Schirokauer | Lord Byron | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 319 Seiten

Schirokauer Lord Byron


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3521-3
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 319 Seiten

ISBN: 978-3-8496-3521-3
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Schirokauers Romanbiografie beschreibt das Leben George Gordon Noel Byrons, bekannt als Lord Byron, einem britischen Dichter und Enkel des Südseeforschers und Admirals John Byron.

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III.



Tage voller Hast und Unruhe kamen über Newstead Abbey. In dem alten Eichenschrank, in dem der Holzwurm bohrte, hatte Byron unter den Reliquien seines Großvaters, des Admirals John Byron, ein altes Wetterglas gefunden. Auf den höchsten Zinnen seines Schlosses stand er lange Stunden und spähte hinüber zu dem Horizont, in den die Schornsteine von Annesley bleiche Fingermale drückten. Das Glas war verwittert. Doch es war ja die Sehnsucht, die hinüberblickte, und die trug weit. Stunde um Stunde stand er dort oben auf den Zinnen seines Hauses, das Glas am Auge, und würgte an der Frage, ob sie glücklich sei. Das war das bange Rätsel, das ihn rastlos umhertrieb. War sie glücklich geworden mit diesem Manne? Oder – hier atmete er schwer und das Herz schlug ihm oben im Halse – trug dieser Mensch die Schuld an ihrem jähen Verfall? Hatte sie den bösen Irrtum ihrer Siebzehn in Gram und in Grauen erkannt? Er preßte das Glas an das Auge, als könne er damit bis in das Herz der Herrin von Annesley hineinblicken. Harrte sie des Befreiers, und er stand hier und blickte untätig hinüber, statt aufs Pferd zu springen, hinüber zu jagen und sie zu erlösen aus den Armen dieses rohen Gesellen?

Dann raffte er den Gedichtband auf, den er ihr bringen wollte, eilte er in den Hof, ließ satteln, sprengte über die Felder und umkreiste wie ein Räuber die Grenzen von Annesley. Doch er wagte sich nicht hinein in den Park. Der Fuchsjäger hatte sie geküßt, sie hatte es geduldet! Wenn sie ihn dennoch liebte – dennoch! – So kämpfte er und schwankte und zermarterte sein Hirn mit dem Zweifel, ob sie glücklich sei oder des Befreiers harre.

Eines Tages, als er wieder von seiner Warte Ausschau hielt, erspähte er in weiter Ferne eine Kavalkade. Das war eine Jagd, bei der Herr Musters sicherlich nicht fehlte. Sofort durchzuckte ihn der Gedanke, daß Mary heut einsam war in Annesley, daß sie vielleicht am Fenster stand und hinüberblickte nach Newstead, ob der Retter nicht käme, der langersehnte Retter. Alle Bedenken waren plötzlich zerstoben. Die Gedichte in der Tasche, sprang er in den Sattel. Kurz vor Annesley zögerte er wieder. Wenn er dennoch irrte –?! Doch seine Sehnsucht gab dem Tiere die Sporen. Im Park traf er die Wärterin mit dem Kinde.

»Ist Mrs. Chaworth zu Haus?« fragte er.

»Ja,« gab die Bonne Bescheid.

Er ritt durch das hallende Torhaus und kam in den Hof. Die Ställe zur Rechten waren weit geöffnet. Die Meute war hinter dem Fuchs. Der Stallknecht nahm das Pferd in seine Hut, der Diener meldete ihn. Gleich darauf erschien Mary in der Halle, gab ihm die Hand und lächelte:

»Da sind Sie endlich. Ich habe Sie lange erwartet; Sie wollten mir doch Ihre Gedichte bringen.«

Seine braunen Augen brannten. Sie hatte ihn erwartet, sie hatte ihn doch erwartet!

»Kommen Sie in den Garten,« bat sie. »Es ist so schön und mild.«

Sie schritten um das Haus herum in Marys bunten Blumengarten.

»Mein Mann ist nicht zu Hause,« sagte sie. »Er ist auf der Jagd.«

Dann setzten sie sich nebeneinander auf die weiße Bank, auf der sie vor Jahren oft gesessen hatten, und keiner fand ein Wort.

Endlich bat Mary: »Erzählen Sie mir etwas.«

»Was?« fragte er.

»Irgend etwas, mich interessiert alles, was außerhalb meiner engen Welt hier liegt.«

»Interessiert Sie Politik?«

»Alles,« wiederholte sie, »denn ich sehe von der Welt nichts, als daß es Sommer und Winter wird und daß die Blätter kommen und fallen im Park von Annesley. Und ich höre nichts als das Rinnen des alten Brunnens im Hof – und der Zeit.«

Es klang wie ein trauriger Vers aus einer alten traurigen Ballade.

»Soll ich Ihnen von Napoleon erzählen?« schlug er vor.

»Nein,« wehrte sie, »von diesem Ungeheuer, der unser geliebtes Land erbarmungslos quält, erzählen Sie mir nichts an diesem schönen Tage.«

»O,« lächelte er nachsichtig, »ein Ungeheuer ist er nicht. Er ist der größte Mensch seiner Zeit.«

»Pfui!« ereiferte sie sich, »das kann nicht Ihr Ernst sein. Denn das habe ich in meiner Einsamkeit doch erfahren, daß er ein blutdürstiger Eroberer ist, und daß sein Sinnen und Trachten dahin geht, unser Land zu vernichten. Das hat der Pastor auf der Kanzel gesagt.«

Byron lächelte wieder.

»Sie müssen nicht auf den guten Pastor hören, Mrs. Chaworth. Er ist kein blutdürstiger Eroberer. Ein Eroberer freilich ist er. Ein Eroberer, der diesem faulen verrotteten Europa seinen Fuß auf den Nacken setzt. Aber was verdient eine Welt besseres, über die ein Mann Herr werden kann! Wir ist Napoleon das Urbild des Tatmenschen.«

Er war emporgesprungen, seine Augen funkelten vor Begeisterung, wie damals, vor langen Jahren, wenn er von seiner Zukunft geschwärmt hatte.

»Solch ein Mensch möchte ich werden,« rief er. »Solch ein Sieger, solch ein Held. Sie wissen nicht, wie ich dieses feige kleine Leben hasse, das ich führen muß. Das einmal verwehen wird wie ein Hauch, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Tun möchte ich, handeln möchte ich, die Welt mit diesen beiden Händen kneten wie Teig, das möchte ich.« Und plötzlich schüttelte er wieder, wie vor fünf Jahren, vor dieser Frau seine heiligsten Gedanken aus. –

»Nicht ein Unterdrücker wie Napoleon möchte ich werden, nein, ein Befreier. Ich möchte kämpfen gegen jedes Joch. Gegen die Knechtung der Völker, gegen die Knechtung des Glaubens, für die Freiheit auf allen Gebieten menschlichen Denkens möchte ich kämpfen. O, da gibt es viel zu tun. Denken Sie an Irland, das unter der blutigen Gewalt Englands stöhnt. Denken Sie an die Katholiken, deren Glauben von England mit Füßen getreten wird. Denken Sie an die brutale Gewalt, mit der jeder Freidenker bei uns mundtot gemacht wird. Denken Sie an die Arbeiter in den Webereien dort drüben in Nottingham, die von den Fabrikherren geschunden und ausgesogen werden. Denken Sie an alle die Nationen, die unter fremder Fron schmachten. Ich sage Ihnen, es gibt viel Raum in der Welt für einen Mann, der für die Freiheit kämpfen will. Und ich werde kämpfen, ich werde kämpfen!«

Sie blickte in bewegtem Staunen empor zu dem jungen Menschen, der vor ihr stand, flammend schön, wie ein Heros der Freiheit. Seit Jahren hatte sie kein Wort vernommen, das hinausstrebte über die kleinlichsten Dinge seichtesten Lebens. Seit Jahren schloß sich um ihren Geist ein enger Reif flachster Alltäglichkeit. Und nun sprengte dieser junge Schwarmgeist, der schon einmal dem siebzehnjährigen Mädchen die Weiten seiner Welt geöffnet hatte, den engenden Ring um ihr Denken und wies ihr Reiche des Sehnens, des Strebens und der Tat. Das Herz schlug ihr mit im Takte seines leidenschaftlichen Wollens, trieb ihr das Blut im Pulsschlag seines Ungestüms in die Wangen, daß sie glühten wie einst. Und das wilde Feuer in seinen Augen spiegelte sich in ihren aufleuchtenden Pupillen.

Byron sah die Veränderung in ihren Zügen, lächelte und sagte beglückt: »Jetzt sind Sie wieder die Mary Chaworth, die einmal hier auf dieser Bank gesessen hat.«

Da erlosch die Farbe ihrer Wangen, das Licht in ihren Augen verblich.

»Es ist lange her,« sagte sie und sank in sich zusammen.

»Nun lesen Sie mir Ihre Gedichte,« bat sie leise nach einer schweren Pause.

Gehorsam setzte er sich wieder neben sie auf die Bank und zog das Buch hervor.

»Lassen Sie mich mit hineinsehen,« sagte sie, »dann verstehe ich besser.«

Er rückte dicht an sie heran und öffnete den Quartband. Sie blickte neben ihm in die Seiten. Er fühlte ihren Körper neben sich, ihr Haar streifte sein Gesicht. Ein stilles Glücksgefühl durchglitt ihn, ganz weich und zart, ohne Wünsche, ohne Qualen, ohne Sehnsucht. Wie ein Traum war es ihm, daß er jetzt hier im Garten bei ihr saß und ihre Nähe empfand.

»Es sind alte Gedichte,« lächelte er wehmütig, »manche habe ich mit zwölf Jahren geschrieben, die...



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