Scherr | Die Pilger der Wildnis | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 449 Seiten

Scherr Die Pilger der Wildnis


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3497-1
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 449 Seiten

ISBN: 978-3-8496-3497-1
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine historische Novelle. Scherr war einer der vielseitigsten Kenner der Literatur- und Kulturgeschichte und ein sprachgewandter und geistvoller Schriftsteller, dessen Leben und Wirken in gleichem Maße der Schweiz wie Deutschland angehörte.

Scherr Die Pilger der Wildnis jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


5.



Kein Staat in der Welt kann sich einer so rein moralischen Basis rühmen als diejenigen Staaten der nordamerikanischen Union, welche unter dem gemeinsamen Namen von Neuengland begriffen werden. Ruhmsucht, Herrschbegierde und der edle Drang nach Unabhängigkeit haben Reiche gestiftet, Ehrgeiz und Gelddurst neue Regionen entdeckt; aber keins dieser Motive hatte Anteil an dem Entschluß des Häufleins heldenmütiger Männer, die das Vaterland mit der Wildnis vertauschten, um dem Herrn einen Tempel zu bauen. Eng verwoben, wie in ihrer Überzeugung das Diesseits und Jenseits des Christen, ward dieser Tempel zugleich auch die Grundfeste ihres bürgerlichen Daseins.

Talvj.

In keinem Lande, nicht einmal Deutschland oder Schweden ausgenommen, war die Reformation von so positiven und bedeutsamen politischen Folgen begleitet wie in England, wo die religiösen Zerwürfnisse zu einer staatlichen Revolution führten, welche, nachdem sie eine lange Reihe von Jahren hindurch das Land mit Bürgerkrieg erfüllt, König Karl I. Thron und Leben genommen, unter dem Protektorate des gewaltigen Cromwell den Grund zur weltbeherrschenden Größe Großbritanniens gelegt hatte, scheinbar durch die Restauration Karls II. beschlossen wurde, aber nur, um unter seines Nachfolgers, des starrköpfigen zweiten Jakob tyrannischer Regierung mit ungeschwächter Kraft, jedoch größrer Milde wieder aufzuleben, und mit der Vertreibung der verblendeten Stuarts, mit der Thronbesteigung Wilhelms des Oraniers und mit der Festbegründung der englischen Verfassung zu endigen im Jahre 1689. Es ist nicht unsre Aufgabe oder Absicht, den Verlauf dieses großen Kampfes hier des nähern zu beleuchten. Allein wir dürfen, um dem in den Einzelheiten der Geschichte Englands und Amerikas weniger bewanderten Leser das Verständnis der vorliegenden Erzählung zu erleichtern, nicht unterlassen, wenigstens eine rapide Skizze der geschichtlichen Ereignisse zu entwerfen, welche England vom Beginn des sechzehnten Jahrhunderts an bis weit in das siebzehnte hinein bewegten.

Wie bekannt, regten sich in England schon früh reformistische Bestrebungen, unter denen die Wikliffes (im vierzehnten Jahrhundert) voranstehen. Zu einem wirklichen Bruche mit der römischen Kirche und der päpstlichen Autorität kam es jedoch erst unter König Heinrich VIII., und man muß ohne Umschweife gestehen, daß dieser Bruch zunächst auf den unlautersten Motiven beruhte. Heinrich VIII. war ohne Frage einer der gewalttätigsten und grausamsten Menschen, welche je einen Thron verunziert haben. Seine lange Regierung (1509-1547) war nur eine ununterbrochene Kette von Torheiten, Willkürlichkeiten und groben Verbrechen. Jederzeit seine persönlichen Launen und Grillen zur Basis seiner Politik machend, trat er anfangs gegen die auch in England vielfach verbreiteten lutherischen Ansichten ebenso leidenschaftlich auf, als er später das Papsttum befehdete. Die Veranlassung zu letzterem war eine rein persönliche. Der König wollte seine Geliebte, Anna Boleyn, heiraten und verlangte zu diesem Zwecke, daß der Papst seine Ehe mit Katharina von Aragonien, welche ihm mehrere Kinder geboren hatte, für ungültig erklären und trennen sollte. Die Kurie verweigerte dem Könige, welcher nachmals verschiedene Frauen heiratete, um dieselben meist auf die nichtigsten Vorwände hin hinrichten zu lassen, in dieser unehrlichen Sache ihren Beistand. Hierüber erbost, beschloß Heinrich, sich und sein Reich der geistlichen Oberhoheit des Papstes zu entziehen. Durchaus selbstisch und überzeugungslos in ihrer Idee, war demnach die Reformation in England, wie der König sie betrieb, in ihrer Ausführung ebenso oberflächlich als gewalttätig. Von dem Enthusiasmus der Überzeugung, welcher anderwärts die Geister gegen Rom in den Kampf trieb, konnte natürlich bei dem herzlosen Wollüstling keine Rede sein. Seine Reformation bestand daher auch nur darin, daß er den Supremat des Papstes auf sich selber übertrug, die reichen geistlichen Güter und Stiftungen einzog, die Abteien unwürdigen Günstlingen verlieh und die Liturgie einer nicht sehr wesentlichen Änderung unterwarf. Der Episkopat, die hierarchische Verfassung, welche der römischen Kirche so viele und leider oft begründete Vorwürfe zugezogen, blieben auch in der anglikanischen, um eine reichliche Quelle der Sektiererei zu werden, weil redlichere und entschlossenere Geister ihre religiösen Ansichten und Bedürfnisse nicht nach den willkürlichen Satzungen des Königs regeln wollten. Unter dem Nachfolger desselben, Eduard VI., wurde die Dogmatik und Liturgie der anglikanischen Kirche in entschiedener protestantischem Sinne, als bisher der Fall gewesen, ausgebaut und festgestellt. Der junge König war reformatorischen Grundsätzen eifrig ergeben. Unter seiner Regierung wurde das berühmte, nachher nur unwesentlich modifizierte »Allgemeine Gebetbuch« ( Common Prayer Book) publiziert, dessen Inhalt im anglikanischen Gottesdienste noch heutzutage die größte Rolle spielt. Die Gebete dieses Buches sind wirklich meist schön, einfach und würdig, allein sie erregten unter den strenger protestantisch Gesinnten, welche von Genf her, dem Hauptsitze des Calvinismus, ihre Anregungen empfingen, schon darum Widerwillen, weil sie, wie die ganze anglikanische Liturgie, ihnen mit Gewalt aufgezwungen wurden. Gewalt war und blieb überhaupt das vornehmste, fast einzige Überzeugungsmittel der englischen Episkopalkirche. Aber sie selber sollte die Bitterkeit dieses Mittels schmecken, als Maria, Heinrichs VIII. ältere Tochter ihrem Bruder Eduard auf dem Throne folgte (1553). Schon als Tochter der verstoßenen Katharina war Maria feindselig gegen den Protestantismus gesinnt und zögerte nicht, ihren Katholizismus dem Lande ganz in der Manier aufzuzwingen, in welcher ihm ihr Vater seinen Protestantismus aufgezwungen hatte. Sie verfuhr bei dem Versuche, den alten Glauben wiederherzustellen, mit einer Grausamkeit, welche es vollständig rechtfertigt, daß man ihr den verhaßten Namen der »blutigen« Maria beigelegt hat.

Vor den Flammen der allwärts entzündeten Scheiterhaufen entwichen viele Protestanten, denen ein günstiges Geschick die Flucht noch ermöglichte, nach dem Kontinent. Protestantische Städte, wie Frankfurt, Basel, Straßburg, Zürich, Genf, nahmen diese Flüchtlinge gastfreundlich auf. In Frankfurt am Main, wohin sie in größter Anzahl gekommen, bildeten sie eine Gemeinde, deren Verfassung und Kultus sich möglichst der Einfachheit der ersten Zeiten des Christentums näherten. Der Gottesdienst wurde mit einem allgemeinen Sündenbekenntnis begonnen, dann sang die Gemeinde einen Psalm, hierauf folgte die Predigt des Geistlichen, welcher das Vaterunser und die Verlesung der Glaubensartikel sich anschlossen. Endlich sang die Gemeinde wieder einen Psalm, und der an die Mitglieder derselben gespendete Segen des Predigers beschloß das Ganze.

In diesem von dem zeremoniösern Gottesdienste der anglikanischen Kirche, bei welchem der Geistliche in priesterlichen Gewändern fungierte, abweichenden Kultus der Frankfurter englischen Gemeinde haben wir den Ursprung jener englisch-protestantischen Sekte zu suchen, welche unter dem Namen der Puritaner so berühmt geworden ist.

Inzwischen ließ sich daheim in England alles zu einer Veränderung an, welche den Puritanismus bald nachher zu einer verhängnisvollen Rolle auf der Bühne der Weltgeschichte berief.

Als die blutige Maria im Jahre 1558 gestorben war, zeigte es sich deutlich, daß sie mit ihrem blindwütenden Fanatismus gerade das Gegenteil von dem, was sie gewollt, erreicht hatte. Mit Klugheit und Milde wäre vielleicht der Katholizismus in England wiederherzustellen gewesen, der maßlose Eifer seiner Verteidigerin hatte ihm nur neue Feinde geworben. Kaum war Marias Halbschwester Elisabeth, die Tochter Heinrichs VIII. von der hingerichteten Anna Boleyn, zur Regierung gelangt, so erhob der unterdrückte Protestantismus wieder kühn das Haupt. Die neue Königin hielt es mit ihm, nicht aus Überzeugung, denn sie war innerlichst dem Katholizismus zugetan und liebte dessen Pracht und Formen, wohl aber aus Politik. Ihr Anrecht an den Thron war ein nicht unbestrittenes; sie erkannte, daß sie dasselbe nur mit Hilfe der öffentlichen Meinung, welche sich vorwiegend dem Protestantismus zuneigte, zu behaupten vermöchte. Erbin jedoch des hartnäckigen, tyrannischen Sinnes ihres Vaters und in höchstem Grade für die Machtvollkommenheit ihrer Krone und des damit verbundenen kirchlichen Supremats eingenommen, war Elisabeth keineswegs geneigt, die Konsequenzen der protestantischen Lehre irgendwie zuzulassen. Sie war demnach Protestantin bloß so weit, als es ihrem politischen Vorteil entsprach. Sie verfolgte die Katholiken hauptsächlich deshalb, weil sie ihr den Supremat streitig machten und dadurch ihre königlichen Prärogative zu schmälern drohten; sie verfolgte aber zugleich auch die Anhänger der strengeren Protestantischen Lehre, die Kalvinisten, die Puritaner, und zwar verfolgte sie diese mit bitterstem Hasse und rücksichtslosester Härte, weil sie mit Grund befürchtete, aus dem religiösen Puritanismus würde sich, falls er geduldet würde, mit Notwendigkeit auch ein politischer entwickeln. Sie verabscheute insbesondre die sogenannte Prophetenfreiheit, das heißt, die Freiheit der Kanzelvorträge, nach welcher die puritanischen Prediger trachteten. Diese Kanzelfreiheit war in der Tat damals das, was jetzt die Preßfreiheit ist, und schon fingen die Geistlichen der Puritaner an, als Volkstribunen aufzutreten.

Während der Regierung Elisabeths gingen die beiden großen kirchlichen Parteien Englands, die Episkopalen...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.