Sarimski | Frühgeburt als Herausforderung | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band Band 1, 216 Seiten

Reihe: Klinische Kinderpsychologie

Sarimski Frühgeburt als Herausforderung

Psychologische Beratung als Bewältigungshilfe

E-Book, Deutsch, Band Band 1, 216 Seiten

Reihe: Klinische Kinderpsychologie

ISBN: 978-3-8444-2989-3
Verlag: Hogrefe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Europaweit kommen jedes Jahr mehr als 600.000 Kinder zu früh zur Welt. Trotz der immensen Fortschritte, die die neonatologische Intensivmedizin gemacht hat, bleibt die Entwicklungsprognose eines sehr unreif geborenen Kindes bis heute ungewiss. In der 2., vollständig überarbeiteten Auflage des Buches werden die Forschungsergebnisse zur Entwicklungsprognose und ihren Einflussfaktoren, zu den Möglichkeiten individualisierter Pflege auf der Station sowie zu den Belastungen der Eltern beschrieben. Weiterhin wird auf die Herausforderungen der Eltern eingegangen, vor denen sie während der stationären Behandlung und in den folgenden Jahren stehen.
Differenziert werden die pädagogisch-psychologischen Aufgaben in der Betreuung der Familien nach der Entlassung aus der Klinik dargestellt. Dazu gehören die Stärkung der elterlichen Bewältigungskräfte, die Unterstützung entwicklungsförderlicher Interaktionen im Alltag und der Umgang mit Regulationsstörungen der Kinder. Es werden auch besondere Belastungen, wie z.B. die Technologieabhängigkeit der Kinder, die Auseinandersetzung mit traumatisierenden Erfahrungen, die Begleitung der Eltern sterbender Kinder, berücksichtigt. Das Vorgehen bei der Beratung und Betreuung der Familien wird anhand von Fallbeispielen veranschaulicht.
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Zielgruppe


Psycholog_innen,Berater_innen, Pädiater_innen, Pflegekräfte, Hebammen, Sonder- und Heilpädagog_innen, Ergo-, Sprach- und Physiotherapeut_innen.


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


|1|Einführung: Wenn das Leben zu früh beginnt …
Beispiel: Anna kam vierzehn Wochen zu früh zur Welt Nachdem die Herzschläge des Kindes immer schlechter wurden, entschieden die Ärzte, das Kind durch Kaiserschnitt zu holen. Als ich aufwachte, hörte ich meinen Mann sagen, dass Anna verhältnismäßig groß sei, nämlich 34 cm und 730 g schwer. Ich war im ersten Moment nur glücklich, dass Anna überhaupt am Leben war. Am nächsten Tag bekam ich gleich ein Foto von ihr, wie sie im Inkubator liegt. Ich war wahnsinnig stolz auf sie. Als ich sie zum ersten Mal sehen konnte, war ich sehr aufgeregt. Fasziniert. Diese wahnsinnig winzigen Händchen und Füße! Finger wie ein Streichholz, die Füße so lang wie ein Daumenglied von mir! Aber es war alles dran an ihr, nur wahnsinnig winzig. – Die vielen Kabel, Elektroden und Schläuche, mit denen fast der ganze Körper bedeckt war, störten mich nicht. Nur wenn der Monitor Alarm gab, erschreckte ich mich. Es beruhigte mich, wenn ich sah, dass es ihr gut ging. Ganz anders war jedoch die Zeit zu Hause. Ein Telefonanruf zu einer außergewöhnlichen Zeit erschreckte mich sehr, immer in Angst, es könnte das Krankenhaus sein. Es überkam mich auch plötzlich die Angst, sie könnte doch noch sterben. Ich hatte Alpträume, wie es weitergehen würde, wenn sie doch noch sterben würde. Ein ganz großer Moment war es für mich, als ich sie das allererste Mal auf den Arm nehmen durfte. Sie bekam eine kleine Mütze auf und wurde in ein angewärmtes Tuch gehüllt. Endlich hatte ich meine kleine Tochter, nicht einmal ein Kilogramm schwer, auf meinem nackten Oberkörper liegen. Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Trotz der immensen Fortschritte, die die neonatologische Intensivmedizin gemacht hat, bleibt die Entwicklungsprognose eines sehr unreif geborenen Kindes – wie Anna – bis heute ungewiss. Ein Teil der Kinder ist dauerhaft behindert in ihrer körperlichen oder geistigen Entwicklung, bei einem anderen Teil der Kinder zeigen sich leichtere Entwicklungsprobleme, die die Bewältigung der späteren Anforderungen in der Schule und im sozialen Leben erschweren. Andere Kinder entwickeln sich trotz des schwierigen Starts ins Leben völlig altersgemäß (vgl. Kapitel 1). |2|Eine bestmögliche Prävention durch die Früherkennung von Entwicklungsabweichungen, eine auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes abgestimmte Pflege und Förderung sowie Hilfen zur Entwicklung einer stützenden, tragfähigen Eltern-Kind-Beziehung sind wichtige Ziele, die mit hoher Priorität verfolgt werden sollten. Beginnend schon auf der Station, denn die Welt dort ist ganz anders als die Welt im Mutterleib: laut, hell und schmerzhaft (vgl. Kapitel 2). Aber nicht nur für das Baby ist die zu frühe Geburt ein Schock. Viele Eltern beschrieben sie als Alptraum: Trennung vom Kind, Sorge um sein Überleben, dann Angst vor der Zukunft und drohender Behinderung, Gefühle der Zerrissenheit zwischen häuslichen und beruflichen Anforderungen, womöglich der Versorgung anderer, älterer Kinder, und dem Wunsch, dem Frühchen nahe zu sein, Hilflosigkeit und Ohnmacht, so wenig für sein Wohlergehen tun zu können (vgl. Kapitel 3). Sie sehnen den Tag der Entlassung herbei – wenn keine zusätzlichen Komplikationen eintreten, nach zwei, drei Monaten, etwa zum errechneten Geburtstermin. Doch die Zeit danach erweist sich oft als auf andere Weise schwierig. Die Last der Verantwortung, die Angst, etwas falsch zu machen, die fortbestehende Sorge um die künftige Entwicklung des Kindes usw. (vgl. Kapitel 4). Die Eltern von Anton, geboren in der 25. Schwangerschaftswoche (SSW) mit einem Geburtsgewicht von 490 g, zu diesem Zeitpunkt über drei Jahre alt, erzählen: Beispiel: Anton, geboren in der 25. SSW Während des fast sechsmonatigen Krankenhausaufenthalts waren wir sehr zuversichtlich, dass dann zu Hause alles besser laufen würde. Die Fahrerei ins Krankenhaus würde wegfallen, täglich eine bzw. mehrere Besuchsfahrten. Als Anton dann nach Hause kam, waren wir zuerst sehr glücklich und zufrieden über das Erreichte. Doch schon nach kurzer Zeit ergaben sich neue Probleme, ganz anders als im Krankenhaus. Er musste alle drei Stunden gefüttert werden, rund um die Uhr. Alle anderen Arbeiten im Haushalt, die bereits während der Krankenhauszeit völlig zu kurz kamen, konnten jetzt auch nicht zufriedenstellender erledigt werden. Er ging vor, die beiden anderen Kinder, die ganze Hausarbeit litten darunter. In der Folgezeit kam es laufend zu Erkrankungen von Anton. Die Arztbesuche, Therapien (Ergotherapie, Krankengymnastik, Sehbehindertenfrühförderung) verschafften uns einen vollen Terminkalender. Nahezu jeden Tag war ein Termin wahrzunehmen. Hinzu kam, dass bei manchen Problemen der Facharzt, der Kinderarzt und auch die Ärzte der Neugeborenenstation, die ihn und seine zurückliegenden Komplikationen kannten, zu unterschiedlichen Bewertungen kamen. Wir fühlten uns oft überfordert und ratlos. Wir wollten ja nur das Beste für Anton. |3|Einige der frühgeborenen Babys schreien sehr viel, finden kaum zur Ruhe, lassen sich schlecht füttern und schlafen sehr unruhig. Es gilt, problemorientierte Lösungsstrategien zu finden, ohne dass die Eltern sich selbst die Schuld an diesen alltäglichen Schwierigkeiten geben und die Freude an ihrem Kind verlieren (vgl. Kapitel 5). Manche Babys kommen auch nach der Entlassung nicht ohne apparative Hilfen zur Überwachung ihrer Körperfunktionen (Monitor) oder zur Beatmung (externe Sauerstoffversorgung) aus und stellen ihre Eltern vor besondere Herausforderungen (vgl. Kapitel 6). Noch einmal erinnert sich Annas Mutter: Beispiel: Anna (Forts.) Ein paar Anmerkungen zum Thema Monitor: Unser Monitor war so groß wie ein Kofferradio, den man immer dann in Betrieb nahm, sobald Anna schlief. Das bedeutete auch, dass, wenn ich mit ihr unterwegs war, er unser ständiger Begleiter war. Meine Nerven wurden durch dieses Gerät sehr strapaziert. Auf der einen Seite verlieh mir das Gerät eine Art von Sicherheit. Ich konnte nachts schlafen und war beruhigt, denn im Notfall würde er Alarm geben. Auf der anderen Seite machte ich mir oft große Sorgen, wenn ich die Herz- und Atemfrequenz von Anna sah, da sie teilweise sehr stark abfielen. Aber es gab dann immer drei Möglichkeiten: (1) Diese Werte sind völlig normal bei einem Säugling. (2) Das Gerät funktioniert nicht richtig, weil vielleicht die Elektroden nicht richtig sitzen. (3) Dem Kind fehlt etwas, was man aber als Laie nur schwer feststellen kann. Als Anna etwas älter wurde, wurde sie natürlich auch immer beweglicher in ihrer Wiege. So kam es vor, dass sie selber Alarm auslöste, indem sie einfach die Elektroden abriss. Meistens war sie von dem schrillen Ton selber so erschrocken, dass sie froh war, wenn wir den Lärm wieder abstellten. Ein weiteres Problem war, dass wir Anna nicht einfach jemandem für ein paar Stunden geben oder uns abends einen Babysitter gönnen konnten. Wir mussten ja immer davon ausgehen, dass das Gerät wirklich einmal einen ernsthaften Alarm auslösen konnte und dann musste derjenige auch richtig handeln können. Das konnte und wollte ich nicht jedem zumuten. Nicht immer können Eltern ihre Fürsorge für das Kind auf eine stabile eigene Persönlichkeitsentwicklung und sichere Beziehung zu ihrem Partner aufbauen. Manchmal sind sie selbst nicht in stützenden, vertrauensvollen Beziehungen aufgewachsen oder ihr Vertrauen auf sich selbst ist durch einen schweren Verlust – z.?B. den frühen Tod eines anderen Kindes – erschüttert worden (vgl. Kapitel 6). Psychotherapeutische Hilfen sind hier angezeigt, um die durch die zu frühe Geburt des Babys reaktivierten Trennungs- und Verlusterlebnisse oder ungelöste Trauer bearbeiten ...


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