Sapper | Ohne den Vater | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 120 Seiten

Sapper Ohne den Vater

Historischer Roman: Erster Weltkrieg (Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur)
1. Auflage 2017
ISBN: 978-80-272-0880-7
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Historischer Roman: Erster Weltkrieg (Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur)

E-Book, Deutsch, 120 Seiten

ISBN: 978-80-272-0880-7
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Agnes Sappers Roman 'Ohne den Vater' taucht den Leser in die Welt des späten 19. Jahrhunderts ein und erzählt die Geschichte einer Familie, die mit dem Verlust des Vaters umgehen muss. Der Roman zeichnet sich durch einen einfühlsamen und detaillierten literarischen Stil aus, der die Emotionen und inneren Konflikte der Protagonisten auf beeindruckende Weise einfängt. Sapper schafft es, die damaligen gesellschaftlichen Normen und Zwänge mit einer feinen Beobachtungsgabe darzustellen, die den Leser in die Zeit eintauchen lässt. Durch die authentische Darstellung der Charaktere und ihrer Beziehungen untereinander wird der Leser auf eine emotionale Reise mitgenommen, die zum Nachdenken anregt und lange nachwirkt. Agnes Sapper, eine bekannte deutsche Schriftstellerin des späten 19. Jahrhunderts, schöpft aus ihren eigenen Erfahrungen und Beobachtungen, um die Geschichte von 'Ohne den Vater' mit Tiefe und Authentizität zu füllen. Als Frau in einer männlich dominierten Literaturszene schafft sie es, die inneren Kämpfe und Stärken ihrer weiblichen Charaktere auf eindrucksvolle Weise darzustellen. Ihr Werk reflektiert die sozialen und familiären Strukturen der Zeit und wirft dabei auch einen kritischen Blick auf die Rolle der Frauen in der Gesellschaft. 'Ohne den Vater' ist ein beeindruckendes literarisches Werk, das Leser mit seiner emotionalen Tiefe und literarischen Qualität fesseln wird. Es ist ein Buch, das nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt und einen Einblick in vergangene Zeiten bietet. Für Liebhaber historischer Romane und anspruchsvoller Literatur ist 'Ohne den Vater' von Agnes Sapper ein Muss.

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Drittes Kapitel.


Im Verlauf der langen, mühseligen Reise erfuhr Gebhard, daß nicht der Großmutter Haus das Reiseziel sein sollte; in der Mutter Heimat, bei Onkel und Tante Kurz, sollten sie ihre Zuflucht suchen. Es war eine Enttäuschung für ihn; die Großmutter kannte und liebte er, die Verwandten der Mutter waren ihm fremd. Helene suchte ihm Lust zu machen. "Onkel und Tante haben uns längst eingeladen; sie können uns viel leichter aufnehmen als die Großmutter; sie haben ein eigenes Landhaus vor der Stadt, mit einem Garten; du wirst sehen, daß wir's gut bei ihnen haben."

"Aber wenn der Vater zurückkommt, der wird uns bei der Großmutter suchen!"

"Wir schreiben der Großmutter, wo wir sind!"

"Kommt dann der Vater zu uns, weiß er, wo das ist?"

"Aber freilich weiß er das, Gebhard. Bei meinem Bruder und seiner Frau war ja unsere Hochzeit, dort hat mich der Vater geholt, weil ich keine Eltern mehr habe. Mein Bruder hat mich auch so lieb, weißt du, fast wie wenn ich sein Kind wäre. Er ist viel älter als ich." Gebhard überlegte. "Ja, dann kann ich das schon begreifen, daß du zu ihm möchtest."

Seufzend ergab er sich.

Nach manchem unfreiwilligen Aufenthalt und schier unerträglicher Fahrt kam Helene mit den beiden Kindern am späten Abend an ihrem Bestimmungsort an. Wohl hatte sie ihr Kommen angekündigt, aber Tag und Stunde voraus anzugeben, war in dieser Zeit unmöglich. So stand sie nun in dunkler Nacht, mit den übermüdeten Kindern, mit dem Hund und vielem Gepäck auf dem Bahnsteig, und wußte nicht, wie sie nun bis in ihres Bruders Haus kommen sollte. Alles an dem Bahnhof hatte ein anderes Aussehen als früher. Befremdet sah Helene um sich. Sie hatte nicht gedacht, daß auch auf dem Bahnhof dieser kleineren Stadt die Kriegszeit sich so bemerklich machte. An ihr vorbei eilte eine weibliche Gestalt in großer, weißer Schürze, am Ärmel mit dem Roten Kreuz gezeichnet. Einen Eimer heißen Tee am Arm ging sie von Wagen zu Wagen und bot den durchreisenden Soldaten die Labung an. Einer derselben, ein Landwehrmann, lehnte dankend ab. "Wir haben erst in der vorigen Station Tee bekommen, aber wenn Sie sich um die junge Frau mit den Kindern da drüben annehmen wollten, die haben mich schon lang gedauert, sie sind aus ihrer Heimat vertrieben!"

Die Helferin wandte sich nach der bezeichneten Stelle, sah die hilflose Gruppe und ging sofort darauf zu. "Reihen Sie noch weiter, kann ich Ihnen helfen?" frug sie Helene. Aber als sie dicht voreinander standen, erkannten sich die beiden Frauen. Sie waren einst zusammen in die Schule gegangen.

"Ich habe dich gar nicht gleich erkannt, Helene; ist das dein Kindchen? Hast du allein reisen müssen? Dein Mann ist wohl einberufen? Du Ärmste, du siehst so angegriffen aus. Wirst du nicht abgeholt? Nein? Warte nur ein klein wenig, ich helfe dir. Sieh, dort ist eine Bank, setzt euch einstweilen!" Sie eilte wieder an den Zug, da und dort wurde sie angerufen und um Tee gebeten.

Ein blutjunger Freiwilliger reichte eine Postkarte heraus, bat, man möchte ihm die Liebe erweisen, sie einzuwerfen, weil seine Mutter sich gar so sehr um ihn sorge. So war sie voller Tätigkeit, bis der Zug wieder davon fuhr. Dann aber eilte sie zu der kleinen Gruppe müder Menschen, die auf sie harrten, und es gelang ihr, einen Wagen für sie aufzutreiben und sie samt Gepäck und Hund glücklich darin unterzubringen. "Zu Fabrikant Kurz," lautete die Anweisung für den Kutscher.

Die Fahrt ging durch dunkle Straßen, denn an den Laternen wurde gespart in dieser Kriegszeit. Fast Mitternacht war es, bis sie am Haus hielten, aber doch war ein Fenster noch erleuchtet und wurde bei dem Anfahren des Wagens geöffnet. "Wer kommt?" rief eine Stimme von oben. "Wir sind's, Bruder!"

Einen Augenblick später wurde die Haustüre geöffnet und der Bruder, Fabrikant Kurz, hieß seine nächtlichen Gäste willkommen. "Verzeih, daß wir euch so spät bei Nacht ins Haus fallen," sagte Helene, "es ließ sich nicht ändern."

"Es ist für mich nicht spät, ich habe jetzt oft bis in die Nacht hinein zu arbeiten. Aber gehört denn der Hund auch zu euch? Den habt ihr mit hieher gebracht?" Mißfällig betrachtete er Leo, der sich an Gebhard drängte.

"Es ist Gebhards Liebling, sie sind so anhänglich aneinander!" Herr Kurz beachtete jetzt erst seinen kleinen Neffen.

"Das ist also Gebhard? Wir waren eigentlich der Meinung, er käme zu seiner Großmutter; aber kommt nur herauf, es sind zwei Gastzimmer gerichtet. Was ist mit deinem Mann, ist er einberufen?"

"Nein; er wird bald nachkommen."

"Warum hat er dich nicht auf der langen Reise begleitet? Muß er noch im Forsthaus bleiben?"

Helene zögerte mit der Antwort. "Ich erzähle dir das morgen. Wir sind so müde, wenn wir uns vielleicht gleich legen dürften!"

"Ihr müßt doch vorher essen!"

"Danke, wir bekamen unterwegs was wir brauchten, nur Ruhe möchten wir."

Der Hausherr hatte dem Stubenmädchen geklingelt, das erschien nun um an Stelle der Hausfrau, die nicht gestört werden sollte, für die Gäste zu sorgen.

Ein schönes Gastzimmer mit allen Bequemlichkeiten war für Helene gerichtet, auch ein Kinderwagen stand bereit. Gerührt dankte sie dem Bruder für diese Fürsorge. Die Kleine, die schlafend angekommen war, erwachte jetzt und fing kräftig an zu schreien. Der Hausherr, der selbst keine Kinder hatte, sah ratlos auf das kleine, ungebärdige Wesen, befahl dem Mädchen alles weitere zu besorgen und wünschte der Schwester gute Nacht. Gebhard nahm er mit sich, Leo folgte. "Wenn nur der Hund die Nachtruhe nicht stört!" sagte der Onkel, während sie die Treppe hinauf gingen.

"Vor meiner Tür wird er gewiß ruhig liegen bleiben," versicherte Gebhard.

"Das wird sich zeigen. Wenn Hunde in fremde Umgebung kommen, heulen sie oft. Mich wundert, daß dir dein Vater erlaubt hat ihn mitzunehmen!"

"Der Vater war gar nicht da, als wir abgereist sind." Gebhard hatte das kaum gesagt, so merkte er, daß er besser darüber geschwiegen hätte.

"Wo ist denn dein Vater?" Was sollte Gebhard darauf antworten? Er wußte es nicht.

"Ich meine wo dein Vater war, als ihr flüchten mußtet? Blieb er im Forsthaus zurück?"

"Nein." Die sichtliche Verlegenheit des Knaben fiel dem Manne auf. Es mußte etwas geschehen sein, was Mutter und Sohn nicht gern sagten.

Er wollte nicht weiter in das Kind dringen. Im oberen Stock des Hauses war ein zweites Gastzimmer bereitet, fein und vornehm war auch hier die Einrichtung. "Kommst du allein zurecht?" fragte der Onkel, "oder soll ich dir das Stubenmädchen heraufschicken?"

"Nein danke, ich kann alles allein machen. Aber bitte, Onkel, wenn ich Leo eine Strohmatte oder eine Decke vor meine Tür legen dürfte; er versteht dann, daß er da hingehört."

Es fand sich eine Matte und der Hund nahm verständig seinen Platz ein. Onkel und Neffe wünschten sich gute Nacht. Gebhard lag bald in dem feinen Gastbett. Aber unter dem fremden Dach in dem einsamen Schlafgemach überfiel ihn ein bitteres Heimweh und trotz aller Müdigkeit konnte er nicht einschlafen. So weit, weit weg war er vom Forsthaus! Und der Vater, wo war der? Der Vater, von dem man jetzt gar nicht reden konnte, während man früher so stolz auf ihn war! Dem kleinen Burschen war zumute, wie wenn ihm der Boden unter den Füßen wankte, da mit der Heimat zugleich die klaren Verhältnisse der glücklichen Kinderzeit schwanden, in denen er festgewurzelt war.

Wenn wenigstens die Mutter nebenan schliefe oder etwas von der Kleinen zu hören wäre, aber gar so einsam war es hier oben! Lange wehrte sich Gebhard als tapferer, kleiner Mann gegen die Tränen; endlich kamen sie doch, das Schluchzen ließ sich nicht mehr unterdrücken und schüttelte seinen Körper.

Mitten in der nächtlichen Stille wurde ein Laut hörbar. Gebhard setzte sich auf, lauschte und vernahm ein leises Winseln vor der Türe. Sicher hatte das wachsame Tier seines kleinen Herrn Schluchzen vernommen und war beunruhigt. Oder hatte es selbst Heimweh? Noch einmal derselbe ungewohnte Laut. Es klang so traurig! Da mußte Gebhard trösten. Er tastete sich in der Finsternis an die Türe und hatte kaum einen Spalt geöffnet, so zwängte sich der Hund herein und drängte sich mit freudigem Bellen an seinen Herrn.

"Still, still!" mahnte Gebhard und das gut gezogene Tier verstummte sofort, aber es wedelte und bezeugte seine größte Freude. "Ja, ja, du darfst hier bleiben," flüsterte Gebhard, "du hast Heimweh; komm her!" Er holte leise die Matte herein und legte sie neben sein Bett. "So, dann sind wir beisammen, ganz nahe. Leg dich!"

Vom Bett aus konnte Gebhard seinen Leo streicheln. Nun wich das Gefühl der Einsamkeit, vorbei war's mit den nächtlichen Tränen. Schon nach wenigen Minuten hatten die beiden guten Kameraden den Schlaf gefunden.

In der Frühe des nächsten Morgen, noch ehe es heller Tag war, schreckte Helene auf durch ein Klingeln an der Haustüre. Wer kam so frühe? Sicher ihr Mann oder doch eine Nachricht von ihm! Im Nu warf sie einen Morgenrock um, eilte hinaus an die Treppentüre, denn sie selbst wollte ihm öffnen, ihn hereinführen in ihr Zimmer, ihn lieb haben. Ach—beschämt stand sie vor dem Milchmann und vor dem Küchenmädchen, die beide mit erstaunten Augen auf die junge Frau schauten; ohne ein Wort kehrte sie in ihr Schlafzimmer zurück.

Das war die erste Enttäuschung und es folgten jede Stunde neue, denn der sehnlich Erwartete kam nicht, und keine Post brachte Nachricht von ihm.

Bruder und Schwägerin ließen sich's einen ganzen Tag gefallen, im Unklaren zu bleiben...



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