E-Book, Deutsch, 282 Seiten
Sanden Der Filmfälscher
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-4407-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 282 Seiten
ISBN: 978-3-7534-4407-9
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Bundeskanzlerin Lise Kranz in Wahrheit eine Stasi-Agentin? Dies jedenfalls behauptet ein gewisser Ronny Rogalla. Ein Wichtigtuer oder jemand, der mehr weiß? Oder sitzt er nur einem Hirngespinst seines Bekannten Gerd Halberegg auf, dieses Sonderlings, der gefälschte Videos in das Internet stellt? Ein Roman über Freundschaft, Verrat und Verschwörung, der mit der Realität spielt und am Ende eine überraschende Wendung nimmt.
Wolfgang Sanden wurde 1946 in Hildesheim geboren. Nach Abitur und Mathematikstudium übte er dreißig Jahre lang verschiedene Berufe in der IT-Branche aus. Unter anderem war er als Programmierer, Systemanalytiker, Berater, Qualitätsmanager und Ausbilder tätig. In jener Zeit konnte er sich dem Schreiben nur sporadisch widmen. Heute arbeitet Wolfgang Sanden als freier Schriftsteller.
Autoren/Hrsg.
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1. IM ZWIESPALT Ausgerechnet über Gerd Halberegg wollen Sie mit mir sprechen?– Ach, Sie sind ein Freund von ihm. – Aha, ein alter Schulfreund, der sich um ihn Sorgen macht? Dann haben Sie sicherlich auch einen Namen. Obwohl das mit dem Namen so eine Sache ist. Damit kenne ich mich aus ... Muß aber lange her sein, daß Sie mit ihm Kontakt gehabt haben. Sonst würde ich Ihren Namen kennen. – Weshalb? Na, hören Sie mal, ich kümmere mich schließlich um den Gerd. Und seinetwegen stecke ich im Moment in einem so richtig schönen inneren Zwiespalt, was bei mir etwas heißen will. Denn so einen echten inneren Zwiespalt, das können Sie mir glauben, kenne ich sonst eigentlich gar nicht. Höchstens als Kind, wenn ich nicht wußte, ob ich zwei Kugeln Schokoladeneis und eine Kugel Erdbeereis nehmen sollte oder umgekehrt oder doch lieber einmal Vanille, einmal Schoko und einmal Erdbeer. Ein verdammt blödes Gefühl, das mich auf die Dauer nervös macht und tatsächlich schlecht schlafen läßt. Wenn Sie mich und meine unerschütterliche Loyalität kennen würden – politisch-weltanschauliche Treue ist gemeint, bei Frauen beispielsweise sehe ich das für gewöhnlich etwas anders –, könnten Sie das Ausmaß meiner Verwirrung erst so richtig einschätzen. Seit neuestem nennt man meinen Zustand übrigens kognitive Dissonanz. Klingt vielleicht ein bißchen abgehoben, trifft es aber. Man hört, finde ich, dieses unruhige Hin und Her zwischen verschiedenen, nicht miteinander vereinbaren Gefühlslagen sehr gut heraus. Allerdings – für einen Betroffenen bleibt der Begriff doch eine Spur zu glatt und wissenschaftlich distanziert, denn dieses mentale Gezerre macht einen ganz kribbelig, man möchte sich am liebsten inwendig kratzen. Aber was rede ich? Sie kennen ihn doch garantiert, diesen Aufruhr der Gefühle, wenn Kopf und Herz miteinander in unauflöslichem Widerstreit liegen? Oder sind Sie auch von der sehr viel selteneren Sorte, die sich nicht beirren läßt? Die an dem festhält, was sie einmal als richtig erkannt hat, und deshalb konsequenterweise auch unangenehme Maßnahmen zur Bewahrung des Status quo nicht scheut, mögen sie auf andere noch so hart wirken? Als halsstarrig und unbelehrbar werden wir, die wir so denken und handeln, häufig beschimpft. Und in Sonntagsreden dann wieder als unentbehrliche, weil dem großen Ganzen verpflichtete Stützen der Gesellschaft hervorgehoben. Ja, unbestechlich und absolut verläßlich, so habe ich das immer gesehen, und es gab eine bessere Zeit, in der ich nicht nur sonntags für meine Staatstreue höchste Anerkennung erfahren habe. Daß ich einem Fremden gegenüber mein Inneres derart nach außen kehre, ist sonst nicht meine Art. Ich kann es mir auch gar nicht leisten. Viel zu gefährlich. Linie halten, den Anweisungen folgen und ansonsten schweigen, eben loyal sein, das sind unerläßliche Voraussetzungen für die erfolgreiche Erledigung der mir gestellten Aufgaben. So bin ich erzogen worden. Glücklicherweise habe ich immer aus Überzeugung gehandelt. Beruf und Berufung sind bei mir identisch. – Nein, nein, es geht hier nicht um meine Arbeit als Versicherungsvertreter. Das steht nur so in der Steuererklärung. Können Sie aber schließlich nicht wissen – andernfalls wäre es auch ein Alarmzeichen. Mein wirklicher Beruf ... Sie behalten das für sich, ja? Schon in Ihrem eigenen Interesse. Also ... Warum verrate ich es Ihnen eigentlich? Wo ich Sie doch überhaupt nicht kenne ... Vielleicht gerade deshalb, denn wir werden uns kaum wiederbegegnen ... Kurz und gut: Ich bin mit Herz und Verstand Stasi-Offizier. Wenn ich auch, ehrlich gesagt, das Wort „Stasi“ überhaupt nicht mag. Hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit – das ist korrekt und seriös ... Ein bißchen sperrig? Na gut, Sie haben recht. Aber auf seriös bestehe ich! Stasi, werden Sie jetzt gleich fragen – ich sehe es Ihnen direkt an –, die Stasi, ja, gibt’s die denn noch? Ist die DDR denn nicht schon längst untergegangen? – Nun, leider, leider als geachtetes Mitglied der Völkergemeinschaft, immerhin von weit über hundert Staaten anerkannt und in die UNO aufgenommen, zudem eine Macht im Sport. Allerhöchstes Weltniveau! Und dann einfach so von der offiziellen Landkarte getilgt. Ausgelöscht! Ich könnte alles kurz und klein schlagen vor Wut und Trauer. Andererseits: Glauben Sie wirklich, ein Staat wie die DDR löst sich so einfach in nichts auf? Eine verschworene Gemeinschaft wie die Staatssicherheit, Schutz und Schild der Partei, von einem Tag auf den anderen – verfluchter 3. Oktober! – spurlos vom Erdboden verschwunden? Ha, dazu hättet ihr uns alle an die Wand stellen müssen! Zumindest hätte das Bundesverfassungsgericht uns Führungsoffizieren keine Straffreiheit garantieren dürfen. Was, nebenbei bemerkt, nicht mehr als recht und billig ist. Immerhin haben wir von der Staatssicherheit uns nach den Gesetzen der DDR gerichtet – wir waren gesetzestreu, euer Grundgesetz konnte uns schnuppe sein ... Wie bitte? Ach, hören Sie doch auf mit dem Quatsch, die Stasi hätte auch DDR-Gesetze gebrochen! Wenn Sie so weitermachen, ist unser Gespräch sofort beendet. Ich lasse mir meine Ehre nicht von Ihnen beschmutzen ... Schon gut, ich habe ja schon verstanden: Sie wollen bloß etwas über Gerd und meinen Loyalitätskonflikt erfahren. Ich mache Sie aber gleich darauf aufmerksam, daß das eine nicht von dem anderen zu trennen ist. Immerhin habe ich Gerd Halberegg im Zuge meiner Tätigkeit für die Staatssicherheit kennengelernt. Nein, natürlich nicht vor der Wende – schließlich ist Gerd nie und nimmer ein Verräter, wobei er in diesem Fall für mich selbstverständlichein Kämpfer für Frieden und Gerechtigkeit gewesen wäre ... Also, um nicht gleich wieder in einen Disput über Existenz und Nichtexistenz zu geraten, und zur besseren Unterscheidung wähle ich ab sofort die Bezeichnung „Staatssicherheit im Untergrund“, kurz „Stasiu“... Nee, warten Sie, „Stasu“ hört sich besser an. „Stasu“ für heute und morgen, „Stasi“ für gestern und hoffentlich wieder für übermorgen. Alles klar? Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich andeute, daß die Stasu Ziele verfolgt, die von der hier herrschenden Klasse nicht unbedingt begrüßt werden, um es einmal freundlich auszudrücken. Das muß Ihnen reichen! Übrigens kann ich Sie nur davor warnen, mit dem, was ich Ihnen erzähle, zur Polizei oder sonstwohin zu rennen. Es gibt für unser Gespräch keine Zeugen, und ich werde im Notfall jeden Eid schwören, daß Sie mir völlig unbekannt sind. Man würde dafür sorgen, daß Ihre Wahrnehmungen als zwanghafte Fiktion erscheinen. Sie stünden als verbohrter Verschwörungstheoretiker da und würden deshalb nicht mehr ernstgenommen werden. Tja, das ist der Preis für Ihre ungebetene Annäherung: Ab jetzt gehen Sie keinen Schritt mehr allein. Ich drohe Ihnen? Nennen wir es doch lieber ein Festlegen der Modalitäten. Sie erfahren weit mehr, als Sie ursprünglich überhaupt wissen wollten, und im Gegenzug behalten Sie bestimmte Informationen einfach für sich. Sie werden bald merken: Ihr Schweigen dient einer guten Sache. Oder sind Sie wirklich mit den politischen Verhältnissen in der BRD rundum zufrieden? Ehrlich gesagt, dazu sehen Sie mir viel zu intelligent aus ... Eben. Aber wir werden diese Verhältnisse nur ändern, wenn wir die Ungerechtigkeiten des kapitalistischen Systems entlarven. Um den Leuten die Machenschaften der herrschenden Klasse klar und deutlich vor Augen zu führen, müssen wir leider immer wieder zu konspirativen Methoden greifen. Wenn zum Beispiel offensichtliche Beweise nicht erbracht werden können, weil sich das Objekt geschickt der Observation entzieht, dann muß man eben nachhelfen ... Manipulation? Oberflächlich mögen Sie recht haben, aber wenn Sie einmal für einen Augenblick Ihre kleinlichen Vorurteile vergessen und nüchtern nachdenken, werden Sie zugeben müssen, daß ein gefälschtes Foto dann eigentlich gar keine echte Fälschung ist, wenn es eine Situation zeigt, die Sie zwar so nicht beobachten konnten, von der Sie aber wissen, daß sie genauso oder sehr ähnlich stattgefunden hat oder demnächst stattfinden wird. Solch ein Bild ist sozusagen einer höheren Wahrheit verpflichtet ... Sie nennen das schlichtweg einen kriminellen Akt? Ich nenne das konstruktive Voraussicht! Denn Handlungsweisen muß man immer im Kontext sehen, der Zweck heiligt in unserem Fall doch die Mittel. – Wie dem auch sei, die Stasu suchte jedenfalls jemanden, der Fotos wunschgemäß bearbeiten kann, und stieß dabei – wir kommen zum Thema – auf Gerd Halberegg. Ja, da staunen Sie! Ihr Schulfreund ist ein absoluter Könner auf dem Gebiet der Fotobearbeitung, und das schon lange vor Erfindung von Photoshop und vergleichbarer Software. Umso ärgerlicher, daß er solche Sachen nicht mehr macht. „Sie sind bei mir an der falschen Adresse“, unterbrach er mich seinerzeit schroff, kaum daß ich aus dem Nebel behutsam vorfühlender Kontaktaufnahme mein wahres Anliegen deutlicher hervortreten ließ. „Ich weiß nicht, wie Sie an meinen Namen gekommen sind, aber ich übernehme schon lange nicht mehr derartige Fotoarbeiten.“ Eine andere Adresse konnte oder wollte er mir nicht nennen. Nun, früher hätte die Firma das natürlich selbst erledigt. Aber die Stasu ist leider umständehalber nicht so perfekt ausgestattet, uns fehlen manchmal doch die passenden Fachleute und die alles durchwebende Infrastruktur. Es wird aber garantiert besser werden. Immerhin bringen wir die Erfahrung von...