E-Book, Deutsch, 144 Seiten
Schleinitz Shlomi findet Worte
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7481-7068-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 144 Seiten
ISBN: 978-3-7481-7068-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gottfried Schleinitz, geboren 1938. Theologe (Studium und Promotion in Leipzig), war Jugendpfarrer in Leipzig, Gemeindepfarrer in Wilkau-Haßlau und Leipzig-Wahren, Studienleiter am Predigerseminar Leipzig, Seelsorgeberater, Supervisor (Deutsche Gesellschaft für Pastoralpsychologie). Verheiratet seit fast 60 Jahren; vier Kinder, fast 30 Kinder und Enkel; lebt in Leipzig.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Ägypten
Wie oft war Shlomi schon in Ägypten! Noch immer hat sie dorthin Sehnsucht. Trotz aller politischen Unwägbarkeiten. Trotz aller Gefahren. Trotz ihres hohen Alters.
Aber warum? Sie mag Kairo und Abydos, Assuan und Alexandria, den Blick über den Suezkanal zur Sinaihalbinsel und Abu Simbel am Großen Nasser-See im tiefen Süden. Sie mag Wüsten und Oasen, uralte Tempel und geheimnisschwere Museen. Sie mag die heißen Tage, auch wenn das Thermometer 53° C anzeigt. Wenn genug Wasser im Gepäck ist, versteht sich. Und sie mag die kalten Nächte in der Wüste unter dem herrlichen Sternenhimmel. Mit den wunderbaren kleinen Wüstenfüchsen auf Du und Du und auf Augenhöhe.
Und sie mag Tarek. Ein einzigartiger Mensch. Mit seiner hübschen Frau an seiner Seite. Die beiden niedlichen Kinder sind inzwischen mehr als herangewachsen. Was mag aus ihnen werden? In einer Heimat voller Gegensätze, mit einer fragwürdigen Zukunft, mit so manchen sozialen Verwerfungen.
Shlomi kennt Tarek. Sein Zuhause und seine Arbeit, seine Art und viele seiner Gedanken. Shlomi kennt Kairo. Ein wenig freilich nur. Tarek hat ihr diese Zwanzigmillionenstadt „lieb und wert“ gemacht. Wo Touristen nur selten hinkommen, war er mit ihr unterwegs. Das Essen hat auch immer gut geschmeckt, selbst wenn Hühner zwischen den Tellern schon etwas gewöhnungsbedürftig waren. Und die Umarmungen der interessanten Menschen waren echt, auch wenn zunächst alles oft unerwartet fremd erschienen ist.
Unvergesslich die Fahrt mit dem Jeep auf einer gefährlich holprigen Piste zu den alten Alabasterminen unweit des teilweise ausgegrabenen Amarna. Hin- und Rückfahrt ein intensives Erlebnis. Wieder und wieder der aufgewirbelte Sand auf der schweißnassen Haut und das ewige Flimmern der heißen Luft, wohin das Auge schaut. Arbeiten in den Minen müssen grenzwertige Strapazen gewesen sein.
Und genau dort, auf dem Grund einer solchen Mine, findet Shlomi Worte. Wie sich herausstellt, sind es ziemlich grundlegende Worte. Worte vom Lebens-Grund und von Lebens-Begründung.
FUND 1: KOMMUNIKATION
Kommunikation bedeutet Verbindung, Zusammenhang, Mitteilung, Teilnahme, Gemeinschaft. Kommunikation ist die unbewusste oder bewusste, zufällige oder gewollte Beziehung zwischen einzelnen Menschen, zwischen Gruppen und innerhalb einer Gemeinschaft. Kommunikation ist das durchgängige Thema in den verschiedensten Geschichten der Bibel. Kommunikationsprobleme haben ihre Wurzeln in Beziehungsstörungen (Sündenfall, Brudermord, Sintflut, Turmbau, Dekalog, Bergpredigt, Abendmahl, Urgemeinde).
Am Anfang war Kommunikation.
Mit diesem Wort – wohlgemerkt zunächst nur das Wort! – geschieht in unserer Zeit zweierlei: Entweder erfreut es sich einer geradezu unvergleichlichen Konjunktur oder es erleidet eine ebenso unvergleichliche Inflation.
Am Anfang von Leben ist die Kommunikation mit der Um-Gebung. Menschen werden in ein Vor-Gegebenes hineingeboren. In ein System von Personen und Gegenständen, in ein System von Gewohnheiten (was Berührung und Sprache, was Zuwendung und Gestik betrifft), in ein System mit einer bestimmten Vergangenheit. Und schon das Klima (in mehrfachem Sinn!) ist Teil der Um-Gebung, mit der ein Mensch von Beginn der Zeugung an (!) kommuniziert.
Am Anfang von Liebe ist die Kommunikation der Sinne. Liebe ist – zunächst – ein doppelt wahrgenommenes Kommunikations-Bedürfnis. Vom Du zum Ich. Vom Ich zum Du. Liebe ist dann vor allem die praktizierte Balance zwischen erwarteter und gewährter Kommunikation. Liebe ist schließlich bereits die Sehnsucht nach Kommunikation, erst recht Wiederherstellung von Kommunikation und nicht selten notwendige Korrektur von Kommunikation.
Am Anfang von Freundschaft ist die Kommunikation der Sympathien. Sinngemäß gelten alle Beschreibungen von Kommunikation zwischen Liebenden auch für die zwischen Freunden.
Am Anfang von Glauben ist die Kommunikation mit dem ganz Anderen außer mir selbst. Zunächst vielleicht nur eine Ahnung von jener Realität. Dann der Versuch einer Annäherung an sie. Schließlich ihre ebenso intime wie individuelle Gestaltung. In dieser Kommunikation wird erkannt und erlebt, wie ohne positive gegenseitige Abhängigkeit keine Kommunikation gelingen kann.
Am Anfang von Hoffnung ist die Kommunikation mit Zukunft. Es ist typisch menschlich, dass er mit dem kommuniziert, was noch nicht ist. Spätestens an dieser Stelle ist deutlich, dass eine Kommunikation immer zu tun hat mit Auseinandersetzung. Wenn ich mich nicht öffne für die Zukunft, wird Zukunft (also etwas, was auf mich zukommen wird und will) mich nicht erreichen können. Transformiert auf die Gegenwart bedeutet das: Wenn ich mich nicht öffne für die Menschen in meinem Lebens- und Arbeitskreis, wird Kommunikation mit ihnen nicht realisierbar sein.
Am Anfang von Gemeinde ist Kommunikation. Gemeinde ist nicht die Verwischung aller Individualität. Gemeinde ist gegenseitige Bereicherung aller Individualitäten. Individualismus ist im Ernstfall Verweigerung von Kommunikation mit anderen. Und Individualismus in der extremsten Form ist die Reduzierung von Kommunikation auf die Kommunikation mit sich selbst. Zugleich ist sie ein Entwurf von Kommunikation auf Kosten anderer. Die Gemeinde ist ein Ort, an dem der lebendige Ausgleich von Kommunikation mit sich selbst, mit anderen und mit Gott versucht und konstruiert werden kann.
Am Anfang von Theater ist Kommunikation von Geist und Leib. Kommunikation mit den Texten und Rollen, mit Technik und diversen Utensilien. Kommunikation mit Spielorten und Spielsituationen. Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren des Stückes. Besonders wichtig: Der Umgang mit den eigenen Schwächen wie mit denen anderer muss kommunikabel bleiben. Selbstverständlich gilt das auch für den Umgang mit den eigenen Stärken wie mit den Stärken der anderen. Kommunikation im Theater ist zugleich die erhöhte Sensibilisierung für die gemeinsame Chance von Aufführungen. Um der Zukunft willen kann die Kommunikation auf, vor und hinter der Bühne nur konstruktiv gemeint und gemacht sein.
Am Anfang war Kommunikation. Ohne sie gäbe und gibt es keine Entwicklung. Und dort, wo sie nicht ist, ist der Tod. Nicht-Kommunikation ist Nicht-Leben. Schöpferisch sein besteht nie nur in Kreativität. Schöpferisch sein gelingt nur in Kommunikation.
Unterhalb alter Kupferminen quartiert sich Shlomi in einem Beduinen-Camp ein. Vor mehr als dreitausend Jahren soll hier in der Nähe das Volk Israel vorbeigezogen sein. Dass davon keinerlei Spuren erhalten geblieben sind, gehört bis heute zu den archäologischen Rätseln der israelitischen Frühgeschichte. Die Bewirtung ist wie immer im Orient von ausgezeichneter Qualität. Beduinen auf dem Sinai seien ägyptische Sicherheitspolizisten – sagt ein hartnäckiges Gerücht. Diese Halbinsel ist ja bekanntlich so etwas wie eine entmilitarisierte Zone.
Shlomi ist das egal. Das Camp muss vor einigen Wochen von einer Gruppe christlicher Pfadfinder besucht worden sein. Es seien deutsche Jugendliche gewesen. Aber auch andere, vor allem westeuropäische Jugendliche von ähnlichen Organisationen wie die Christlichen Pfadfinder aus Deutschland.
Shlomi, neugierig wie sie halt ist, erfährt mehr über die Gruppe. Sie sei quer durch Ägypten unterwegs. Ihr erstes Ziel sei der Moses-Berg und das Katharinen-Kloster. Fast „um die Ecke“ also. Dort wollen sie die Erinnerung an die legendären Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten und an die legendäre Begegnung zwischen Moses und Jahwe am „Brennenden Dornbusch“ auffrischen. Der Gottesstratege Moses gehört zu den Urvätern jüdischen Denkens und Glaubens. Und Jahwe wird so ehrfürchtig verehrt, dass man vermeidet, seinen Namen auszusprechen. Das Erlebnis eines Sonnenaufgangs auf dem Berg ist mehr als ein touristisches Muss.
Im Katharinen-Kloster würde die Gruppe das nächste Ziel genannt bekommen: das große Denkmal am Suezkanal, das an den ägyptisch-israelischen Krieg im vergangenen Jahrhundert erinnert.
Ein gut verschlossenes Metallkästchen am Fuße des Sockels würde die Informationen für das dritte Ziel enthalten. Das ist dann schon eine wesentlich größere Etappe dorthin: Die Pyramiden von Sakkara, die ältesten erhaltenen aus den Anfängen der ägyptischen Hochkultur. Eine dieser Pyramiden ist zugänglich gemacht. In ihrem Inneren würde die Gruppe schließlich das letzte Ziel erfahren: das koptische Kloster Amba Baramus zwischen Alexandria und Kairo.
Diese vier Etappen seien aber nicht nur touristische Unternehmungen, von und für europäische junge Christen aus Europa organisiert. Die Besuche seien verbunden mit einer besonderen Aufgabenstellung. Die Teilnehmenden sollen biblische Texte eigener Wahl „transformieren“, also übersetzen, übertragen, in gegenwärtige Denkrahmen und Erlebnisstrukturen unter...