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E-Book

E-Book, Deutsch, 609 Seiten

Scherr Schiller


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3498-8
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 609 Seiten

ISBN: 978-3-8496-3498-8
Verlag: Jazzybee Verlag
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Scherrs Schillerbiographie gehört zweifelsfrei zu den Werken von so tadelloser Formschönheit und innerer Gediegenheit, wie sie in deutscher Prosa noch selten geschaffen worden sind.

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Dem Freunde
Dr. Lorenz Brentano,
Konsul der Vereinigten Staaten in Dresden,
zugeeignet.

Zürich, Mai 1873.

Lieber Freund! Sie werden, ich weiß es, mein »Novellenbuch«, dessen erste drei Bände ich Ihnen mit diesen Zeilen zusende, in demselben Sinn empfangen, in welchem es dargeboten wird: – im Sinne gegenseitiger Achtung, aufrichtiger Zuneigung und herzlichen Vertrauens.

Der Gedanke, meine erzählenden Schriften zu sammeln, zu sichten und unter Beifügung von noch ungedruckten neu herauszugeben, ist in der bittersten Schmerzenszeit meines Lebens entstanden. Sie wissen, welche Zeit ich meine. Ich fühlte die zwingende Notwendigkeit, an dem alten vielerprobten Stabe der Arbeit mich wieder aufzurichten, damit ich meinen Pflichten genügen könnte, und doch wollten die Versuche, ernste Studien vorzunehmen, nicht gelingen. Da bot mir die freundschaftliche Zuvorkommenheit meines Verlegers die willkommene Möglichkeit einer leichteren Arbeit, und die Frucht derselben ist das »Novellenbuch«, zu dessen Herausgabe mich insbesondere der große Erfolg meines »Michel« ermunterte.

Die kulturhistorische Novelle »Schiller«, welche, sorgfältig revidiert, hier in neuer Auflage erscheint, war seit Jahren im Buchhandel vergriffen. Ich schrieb sie im Jahre 1855 als eine Art Vorstudie zu meinem Buche »Schiller und seine Zeit«, Die Absicht war, ein durchweg auf quellenmäßigen Zeugnissen ruhendes, zugleich getreues und anschaulich-belebtes Bild einer bedeutsamsten Kulturepoche unseres Landes zu geben, ein Bild, dessen Mittelpunkt allerdings der große Dichter sein sollte, ohne jedoch der Held – – das Wort im Sinne von »Romanheld« genommen – zu sein. Wissende Urteiler – der unwissenden gibt es mehr in unseren Tagen frechster Kläfferei – haben mir bezeugt, daß diese Absicht erreicht worden. Die Novelle »Rosi Zurflüh« habe ich im Hochgebirge ausgedacht und niedergeschrieben. Man sollte, denk' ich, darin etwas von Alpenluft spüren. Sie ist ebenfalls neu aufgelegt und, wie ich meine, in manchem verbessert. Die Katastrophe darin habe ich streng einer Tatsache nachgebildet. Es gibt solche großherzige Frauen wie meine Heldin; wenigstens hab' ich eine gekannt, welche die furchtbare Prüfung der Rosi im gegebenen Falle nicht minder glorreich bestanden haben würde. – eine, die nur einmal mich betrübte, an jenem schwarzen Tage, als sie plötzlich fortging, ohne mich mitzunehmen... Die Novelle »Brunhild« brachte ich binnen etlichen Tagen Interlaken zu Papier, nachdem eine am Fuße der Turmruine von Golzwyl verträumte Morgenstunde die Anregung gegeben hatte. »Werther-Graubart« endlich ist eine psychologische Studie, welche anzustellen Reiseeindrücke vom vorigen Sommer mich veranlaßten. Diese Novelle hat übrigens die Kenntnis meines »Michel«, zu ihrer, wenn auch nicht gerade unumgänglichen Voraussetzung. Von der Aufnahme der vorliegenden drei ersten Bände des Buches in der Lesewelt wird es abhängen, ob noch zwei bis drei weitere Bände nachfolgen werden. Man bindet eben gern seine Garben, wenn es dem Abend zugeht.

Und es geht ja dem Abend zu. Es bedarf nicht des grauen Memento an meinen Schläfen, ich merke es schon an meiner Kampfesmüdigkeit. Wenn aber einer volle dreißig Jahre lang redlich mitgestritten, so hat er sich dadurch doch wohl das Recht erworben, des ganzen Getümmels und Getöses satt und überdrüssig sein zu dürfen. Auch ohnedies ist mir die Streitfreudigkeit nachgerade abhanden gekommen. Ein Mann, welcher mit offenem Visier zu fechten und seine Losung ehrlich-laut auszugeben gewohnt ist, kann es nicht für anständig halten, mit Gesellen sich herumzuschlagen, welche heute schwarz, morgen rot, übermorgen kunterbunt vermummt sind, heute partikularistisch greinen, morgen internationalistisch geifern, übermorgen kommunistisch grunzen. Es läuft zuviel marodierendes Gesindel und kriecht zu viel ekelhaftes Geziefer dermalen auf der Kampfbahn herum. Da muß am Ende jeder Kampf zu einem anwidernden Duell mit der bekannten ewigen Wanze werden, welcher »Gestank als Waffe dient«. Wer, lieber Freund, könnte eine Ehre darin suchen und finden, von solchem Gewürme, so es nach unsern Fersen beißt und sticht, auch nur Notiz zu nehmen? Es wäre ja doch eitel, dasselbe in das schmutzige Dunkel seiner Anonymität hinein zu verfolgen; denn man könnte ihm nicht einmal die Köpfe zertreten, weil diese Köpfe unfindbar klein sind. Etwas Gutes haben ja auch wohl die Angriffe, welchen man von seiten des baren Unverstandes, der rohen Unwissenheit, der schamlosen Fälscherei und der bübischen Gemeinheit ausgesetzt ist: – man braucht mit der Abwehr keine Zeit zu vertrödeln; denn die Sprache der Verachtung heißt Schweigen.

Ja, lieber Freund, ich bin herzlich kampfmüde und gedenke fortan mit den verschränkten Armen eines ausgedienten Veterans dem unendlichen »bellum omnium contra omnes« zuzusehen. Es gibt ja der jungen Kräfte ausreichend viele, welche hoffnungsgrün genug sind, mutig in allen den Staub menschlicher Torheit und in allen den Schlamm menschlicher Niederträchtigkeit hineinzuwaten, um das andere Ufer zu gewinnen. Das »andere Ufer«? Das Zukunftsufer? Ach, wir Alten wissen, daß es in der Hauptsache drüben gerade so sein wird wie hüben, obzwar die Nebendinge anders angestrichen sein mögen.

Doch genug des Geplauders. Vielleicht schon zu Viel. Ich bemühe mich, allmählich Wortkargheit zu lernen von meinen beiden Hausgenossinnen Erinnerung und Resignation, den leidigen Trösterinnen vereinsamter Menschen. Lassen Sie sich mein Novellenbuch als anspruchslose Freundesgabe gefallen und gedenken Sie bei der Lesung desselben mit alter Freundschaft

Ihres treu ergebenen

Johannes Scherr

Vorspiel.



I.


Gesetzt, ein Fremder wäre in unseren Tagen nach Stuttgart gekommen, in der Absicht, von da aus durch Naturschönheit oder historische Erinnerungen hervorragende Orte des württembergischen Landes zu besuchen, so würde ihm auf seine erkundigenden Fragen unter anderen Antworten sicherlich auch die zuteil werden: »Ludwigsburg müssen Sie jedenfalls sehen«. – Ludwigsburg ist nämlich das Versailles der guten Stuttgarter. Es knüpfen sich, freilich in viel bescheidenerem Maßstab, nicht weniger bunte, pompöse und tragische Denkwürdigkeiten daran als an den berühmten Sitz der bourbonischen Monarchen. Falls unser Fremder an den rechten Mann geraten, würde ihm in der Geschichte der jetzt ungefähr anderthalb Jahrhunderte alten Stadt Ludwigsburg ein bedeutsames Stück württembergischer Geschichte aufgerollt werden, ein Stück Geschichte voll Glanz und Jammer. Der Zuhörer müßte alles historischen Sinnes bar sein, wenn er nicht lebhaft wünschen würde, die Stätten in Augenschein zu nehmen, welche für die wechselnden Szenen der Regierungszeit der Herzoge Eberhard Ludwig, Karl Alexander und Karl Eugen, sowie König Friedrichs I. die Schauplätze abgegeben haben.

Unser Reisender besitzt aber historischen Sinn. Er geht daher eines Morgens nach dem zwischen der Schloßstraße und der Kronenstraße gelegenen Stuttgarter Bahnhof und fährt mit dem ersten nach Norden gehenden Zug aus dem Talkessel der schwäbischen Residenz hinaus. Das Dampfroß keucht zuerst langsam den Schienenweg hinan, linksab von der »Galgensteige«, auf deren Höhe der eiserne Galgen stand, an welchem der berüchtigte Finanzkünstler Josef Süß Oppenheimer seine glänzende Laufbahn schmählich beschloß, am 4. Februar 1738. Der Bahnzug durchbraust den »Pragtunnel«, läßt Feuerbach links, berührt Zuffenhausen und Kornwestheim, gewährt dem Reisenden zeitweilig den Anblick des zur Linken über eine bewaldete Bergwand hochhereinragenden Lustschlosses Solitude und hält bald darauf beim Stationshaus der Stadt Ludwigsburg. Sie liegt drei Wegstunden nördlich von Stuttgart, auf einer Hochebene, deren Abhang vom linken Ufer des Neckars begrenzt wird. Zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts stand da nur ein einsamer Hof, dem Kloster Bebenhausen gehörend. Diesem nahm der Herzog Eberhard Ludwig das Gut widerrechtlich und machte daraus eine Stadt, deren Ursprung demnach die lange Reihe von Willkürakten eröffnete, welche in ihren Mauern vorgehen sollten. Des Herzogs Maitresse, Christine Wilhelmine von Grävenitz, eine Mecklenburgerin, deren Name zu den schlimmsten Erinnerungen der Geschichte Altwürttembergs gehört, wollte da residieren. In Stuttgart fühlte sie sich durch die Anwesenheit der unglücklichen, aber standhaft ihr Recht und ihre Würde wahrenden Gemahlin des Herzogs beengt. Den Hochmut der Kebsin gelüstete es, schrankenlos allen Pomp einer souveränen Herrin ihres betörten Liebhabers zu entfalten, und der Fürst beeilte sich, wie in allem so auch hierin ihrem Willen nachzuleben. Erst entstand auf dem dürren Plateau mit ungeheurem Aufwand ein Palast, dann, mit noch vermehrtem, eine Stadt – nicht die einzige, die zu jener Zeit in deutschen Landen aus ähnlichen Motiven erbaut worden ist.

Ludwigsburg ist jetzt nur noch eine Ruine, obgleich seine Häuser von Zeit zu Zeit neu angestrichen werden. Wenn der Reisende, welchen wir von Stuttgart her begleiteten, die Stadt durchwandert, wird er unschwer bemerken, daß dieselbe durchweg den Stempel ihres Ursprungs trägt. Es waren hier in keiner Weise die naturgemäßen Bedingungen städtischer Existenz gegeben. Ludwigsburg ist nicht geworden und gewachsen, sondern durch ein fürstliches Machtwort aus dem Nichts hervorgezwungen worden, zu einem künstlichen...



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