E-Book, Deutsch, Band 6, 184 Seiten
Reihe: Dagolf-Sennwang-Reihe
Sanden Tödliches Theater
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7534-6699-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 6, 184 Seiten
Reihe: Dagolf-Sennwang-Reihe
ISBN: 978-3-7534-6699-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In der Steiner Burg, Aushängeschild des malerischen Städtchens Eppenstein, beginnen die Proben für die jährlichen Theaterfestspiele. Doch wenig später liegt der Intendant Gregor Winzer tot im Burghof. Die Festspiele gehen trotzdem unter Leitung der Witwe Anna Winzer weiter. Ehe der Fall geklärt ist, wird der Geschäftsführer der Theater GmbH erschossen. Der Staatsanwalt holt zur Unterstützung der Kriminalisten Schuster und Piel, denen er nicht allzu viel zutraut, die LKA-Beamten Maria Braud und Florian Silberfischer. Unter Brauds energischer Leitung beginnen die Ermittlungen. Sie fördern einige Überraschungen zutage.
Wolfgang Sanden, 1946 in Hildesheim geboren, übte nach Abitur und Mathematikstudium dreißig Jahre lang verschiedene Berufe in der IT-Branche aus. Unter anderem war er als Programmierer, Systemanalytiker, Berater, Qualitätsmanager und Ausbilder tätig. In jener Zeit konnte er sich dem Schreiben nur sporadisch widmen. Heute arbeitet Wolfgang Sanden als freier Schriftsteller.
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Erster Akt
Es war kurz nach elf Uhr. Langsam ging Gregor Winzer, Intendant des »Theaters in der Steiner Burg«, zu seinem Platz am Kopfende des Tisches. Dort blieb er stehen und schaute auf die muntere Gesellschaft. Das Begrüßungszeremoniell der Schauspieler mit den in diesem Kreis üblichen überschwenglichen Umarmungen und Küßchen wollte nicht enden. Etliche kannten sich schon länger, waren sie doch öfters gemeinsam in der Steiner Burg aufgetreten. Es gab viel zu erzählen, denn man hatte sich nach dem Ende der letztjährigen Festspiele viele Monate nicht mehr gesehen. Wie seit Jahren üblich, fand der Startschuß zur neuen Spielzeit im altehrwürdigen Eppensteiner Rathaus statt. Die Stadtoberen stellten hierfür freundlicherweise den kleinen Besprechungsraum im zweiten Stock unentgeltlich zur Verfügung. »Hallo, darf ich um ein wenig Ruhe bitten? Ich würde jetzt ...« Winzers Worte gingen im wiehernden Gelächter einer kleinen Gruppe auf der linken Seite unter. Er lief rot an, richtete sich zu voller Größe auf und wurde richtig laut: »Ruhe, liebe Leute!« Das wirkte tatsächlich. Noch ein paar wenige huschten möglichst unauffällig zu ihrem Platz, letzte Gluckser erstarben, die allermeisten Gesichter drehten sich dem Intendanten zu. »Ich möchte euch alle sehr herzlich zur neuen Spielzeit in der Steiner Burg begrüßen ...« »Gregor, wir sind noch nicht vollzählig«, unterbrach Peter Bömmel, der Geschäftsführer. »Bella und Luc fehlen noch.« »Die kommen doch immer zu spät«, rief jemand dazwischen. »Das sind doch Stars.« »Altstars – beziehungsweise ein Altstar.« Diese Bemerkung vom anderen Ende des Tisches rief ein leicht schadenfrohes Gekicher hervor. »Wenn es weiter nichts ist«, Winzer machte eine wegwerfende Handbewegung, »dann mache ich jetzt trotzdem weiter. Also noch einmal ein herzliches Willkommen. Viele Worte will ich nicht machen, denn es liegt wieder eine ganze Menge Arbeit vor uns. Arbeit, die uns allen aber hoffentlich auch viel Spaß bringen wird. Ich freue mich besonders, daß ...« Die Tür wurde nachdrücklich geöffnet, und herein spazierten Bella Bellini und Luc Luckner, der huldvoll die rechte Hand hob. Sie in goldfarbener Windjacke, farbiger Bluse, weißer Hose und goldfarbenen Sportschuhen. Das wirkte zusammen mit den dunkel gefärbten halblangen Haaren auf den ersten Blick durchaus jugendlich. Von ihm mit dem breitkrempigen schwarzen Hut, dem locker um den Hals geschlungenen grauen Schal, dem dunklen Sakko und der grauen Hose ging etwas Bedeutsames aus, wozu das scharfgeschnittene, faltenakzentuierte Gesicht und die noch immer sehr blauen Augen nicht unwesentlich beitrugen. Der Altersunterschied zwischen den beiden schien nicht unerheblich zu sein. »Entschuldige bitte, Gregor«, Luckners wohlklingende Stimme in Baritonlage füllte den Raum, »aber für meine liebste Bella war es doch ein wenig früh.« Charmant lächelnd wies er mit einer spielerischen Geste, die locker aus dem Handgelenk kam, auf seine Frau. »Wo dürfen wir Platz nehmen? Ach, ich sehe schon, da vorne. Laß dich nicht weiter stören, Gregor.« Gemessenen Schrittes gingen die beiden zu den freien Plätzen hinüber, geräuschvoll setzten sie sich. Winzer begrüßte die Nachzügler und drückte seine Freude darüber aus, daß ein so berühmtes Paar den Festspielen auch in diesem Jahr Glanz verleihen werde. Dann kehrte er in seiner Rede dorthin zurück, wo er unterbrochen worden war. »Der schönste Lohn für eine Schauspielerin, einen Schauspieler ist bekanntlich der Applaus. Und den bekommt man nur für gute Leistungen. Auch Theater ist Teamarbeit. Aber wem sage ich das. Daß wir alle zu einer Mannschaft zusammenwachsen, einer Einheit, die das Publikum begeistert, dafür steht an zentraler Stelle der Regisseur – und ein bißchen auch der Intendant.« Winzer machte eine Pause. Erwartete er eine positive Reaktion auf sein halbernstes Selbstlob? Als diese ausblieb, fuhr er fort: »Leute, ich freue mich mächtig, daß wir nach drei Jahren endlich wieder unseren Karl-Maria Horn als Regisseur gewinnen konnten. Ihn vorzustellen, hieße Eulen nach Athen tragen.« In Winzers Klatschen fielen die übrigen, teilweise zögernd, ein. KMH, wie er überall nur hieß, wehrte den Beifall in gespielter Bescheidenheit ab, indem er die geöffneten Hände beschwichtigend mehrmals auf und ab bewegte. Er hatte ein rundes Gesicht, eine Halbglatze, deren Haare straff nach hinten gekämmt und zu einem graumelierten Pferdeschwänzchen zusammengebunden waren, trug eine Sonnenbrille, hinter der er seine Glubschaugen verbarg, und war ganz in schwarz gekleidet. Für einen kurzen Augenblick zeigte er ein arrogantes Lächeln. »Der Einfachheit halber gehe ich jetzt im Uhrzeigersinn vor und beginne von mir aus gesehen hier vorne links. Da haben wir das Urgestein der Steiner Burg, wenn ich mir dieses Wortspiel mal erlauben darf. Unser lieber Nikolaus Pfenning hält den Festspielen beinahe von Anbeginn die Treue. Schon 1982, nur ein Jahr nach Festspielgründung durch meinen Vater, war er dabei. Unvergessen dein Teufel im Jedermann, Nikolaus.« »Um genau zu sein, lieber Gregor: Ich bin erst 1983 nach Eppenstein gekommen«, antwortete Pfenning mit kratziger Altmännerstimme. »Aber Zahlen waren ja noch nie deine Stärke«, schob er zur allgemeinen Belustigung nach. Man konnte kaum glauben, daß dieses kleine Männchen mit den nach vorne gekämmten weißen Haaren und der im Alter noch schärfer gewordenen Nase einst in einer derart wichtigen Rolle aufgetreten sein sollte. Viele kannten Pfenning aus dem Fernsehen, wo er öfters in einmal mehr, einmal weniger anspruchsvollen Nebenrollen auftrat, wenn auch in den letzten Jahren mit deutlich abnehmender Frequenz. Neben ihm saß, und das war nun ein wirklicher Kontrast, in der Frische seiner sechsunddreißig Jahre Markus Kauffmann, dessen selbstbewußtes Lächeln nur eines ausdrückte: »Ich weiß, daß ich verdammt gut aussehe.« Die beiden jungen Frauen in der Runde schauten ihn daher auch mit einigem Interesse an. Etwas mehr lag im Blick von Bella Bellini, die ihm schräg gegenüber saß. Auch Kauffmann war nicht zum ersten Mal Gast in der Steiner Burg. Nicht weniger selbstbewußt gab sich die überschlanke Iris Gerber, die die unangenehme Tatsache, daß sie noch in diesem Jahr siebzig wurde, mit einem sehr sorgfältig aufgetragenen Make-up recht erfolgreich – zumindest aus gebührendem Abstand betrachtet – zu kaschieren wußte. Früher einmal war ihr Name öfters in den Klatschspalten zu finden gewesen. »Ja, und dann kommt Charly Hübscher.« Triumph lag in Winzers Stimme. »Es ist nicht ganz einfach gewesen, Charly für so viele Wochen loszueisen. Es spricht für unsere Festspiele, daß er trotz seinen zahlreichen Verpflichtungen zugesagt hat. Vielen herzlichen Dank, Charly! Auf deinen Dorfrichter Adam bin ich schon jetzt aufs äußerste gespannt.« Tatsächlich war dieses gestandene Mannsbild Anfang vierzig, der mit seinem unbeholfen wirkenden Charme die Zuschauer sofort für sich einnahm, in den zurückliegenden Monaten häufig im Fernsehen zu sehen gewesen, und es hieß, er werde demnächst zum Tatort-Kommissar befördert werden. Jetzt grinste er nur breit und meinte: »Für dich, Gregor, gerne.« Bei Folker Rauscher und Dieter Tiefenbach handelte es sich um angegraute Lokalmatadoren, die man höchstens aus nachmittags gesendeten Soaps und Werbefilmchen kennen konnte. Als nächstes folgten die bereits erwähnten jungen Frauen. Vanessa Frazer war eine unechte Blondine mit einem hübschen Gesicht. Sie wirkte allerdings ein bißchen blasiert. Anders die dunkelhaarige, rundgesichtige Madalena Müller, die ihre Verlegenheit kaum verbergen konnte. Beide wurden von Winzer als hoffnungsvolle Nachwuchskräfte betitelt. Till Steiger hingegen ließ keinerlei Selbstzweifel erkennen. Er hatte in der durchaus erfolgreichen Filmkomödie »Auch Männer dürfen weinen« mitgespielt und für seinen Jan Janssen mit dem Lachstürme auslösenden Lispeln – es handelte sich allerdings um eine Nebenrolle – ein paar gute Kritiken abbekommen. Julia Gelhard, hellbraunes, mittellanges Haar, Anfang bis Mitte dreißig, lächelte bei ihrer Vorstellung offen in die Runde. Sie war der Typ Frau, der, obwohl eigentlich nicht besonders hübsch, die Gedanken von Männern unwillkürlich in eine ganz bestimmte Richtung lenkte. »Zu Bella und Luc brauche ich ja nichts mehr zu sagen. Und mein Sohn Friedrich kann heute leider nicht dabei sein. Er schreibt gerade eine Englisch-Klausur. Bliebe noch der junge Mann dort hinten, den ich eben bewußt übergangen habe.« Der Intendant lachte. »Lukas Cramer ist nämlich kein Schauspieler, sondern wird in dieser Spielzeit unser technischer...




