E-Book, Deutsch, 352 Seiten
Schairer Verliebt in die Andere
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-89741-927-8
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 352 Seiten
ISBN: 978-3-89741-927-8
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Diplom-Journalistin arbeitete unter anderem in der Medienbeobachtung, der Markt- und Meinungsforschung und in der PR eines Großunternehmens. Sie lebt in Salzburg. Seit dem Jahr 2008 erscheinen ihre Romane und Krimis kontinuierlich im Ulrike Helmer Verlag, darunter »Ellen«, »Die Spitzenkandidatin«, »Küsse mit Zukunft« und »Mehr Schatten als Licht« (CRiMiNA). Carolin Schairer war 2011 mit ihrem Roman »Marie anderswie« für den DeLiA-Literaturpreis nominiert.
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Der Abflug
Niki zog ihren kleinen Koffer durch die Halle von Terminal drei. Es war viel los an diesem Tag Ende August, und sie musste mehrmals einigen Leuten ausweichen, die sie gar nicht wahrzunehmen schienen – entweder, weil sie mit ihrer Begleitung quatschten, am Handy hingen oder verzweifelt den richtigen Check-in-Schalter suchten. Der ganze Flughafen war voll prall gefüllter Koffer und Schlangen, die sich bevorzugt vor jenen Schaltern bildeten, über denen ein südliches Reiseziel aufleuchtete.
Laras knallrot gefärbter Haarschopf stach aus einer Traube von Menschen hervor, die sich um eines der Geräte geschart hatte, mit denen sich Passagiere selbst einchecken sollten. Inge, Laras unscheinbare Freundin, gab gerade mit gerunzelter Stirn in qualvoller Langsamkeit ihren Namen auf der digitalen Tastatur ein. Dass Lara langsam ungeduldig wurde, erkannte Niki an ihrer angespannten Körperhaltung, die gar nicht dazu passte, dass sie in Kürze in einen vierzehntägigen Urlaub ans Meer starten würden.
»Hallo! Na, schon in Urlaubsstimmung?«
Weder Lara noch Inge sahen danach aus, doch Niki fiel kein besserer Spruch zur Begrüßung ein.
»Oh, hiii!«
Lara begrüßte sie mit einer stürmischen Umarmung. Ihre Haut roch intensiv nach Kokosöl und klebte leicht. Sie hatte sich eindeutig schon jetzt mit Sonnenschutzcreme eingeschmiert. Dabei war Lara kein blasser Typ, sondern eine klassische Mitteleuropäerin mit braunen Augen und ursprünglich wohl brünettem Haar. Allerdings verbrachte sie mehr Zeit im dunklen Schneideraum der kleinen österreichischen Filmfirma, für die sie als Cutterin tätig war, denn unter freiem Himmel. In ihrer Freizeit zog sie einen Kinobesuch jeder Outdoor-Aktivität vor.
Niki, die bei einer Ärztin arbeitete, hatte Lara dort als Patientin kennengelernt. Irgendwann waren sie ins Gespräch gekommen, weil Lara auf Nikis Hand die Überreste eines Stempels entdeckte, der ihr beim letzten Frauenfest in der Villa – einem Wiener LGBT-Treffpunkt – auf den Handrücken gedrückt worden war. Lara hatte sich prompt geoutet, Niki damit aber nichts wirklich Überraschendes mitgeteilt. Zwar entsprach die Wahl-Rothaarige mit dem auffälligen Lockenkopf und den weit geschnittenen Klamotten in verwaschenem Schwarz nicht dem Klischeebild der Lesbe in Jeans und Holzfällerhemd, das viele Medien noch immer gern transportierten, doch der auffällige Ring in Regenbogenfarben an Laras Finger und die tätowierte Doppelaxt auf ihrer Schulter waren einfach nicht zu übersehen.
Da Niki ohnehin dabei war, sich einen neuen Freundeskreis aufzubauen, hatte sie Laras Einladung zu einem Filmabend gerne angenommen und dabei auch Inge kennengelernt. Inge war rund vierzig, gut zehn Jahre älter als Lara, spindeldürr und flachbrüstig. Sie hatte langes, dunkelblondes Haar, in das sich bereits einige graue Strähnen schmuggelten, und trug eine schmucklose Nickelbrille. Auch wenn Niki sie mittlerweile schon seit über einem Jahr kannte, wusste sie noch immer nicht viel mehr von Laras langjähriger Lebensgefährtin, als dass sie bei irgendeinem Verlag arbeitete und Katzen liebte. Die zwei überfütterten Exemplare, die sich auf dem Sofa dieses ungleichen Paares breitgemacht hatten, wann auch immer Niki dort zu Besuch war, wurden von ihr gehegt und verwöhnt.
»Bist du echt mit dem Bus zum Flughafen gefahren? War der nicht recht voll? Da warst du doch sicher ewig unterwegs.«
Niki hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, dass Lara viele Fragen stellte, deren Beantwortung aber meist nicht abwarten konnte, sondern munter weiterplapperte.
»Wir haben uns ein Taxi gegönnt. Ich hatte so viel Stress in letzter Zeit, wegen der Viennale. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich diesen Urlaub brauche!«
Doch, das konnte Niki durchaus. Ihr selbst ging es kaum anders. Zwar hatte sie sich nicht für ein schillerndes, namhaftes Filmfestival krummgelegt, aber viele Überstunden geschoben, mit denen sich allerdings kaum angeben ließ. Auch in Wien waren in den vergangenen Jahren viele...




