Ruffing / Brodersen | Wirtschaft in der griechisch-römischen Antike | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 143 Seiten

Ruffing / Brodersen Wirtschaft in der griechisch-römischen Antike


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-534-72791-9
Verlag: wbg Academic in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 143 Seiten

ISBN: 978-3-534-72791-9
Verlag: wbg Academic in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Kai Ruffing legt mit diesem Band einen übersichtlichen und zuverlässigen Einstieg in das umfassende Thema der antiken Wirtschaft vor. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der mediterranen Welt mit dem Schwerpunkt der griechischen und der römischen Wirtschaftsgeschichte. Das chronologische Spektrum reicht von der Frühen Eisenzeit, d. h. vom 10./9. Jh. v. Chr., bis ca. zum Regierungsantritt des Kaisers Diokletian 284 n. Chr. Dabei wird nicht nur den literarischen Quellen, sondern vor allem den epigraphischen und papyrologischen Zeugnissen sowie den archäologischen Funden und Befunden Beachtung geschenkt. Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung der Wirtschaft auch für die Geschichte der Alten Welt deutlich. Das Buch leistet auf der Grundlage der aktuellen Forschung einen Beitrag zum Verständnis der antiken Wirtschaftsgeschichte.

Kai Ruffing, geb. 1967, ist Professor für Alte Geschichte an der Universität Kassel. Zuvor lehrte er in Marburg und Innsbruck. Er ist Herausgeber der Marburger Beiträge zur Antiken Handels-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie der Reihen 'Philippika' und Classica et Orientalia. Seine Forschungsschwerpunkte sind die antike Wirtschafts- und Sozialgeschichte, die Kontakte zwischen der mediterranen Welt und Altvorderasien sowie Indien und die historische Geographie.
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III. Quellen zur antiken Wirtschaftsgeschichte


Quellen

Wie bereits angedeutet, steht für die Analyse der Wirtschaft antiker Gesellschaften ein breiter Quellenfundus zur Verfügung, der durch naturwissenschaftliche Untersuchungen bereichert wird. Je nach Untersuchungsgegenstand, Zeit und behandeltem Raum variieren die zur Verfügung stehenden Überlieferungsstränge erheblich. Die Art der Quellen bedingt dann auch in gewisser Weise die Fragestellung, die überhaupt an das Material herangetragen werden kann. Eine Amphore etwa sagt zunächst wenig über die Wirtschaftsmentalität bestimmter Schichten aus, kann aber im Idealfall aufgrund petrographischer Analysen und/oder Beschriftungen Auskunft über Handelswege beziehungsweise sogar über die Organisation des Handels geben. Dabei erfordert beispielsweise die Einbeziehung der Verbreitung bestimmter Amphorentypen gänzlich andere methodische Erwägungen als eine Analyse auf der Grundlage literarischer Quellen.

Griechische Literatur

Gerade die literarische Überlieferung ist in Bezug auf die Interpretation für wirtschaftsgeschichtliche Fragestellungen äußerst komplex. Nahezu jedes literarische Genus ist für wirtschaftsgeschichtliche Fragen fruchtbar zu machen, was selbstverständlich insbesondere für die aus der Antike überlieferten ökonomischen Schriften gilt. Auf die Letzteren wird unten noch zurückzukommen sein, auf den Rest der literarischen Quellen und die sich ergebenden Probleme sei hier kurz exemplarisch eingegangen. Auf der einen Seite transportieren die Werke antiker Literatur selbstverständlich strukturgeschichtliche, also wirtschafts- und sozialgeschichtliche Realien. Auf der anderen Seite handelt es sich aber stets um Literatur, die dementsprechend bestimmten gattungsspezifischen Eigenarten und Stilmerkmalen gehorcht. Außerdem verfolgte der jeweilige Autor stets spezifische Darstellungsabsichten und hatte sich mit seinen literarischen Vorbildern auseinanderzusetzen. Solche Intentionen, die Gattungsspezifika und die intertextuellen Bezüge gilt es zu vergegenwärtigen, um sich dann über den Aussagewert einer gegebenen Textstelle Gedanken zu machen. So ist es beispielsweise ein Gattungsspezifikum einer Komödie des Aristophanes, Dinge zu überzeichnen, um komische Effekte hervorzurufen. Dementsprechend können von ihm berichtete Begebenheiten nicht von vornherein für bare Münze genommen werden, auch wenn sie sich auf typische Begebenheiten des athenischen Lebens beziehen, denn ohne die Verankerung in den Realien der Lebenswelt seines Publikums kann keine Komik entstehen. Dennoch kann das Werk des Aristophanes zum einen nutzen, wenn dezidiert strukturgeschichtliche Realien untersucht werden, zum anderen, wenn in die spezifische Vorstellungswelt des Dichters und die hieraus resultierende Konstruktion soziologischer Typen – etwa des Händlers – eingedrungen werden soll. Realien und Literalisierung von Stoffen gehen dabei öfters eine eigentümliche Mischung ein, wie die folgende in den Historien Herodots geschilderte Begebenheit zeigt.

Q

Über das Fehlen von Tonkrügen in Ägypten

Herodot, Historien 3,6,1–2

Aus ganz Griechenland und aus Phönizien werden zweimal im Jahr Tonkrüge voll mit Wein nach Ägypten eingeführt und man kann sozusagen von der gesamten Ladung nicht einen einzigen mit Wein gefüllten Tonkrug sehen. Manch einer mag fragen: welchen Gebrauch machen sie von ihnen? Und ich werde dies sagen. Jeder Ortsvorsteher muss aus seiner Stadt alle einsammeln und die Tonkrüge nach Memphis bringen, die Einwohner von Memphis müssen sie mit Wasser befüllen und in die wasserlosen Teile von Syrien bringen.

Diese Maßnahme habe wiederum der Perserkönig Kambyses direkt nach der Eroberung Ägyptens befohlen, um einen Landzugang hierher zu gewinnen. Nun hat man den Weinhandel zwischen der griechischen Welt beziehungsweise den Städten Phöniziens und Ägypten als reale Gegebenheit zu betrachten, zumal dieser durch eine Zollabrechnung aus dem fünften vorchristlichen Jahrhundert dokumentarisch bestätigt ist (Kuhrt, Persian Empire, Kap. 14 Nr. 10). Diese Realie wird in dem genannten Kontext allerdings dazu genutzt, die Begebenheit um die Sammlung aller Tongefäße und ihre Verbringung in die Wüste, die Kambyses und seine Herrschaft in Ägypten charakterisieren soll, zu authentifizieren. Dabei stellt die Kambyses zugeschriebene „Bewässerungsaktion“ nur eine Begebenheit dar, die den Despotismus des in Ägypten ungeliebten Herrschers veranschaulichen soll. Literalität und Bezug zu älteren literarischen Werken demonstriert Herodot wiederum durch seine äußerst negative Bewertung des Handels. So zeichnet er in den Historien Handel und Händler als Gegenbild zur Existenz des Kriegers: Handel führe zur Verweichlichung, denn er trage neben der Musik dazu bei, aus Männern Frauen zu machen (Hdt. 1,155,4). Diese äußerst negative Konnotation des Handels stellt wiederum ein Erbe der homerischen Epen dar. Hieraus aber den Umkehrschluss ziehen zu wollen, dass die Verarbeitung eines literarischen Motivs aus einem älteren Text, der als nahezu absolute Autorität gilt, Aufschluss über die diesbezügliche Geisteshaltung in der griechischen Welt gibt, ist zumindest nicht unproblematisch.

Lateinische Literatur

Die im Vorangehenden gemachten Aussagen über die der Interpretation literarischer Quellen der griechischen Welt innewohnenden Problematiken gelten selbstverständlich auch für die lateinische Welt. So findet sich etwa in einer Komödie des Plautus ein Zwiegespräch, in dem es um den Kauf eines Sklavenmädchens für den Preis von 30 Minen geht (Plaut. Curc. 335–349). Nun werden die Komödien des Plautus häufiger als Quelle für die römische Republik herangezogen. Dagegen ist zunächst schon die Verarbeitung griechischer Stoffe durch Plautus einzuwenden. Ferner wird der Preis in Minen angegeben, also in griechischer und nicht römischer Terminologie. In diesem Fall wird man demzufolge gut daran tun, den Auskünften der Komödie nicht allzu viel Quellenwert für die Zeit der römischen Republik beizumessen. Unter anderen Vorzeichen kann man auch gegenüber Auskünften der lateinischen Ethnographie Vorbehalte formulieren, wie die folgende Begebenheit aus der Germania des Tacitus zeigt.

Q

Über den Gebrauch des Geldes bei den germanischen Stämmen

Tacitus, Germania 5, 4–5

… obgleich die [sc. dem römischen Gebiet] benachbarten [sc. Germanen] Gold und Silber wegen ihres Gebrauchs beim Handel einen Wert beimessen und gewisse Formen unseres Geldes anerkennen und besonders schätzen. Die im Inneren Lebenden gebrauchen in einfacherer und älterer Weise den Tauschhandel. […] Das Silber schätzen sie auch mehr als das Gold, nicht aus einer Geisteshaltung heraus, sondern weil eine Anzahl von Silbermünzen leichter für die zum Nutzen gereicht, die mit verschiedenem und billigem Zeug handeln.

Nun wird niemand den grenzüberschreitenden Handel zwischen den freien Germanen und Individuen aus dem Römischen Reich bestreiten wollen. Auf der anderen Seite konstruiert der Autor hier aber auch kulturelle Unterschiede zwischen den Germanen, die aus dem Kontakt mit den Römern resultuierten. Dieser wirtschaftliche Kontakt führe zu einer Verderbnis, der die moralische und sittliche Überlegenheit derjenigen Germanen gegenüber gestellt wird, die eines solchen Kontakts entbehren. Diese Konzepte sind freilich dem literarischen Genus der Ethnographie und literarischen Vorläufern wie vor allem Herodot geschuldet. Wiederum gibt es also zugrundeliegende strukturgeschichtliche Realien, die freilich in einen wertenden Kontext gebracht und damit moralisch verargumentiert werden. Auf der anderen Seite beinhalten die literarischen Texte selbstverständlich auch wertvolle Ausführungen zu grundlegenden Realien, etwa wenn der Dichter Statius in seinen die Aufgaben des höchsten kaiserlichen Funktionärs in Sachen Finanzverwaltung darstellt (Statius, 3,3,86–105). Dennoch aber gilt es bei der wirtschaftsgeschichtlichen Analyse literarischer Quellen stets den Vorbehalt der Intentionalität, der Literalisierung des Stoffes sowie des zeitlichen Kontextes des Autors vor Augen zu haben. Denn aufgrund dieser Punkte entfernen sich die Aussagen der literarischen Welt allzu oft weit von vermutbaren strukturgeschichtlichen Realien.

Griechische ökonomische Schriften

Dies gilt in gleicher Weise für das ökonomische Schrifttum der griechischen und lateinischen Literatur. Das Schreiben über die Ökonomie entwicklte sich in der Antike zu einem eigenen literarischen Genre. Dabei ist unter ,Ökonomie‘ nicht das zu verstehen, was heute landläufig mit dieser Begrifflichkeit bezeichnet wird. Dieselbe leitet sich aus dem griechischen Wort her, welches wiederum aus dem griechischen Wort – Haus, Haushalt – und dem Wort – unter anderem teilen, zuteilen, weiden, dann auch verwalten – zusammengesetzt ist. Die beschäftigt sich also mit der Verwaltung des Haushalts. Hinweise auf diesen Themenbereich finden sich bereits seit den homerischen Epen. Die erste uns gänzlich überlieferte Schrift über die Haushaltsführung haben wir indes dem Athener Xenophon zu verdanken. Jener verfasste sein Werk, den , als sokratischen Lehrdialog. Hierbei handelt es sich um ein literarisches Genre, in dem der Autor den Philosophen Sokrates in ein Gespräch mit einer oder mehreren anderen Personen treten lässt. Auf diese Weise lässt der...


Brodersen, Kai
Kai Brodersen ist Professor für Antike Kultur an der Universität Erfurt und Senior Fellow am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur Antike bei der wbg und u. a. Herausgeber der Reihe »Geschichte kompakt – Antike«.

Ruffing, Kai
Kai Ruffing, geb. 1967, ist Professor für Alte Geschichte an der Universität Kassel. Zuvor lehrte er in Marburg und Innsbruck. Er ist Herausgeber der Marburger Beiträge zur Antiken Handels-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie der Reihen „Philippika“ und Classica et Orientalia. Seine Forschungsschwerpunkte sind die antike Wirtschafts- und Sozialgeschichte, die Kontakte zwischen der mediterranen Welt und Altvorderasien sowie Indien und die historische Geographie.

Kai Ruffing, geb. 1967, lehrt Alte Geschichte an der Universität Marburg und ist Herausgeber der Marburger Beiträge zur Antiken Handels-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie der Reihen "Philippika" und Classica et Orientalia. Seine Forschungsschwerpunkte sind die antike Wirtschafts- und Sozialgeschichte, die Kontakte zwischen der mediterranen Welt und Altvorderasien sowie Indien und die historische Geographie.Kai Brodersen ist seit 2008 Professor für Antike Kultur an der Universität Erfurt und von 2008 bis 2014 deren Präsident.



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