E-Book, Deutsch, 332 Seiten
Schairer Zwölf gute Taten
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-89741-907-0
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 332 Seiten
ISBN: 978-3-89741-907-0
Verlag: Ulrike Helmer Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
CAROLIN SCHAIRER lebt in Salzburg und ist Diplom-Journalistin. Sie arbeitete unter anderem in der Medienbeobachtung, der Markt- und Meinungsforschung und in der PR eines Großunternehmens. Seit dem Jahr 2005 erscheinen ihre Romane und Krimis kontinuierlich im Ulrike Helmer Verlag, darunter der Erfolgsroman »Ellen«, »Die Spitzenkandidatin«, »Küsse mit Zukunft« und »Mehr Schatten als Licht« (CRiMiNA).
Autoren/Hrsg.
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Ein schlechter Mensch
»… und dann hat er mich gegen den Türrahmen gedrückt und sich an mir gerieben. Ich konnte spüren, dass er … dass er …« Die Stimme der blassen, mageren Frau brach. Sie schluchzte und verbarg das Gesicht kurz in ihren knochigen Händen, ehe sie den Satz vollendete: »… dass er mich wollte.«
Hanna, die bisher schweigend, aber hochkonzentriert neben ihrem Mandanten gesessen hatte, sah kurz von ihren Notizen auf.
Was für eine eigenartige Ausdrucksweise, ging es ihr durch den Kopf. Warum konnten manche Menschen beim Thema Sexualität nicht einfach Klartext reden? Was hielt die Frau davon ab, zu sagen, dass sie sein steifes Glied spüren konnte?
Die Frau weinte jetzt leise. Ihre eigene Schilderung des Vorfalls, der an diesem Tag vor dem Wiener Landesgericht verhandelt wurde, nahm sie augenscheinlich mit.
»Bitte … Frau Maric …«
Hartmann, der ihr als Pflichtverteidiger zur Seite gestellt worden war, reichte ihr ein Taschentuch. Sichtlich dankbar nahm sie es entgegen.
Hanna kannte den älteren Kollegen aus einer früheren Verhandlung. Damals hatte er einen Tankwart verteidigt, der sich mehrfach aus der Kasse seines Arbeitgebers bedient hatte und mittels Überwachungskamera überführt wurde. Selbst der beste Anwalt hätte einen Schuldspruch nicht verhindern können. Dass er eine Gefängnisstrafe bekam anstatt Bewährung, führte Hanna jedoch auf die Unfähigkeit des Verteidigers zurück. Benno Hartmann war ein Weichei. Zu dieser Schlussfolgerung war Hanna schon gekommen, noch ehe sie ihn vor Gericht erlebt hatte. Was war von einem Juristen, der mit über fünfzig noch immer als x-tes Rad im Getriebe einer durchschnittlichen Wiener Großkanzlei tätig war, auch zu erwarten?
Hanna war erst zweiunddreißig. In Hartmanns Alter würde sie Partnerin einer renommierten Kanzlei sein, dessen war sie sich sicher.
»Bitte, Frau Maric, erzählen Sie uns, was dann passiert ist.«
Janka Maric, das vermeintliche Opfer, hatte sich inzwischen geschnäuzt und ihre Emotionen einigermaßen unter Kontrolle gebracht. Sie ließ das benutzte Taschentuch in einer Tasche ihres schwarz-weiß karierten Blazers verschwinden, der mit seinen wuchtigen Schulterpolstern vielleicht der letzte Schrei in den Achtzigerjahren gewesen sein mochte. Außerdem war er der schmalen Frau viel zu groß. Für Hanna war klar, dass sie ihn extra für die Verhandlung ausgeliehen hatte. Vermutlich hatte Hartmann ihr empfohlen, vor Gericht formell gekleidet zu erscheinen.
»Ich habe gesagt: ›Nein. Nein, nein!‹ – Doch er hat mit einer Hand an meinen Busen gegriffen und mit der anderen zwischen meine Beine … und er hat gesagt, ich solle mich nicht so anstellen … es würde mir sicher gefallen.« Sie schluckte sichtbar. Ihre Augen, unter denen deutliche Schatten lagen, füllten sich erneut mit Tränen. Der Mann im Anzug, der neben Hanna saß, schnaubte leise.
Hanna bedachte ihn mit einem kurzen, strengen Seitenblick. Stefan Werder, seines Zeichens aufstrebender Regionalleiter einer Supermarktkette, täte gut daran, sich möglichst neutral zu verhalten.
»Er hatte seine Hand schon an meinem Slip … dann war draußen ein Geräusch … und er hat mich losgelassen. Ich bin aus dem Büro gerannt.«
Janka Maric berichtete weiter, dass sie zunächst über den Vorfall geschwiegen habe und erst Tage später den Weg zum Betriebsrat fand, der ihr dann zu einer Anzeige riet.
Stefan...