einen längeren Zeitraum sich selbst, fühlen sie sich schnell unsicher oder verloren und zeigen konfliktorientiertes Verhalten.
Tipp 7: Sorgen Sie dafür, dass immer eine Ansprechperson bei den Senioren ist.
Sie vermittelt ihnen Sicherheit und Stabilität und kann die beruhigende Wirkung noch verstärken, indem sie immer wieder im Vorbeigehen aktiv den Kontakt zu den Senioren sucht. Die Senioren benötigen immer wieder Blickkontakt, eine Ansprache mit Namen, einen kurzen Gruß, ein Lächeln. So erhalten sie das Gefühl, wahrgenommen und geschätzt zu werden.
Wissen, was los ist
Frau Lars lebt noch nicht lang in der Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz. Heute läuft es nicht so optimal. Das Mittagessen verspätet sich. Es steht nicht wie gewohnt um zwölf Uhr auf dem Tisch. Frau Lars geht verärgert zur Küchenzeile und ruft: „Ja, was ist denn los hier? Wann geht es weiter?“ In diesem Moment tritt Frau Lange, ebenfalls Bewohnerin, neben sie. Sofort dreht sich Frau Lars zu ihr um. Mit den Worten „Sie schon wieder! Machen Sie mal voran, so geht das doch nicht!“, beginnt sie, Frau Lange zu schubsen.
Veränderungen können immer mal vorkommen. Diese sollte man den Senioren versuchen, frühzeitig zu vermitteln und zu wiederholen, weil die Informationen ja hin und wieder von einigen Senioren vergessen werden...