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E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Schairer Die Sterne vom Himmel holen


1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-89741-990-2
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

ISBN: 978-3-89741-990-2
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Paulina ringt mit sich und dem Leben. Sie ist Mitte zwanzig und noch immer in der Ausbildung. Da verliert sie obendrein ihren Brotjob im Call-Center und bei der geliebten Oma geht auch noch die Gastherme kaputt. In Omas Wohnung wohnt leider auch Paulina selbst - ein Grund mehr, dringend Geld zu verdienen! In ihrer Not nimmt die junge Frau einen Job als Escort-Girl an. Sex zu verkaufen ist für sie allerdings tabu. Aber warum nicht jemanden gegen Bezahlung zum Essen begleiten?
Überraschend ist es eine Frau, die Paulinas Escort-Service in Anspruch nimmt. Paulina sagt den Auftrag mit Erleichterung zu – mit Männern kann sie ohnehin wenig anfangen. Der Mensch, der ihr eines Tages die Sterne vom Himmel holen wird (wie ihre Großmutter immer sagt), wäre jedenfalls kein Mann. Im Moment aber hat sie mit ihrer ewigen Schwermut und bedrückenden Geldproblemen ohnehin andere Sorgen.
Die Kundin erwartet sie im Wiener Grand Hotel: Johanna Engel ist gebildet, attraktiv – und körperlich behindert. Aus dem reinen Geschäftstreff wird trotz Paulinas klaren Prinzipien rasch mehr. Doch diese Johanna gibt ihr immer neue Rätsel auf. Warum will die Frau unbedingt weiterhin bezahlen, wo doch ihre Zuneigung offensichtlich ist? Weshalb verhält sie sich bei Intimitäten so merkwürdig? Und was weiß sie über einen tragischen Unfall, dessen dunkler Schatten seit Jahren auf Paulinas Seele liegt?

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Vor zehn Jahren
Die Luft in unserer Wohnküche war zum Schneiden dick. Gerade noch hatte ich mit meiner Familie friedlich am Mittagstisch gesessen und mit dem panierten Schnitzel gekämpft, das mir Mama unbarmherzig auf den Teller schob, obwohl ich ihr am Vorabend erklärt hatte, dass ich ab sofort Vegetarierin sei. Mama ließ das unbeeindruckt wie so vieles, was mir wichtig war. Jetzt lag mir nicht nur das Schnitzel im Magen, sondern auch die Tatsache, dass sie schon wieder Theater machte. »Du hast morgen Latein-Schulaufgaben und übermorgen Probe für das Schulkonzert, und du hast bisher keinen Strich getan – weder für das eine noch für das andere!« Mama warf mir einen bitterbösen Blick zu, während sie die Schnitzelpfanne energisch mit der rauen Seite des Geschirrschwamms bearbeitete. Papa hatte ihr schon oft genug gesagt, dass sie damit die Beschichtung ruinierte, aber das war ihr anscheinend egal. Viel wichtiger war ihr, meinen Tag zu zerstören. »Und deshalb wirst du heute Nachmittag zu Hause bleiben, während wir Bronko ohne dich abholen!« Ich sprang auf, Tränen in den Augen. Das konnte sie mir nicht antun! Ich hatte mich so darauf gefreut! Nach fünf Jahren unermüdlicher Überzeugungsarbeit hatten meine Schwester Lisi und ich endlich gegenüber unseren Eltern durchgesetzt, dass wir einen Hund bekamen. Bronko war ein neun Wochen alter Golden Retriever-Welpe, den wir an diesem Sonntag vom Züchter abholen und nach Hause bringen durften. Meine Enttäuschung wurde zu Wut. »Du bist so gemein!«, schrie ich Mama an. »Wir hatten abgemacht, dass Lisi und ich mitfahren dürfen!« »Wir hatten auch abgemacht, dass du gestern um vier Uhr nachmittags zu Hause bist, aber gekommen bist du drei Stunden später«, konterte Mama gereizt. »Du wolltest uns in der Gärtnerei helfen, lernen und Klarinette üben. Stattdessen bist du bei dieser Kathrin herumgehangen.« »Kathrin und ich«, begann ich mit meiner Verteidigung, brach aber ab, weil mir nichts einfiel. Was sollte ich auch sagen? Dass wir stundenlang auf Kathrins Bett herumgelegen und gequatscht hatten, bis wir … Unwillkürlich dachte ich an dieses neue, prickelnde Gefühl, das ich in meinem Körper trug, seit Kathrins Lippen gestern zum ersten Mal die meinen berührt hatten. »Erzähl mir bloß nicht, dass ihr gemeinsam gelernt hättet! Das nehme ich euch sowieso nicht ab.« Mama war mit der Pfanne fertig. Nicht so mit ihrer Predigt. Sie hielt nichts von Kathrin, weil diese einmal sitzengeblieben war und immer noch schlechte Noten hatte, ihr Haar grün färbte, zerrissene Jeans trug, sich auffällig schminkte und aus tausend anderen Gründen, die meine Mutter mir ständig unter die Nase rieb, wenn es um meine beste Freundin ging. »Ich habe es schon hundert Mal gesagt, und ich sage es auch gerne noch einmal: Ich finde nicht, dass dieses Mädchen einen guten Einfluss auf dich hat! Außerdem, sie ist schon sechzehn.« »Na und?«, blaffte ich zurück. »Ich bin fast fünfzehn!« »Du bist vierzehneinhalb«, stellte Mama unbarmherzig klar. »Michael, sag doch auch etwas!« Mein Vater, der bisher geistesabwesend in seiner Brieftasche herumgekramt hatte, sah zum ersten Mal seit Beginn unserer Diskussion auf. »Deine Mutter hat völlig recht. Du bleibst jetzt hier, lernst Latein und übst Klarinette. – Im Übrigen werden wir uns bei diesem Hundezüchter sowieso nicht lange aufhalten. Ich habe insgesamt nur eineinhalb Stunden Zeit, danach habe ich einen Termin am Krankenhausgelände, schauen, wie die Hecke neu gepflanzt werden soll. Wir müssen uns also ohnehin beeilen.« Wütend stampfte ich auf. Das konnte doch nicht wahr sein! In Latein würde ich auch durch üben nicht besser, und meinen kleinen Klarinetten-Part in diesem Orchester-Werk konnte ich auch noch morgen nach der Schule einstudieren. Ich dachte an die süßen kleinen Welpen beim Hundezüchter, die ich unbedingt streicheln wollte, und an Kathrins Hand auf meiner Brust. »Ihr seid so gemein!«, schrie ich die beiden an und rannte an der verdutzten Lisi, die in Turnschuhen und Jacke abfahrbereit ins Zimmer kam, vorbei in mein Zimmer. Heulend warf ich mich auf mein Bett. Ich war echt enttäuscht wegen des ins Wasser gefallenen Ausflugs zum Züchter, aber hauptsächlich war ich völlig durcheinander. Seit dem Vortag wusste ich nicht mehr, was ich denken sollte. War ich jetzt eine Lesbe?! Mit dem Küssen hatte Kathrin den Anfang gemacht, aber ich hatte mich nun wirklich nicht geweigert. Im Gegenteil. Es war so aufregend, so schön …! Doch als sie dann ihre Hand unter mein T-Shirt schob, bekam ich Panik. Ich verabschiedete mich hastig und radelte zurück nach Hause, so schnell ich nur konnte. Jetzt tat es mir leid. Kathrin hatte traurig gewirkt, als ich so hastig aufgebrochen war. Ich hatte sie nicht kränken wollen. Ich dachte sowieso die ganze Zeit nur an sie, seit Wochen. Genauer gesagt, seit dem Tag, an dem Frau Maier, unsere Professorin, sie in die Klasse schleppte und als neue Mitschülerin vorstellte. Wir wurden sofort Freundinnen. Aber was waren wir jetzt, wo wir uns geküsst hatten? »Hei … Paulina.« Lisi stand im Türrahmen. »Kann ich hereinkommen?« Ich nickte unter Tränen und richtete mich auf. Lisi setzte sich auf die Bettkante. »Ich werde ein paar Fotos von den anderen Welpen machen«, versprach sie. »Und Bronko nehmen wir ja sowieso mit nach Hause. Du hast ihn dann die ganze Zeit.« Sie lächelte mich aufmunternd an, und ich wusste in diesem Augenblick, dass ich sie liebte. Natürlich nicht liebte wie Kathrin. Falls es überhaupt Liebe war, was ich für Kathrin empfand. Aber so sehr liebte, wie man eine zwei Jahre ältere Schwester, die immer für einen da war, eben lieben konnte. Lisi war schon immer mein rettender Fels in der Familienbrandung gewesen. Seit ich denken konnte, waren meine Eltern mehr mit ihrer Gärtnerei beschäftigt als mit uns. Immer war es Lisi gewesen, die mit mir Fangen und Verstecken spielte, mich später bei den Hausaufgaben unterstützte und sich meine Sorgen und Träume anhörte. Lisi und ich würden später beide in Wien studieren und in einer WG wohnen, das stand für mich fest. Oder vielleicht bei Oma, die ein kleines Häuschen im 17. Bezirk hatte, falls sie genug Platz für uns schaffen konnte. Da könnten wir dann auch Bronko mitnehmen. In unseren Vorstellungen von der Zukunft waren wir uns ähnlich, äußerlich dagegen grundverschieden: Während ich die rotblonden Haare meiner Mutter geerbt hatte und sicherlich nicht größer als 1,65 Meter werden würde, wenn überhaupt, ging Lisi optisch voll und ganz nach unserem Vater. Sie war schlank und hochwachsen wie er, hatte sein dunkelbraunes, dünnes Haar. »Von mir aus kann Bronko auch gerne bei dir im Zimmer schlafen, in der ersten Woche«, bot Lisi nun noch an. »Wir können uns abwechseln.« Ich zog die Nase hoch. Ein Taschentuch hatte ich wie so oft nicht parat. Bereitwillig stellte ich mir vor, wie Bronko künftig an meinem Fußende kuscheln würde. Trotzdem fühlte ich mich nicht besser. In mir herrschte Chaos. »Ich glaube, ich bin eine Lesbe«, platzte es aus mir heraus. »Ich habe Kathrin geküsst!« Lisi sagte erst einmal nichts. Mein Herz schlug bis zum Halse. Ich hatte Angst vor ihrer Reaktion, auch wenn ich intuitiv wusste, dass sie mich nicht verurteilen würde. »Ich habe auch schon einmal beim Flaschendrehen im Skilager meine beste Freundin geküsst«, erwiderte sie nach einer Weile schulterzuckend. »Deshalb ist man nicht gleich lesbisch.« »Es war aber nicht beim Flaschendrehen. Es war bei ihr im Bett.« Lisis Augen wurden groß. »Wow!«, sie atmete tief durch. »Na und?«, sagte sie dann. »Selbst wenn du es bist, was macht das schon?« Ich begann wieder zu weinen. Zwar war ich erleichtert über ihre coole Reaktion, aber immer noch durcheinander. »Ich weiß nicht, was Mama und Papa dazu sagen würden …« »Denen musst du das ja nicht gleich erzählen.« Lisi strich mir über das Haar. »Sei dir erst einmal sicher, was du wirklich fühlst, dann kannst du es ihnen immer noch sagen. Vermutlich sind sie anfangs geschockt, aber sie werden sich früher oder später damit abfinden. Entspann dich. Das ist echt kein Weltuntergang!« Ich schniefte und wischte mir mit dem Handrücken meine Tränen aus den Augen. Langsam fühlte ich mich etwas besser. Was Lisi sagte, klang ziemlich vernünftig. Warum hatte ich ihr nicht schon am Vortag davon erzählt? Ich hätte mir vielleicht eine schlaflose Nacht erspart. »Elisabeth!« Selbst durch die geschlossene Türe war Mamas kräftige Stimme nicht zu...


Die Diplom-Journalistin arbeitete u.a. in der Medienbeobachtung, Markt- und Meinungsforschung und in der PR eines Großunternehmens. Sie lebt in Wien. Seit 2008 erschienen kontinuierlich zehn Romane und Krimis im Helmer Verlag, darunter "Ellen", "Die Spitzenkandidatin" und zuletzt "Vesna". Im Herbst 2015 folgte der Kriminalroman "In jener Nacht".



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