E-Book, Deutsch, 110 Seiten
Schnitzler / Hoffmann Traumnovelle
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7364-2988-8
Verlag: Andhof
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 110 Seiten
            ISBN: 978-3-7364-2988-8 
            Verlag: Andhof
            
 Format: EPUB
    Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Arthur Schnitzler, geboren am 15. Mai 1862 in Wien, ist eine der zentralen Figuren der Wiener Moderne und einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Als Sohn eines angesehenen jüdischen Arztes wuchs Schnitzler in einem intellektuellen und kulturell reichen Umfeld auf. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er zunächst als Arzt, wandte sich jedoch immer mehr der Literatur zu - ein Weg, der ihn zu einem unverwechselbaren Erzähler der menschlichen Seele machte. In seinen Werken vereinte er psychologische Tiefenschärfe mit einer kompromisslosen Erforschung der gesellschaftlichen und moralischen Konventionen seiner Zeit. Besonders die Themen Liebe, Eifersucht, Verdrängung und die oft widersprüchliche Natur der menschlichen Psyche prägen seine Prosa und Dramatik. Zu seinen bekanntesten Werken gehören Lieutenant Gustl, Reigen und natürlich die Traumnovelle, die mit einer meisterhaften Mischung aus Realität und Traum die verborgenen Tiefen der menschlichen Existenz ausleuchtet. Hierin entführt uns Schnitzler in die faszinierende Welt eines Ehepaares, das durch eine Kette traumähnlicher Ereignisse aus der Fassade des Alltags gerissen wird. Zwischen unterdrückten Sehnsüchten, moralischen Dilemmata und der Zerbrechlichkeit von Beziehungen entfaltet sich ein Werk, das nicht nur literarisch, sondern auch psychologisch und gesellschaftlich wegweisend ist. Sein Schaffen, geprägt von der einzigartigen Atmosphäre des Wiener Fin de Siècle, inspiriert und fesselt bis heute.
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TRAUMNOVELLE
VON ARTHUR SCHNITZLER
 1926
Arthur Schnitzlers Traumnovelle öffnet die Pforten zu einer schillernden Welt aus Geheimnissen, Verlangen und menschlichen Abgründen und entführt die Leser:innen in eine Welt, in der die Grenzen zwischen Traum und Realität verschwimmen. Die Novelle, angesiedelt in der faszinierenden Atmosphäre des Wien der Jahrhundertwende, entführt auf eine Reise durch die verborgenen Tiefen der menschlichen Psyche und schildert die Erlebnisse des Arztes Fridolin und seiner Frau Albertine in einer einzigen Nacht und dem darauffolgenden Tag. Es ist die Geschichte eines Paares, dessen Alltag durch eine Reihe von traumähnlichen Begebenheiten aus den Fugen gerät; mit subtiler Spannung und psychologischer Präzision gezeichnet. Trotz einer scheinbar harmonischen Ehe werden beide von unerfüllten erotischen Sehnsüchten und geheimen Fantasien heimgesucht, was zu einer Krise in ihrer Beziehung führt. Die Erzählung beginnt mit einem Maskenball, den das Ehepaar besucht. Am nächsten Morgen gestehen sie einander, im vergangenen Sommer im Urlaub von anderen Personen fasziniert gewesen zu sein. Diese Offenbarungen werfen einen Schatten auf ihre bisher als idyllisch empfundene Beziehung. Fridolin begibt sich daraufhin auf eine nächtliche Entdeckungsreise durch Wien, bei der er auf verschiedene Menschen trifft und in Situationen gerät, die seine Vorstellungen von Sexualität und Treue herausfordern.
Parallel dazu verarbeitet Albertine ihre eigenen Wünsche und Fantasien im Traum. Schnitzler nutzt diese Parallelität, um die subjektive Wahrnehmung und die Komplexität menschlicher Begierden darzustellen. Die Novelle thematisiert die Auseinandersetzung mit dem Unbewussten und die Auswirkungen von unterdrückten Sehnsüchten auf zwischenmenschliche Beziehungen. Zwischen Realität und Illusion, Moral und Verlangen wird uns vor Augen geführt, wie schmal der Grat zwischen den Masken, die wir tragen, und den unausgesprochenen Sehnsüchten ist.
Durch die Verschmelzung von bewussten und unbewussten Erlebnissen fordert Schnitzler uns heraus, über die Natur der Realität und die Tiefen der menschlichen Psyche nachzudenken. "Traumnovelle" bleibt ein faszinierendes Werk, das die Komplexität menschlicher Emotionen und Beziehungen auf eindrucksvolle Weise beleuchtet.
Schnitzlers Werk entfaltet dabei eine zeitlose Relevanz, die bis heute nichts von ihrer Faszination verloren hat. Es ist ein literarischer Spiegel, der uns dazu zwingt, uns selbst zu hinterfragen und die Grenzen unserer eigenen Vorstellungen auszuloten.
Arthur Schnitzler, geboren am 15. Mai 1862 in Wien, ist eine der zentralen Figuren der Wiener Moderne und einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Als Sohn eines angesehenen jüdischen Arztes wuchs Schnitzler in einem intellektuellen und kulturell reichen Umfeld auf. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er zunächst als Arzt, wandte sich jedoch immer mehr der Literatur zu – ein Weg, der ihn zu einem unverwechselbaren Erzähler der menschlichen Seele machte. In seinen Werken vereinte er psychologische Tiefenschärfe mit einer kompromisslosen Erforschung der gesellschaftlichen und moralischen Konventionen seiner Zeit. Besonders die Themen Liebe, Eifersucht, Verdrängung und die oft widersprüchliche Natur der menschlichen Psyche prägen seine Prosa und Dramatik. Zu seinen bekanntesten Werken gehören Lieutenant Gustl, Reigen und natürlich die Traumnovelle, die mit einer meisterhaften Mischung aus Realität und Traum die verborgenen Tiefen der menschlichen Existenz ausleuchtet. Hierin entführt uns Schnitzler in die faszinierende Welt eines Ehepaares, das durch eine Kette traumähnlicher Ereignisse aus der Fassade des Alltags gerissen wird. Zwischen unterdrückten Sehnsüchten, moralischen Dilemmata und der Zerbrechlichkeit von Beziehungen entfaltet sich ein Werk, das nicht nur literarisch, sondern auch psychologisch und gesellschaftlich wegweisend ist. Sein Schaffen, geprägt von der einzigartigen Atmosphäre des Wiener Fin de Siècle, inspiriert und fesselt bis heute.
Dinslaken im Januar 2025
1
„Vierundzwanzig braune Sklaven ruderten die prächtige Galeere, die den Prinzen Amgiad zu dem Palast des Kalifen bringen sollte. Der Prinz aber, in seinen Purpurmantel gehüllt, lag allein auf dem Verdeck unter dem dunkelblauen, sternbesäten Nachthimmel, und sein Blick –“
Bis hierher hatte die Kleine laut gelesen; jetzt, beinahe plötzlich, fielen ihr die Augen zu. Die Eltern sahen einander lächelnd an, Fridolin beugte sich zu ihr nieder, küßte sie auf das blonde Haar und klappte das Buch zu, das auf dem noch nicht abgeräumten Tische lag. Das Kind sah auf wie ertappt.
„Neun Uhr“, sagte der Vater, „es ist Zeit schlafen zu gehen.“ Und da sich nun auch Albertine zu dem Kind herabgebeugt hatte, trafen sich die Hände der Eltern auf der geliebten Stirn, und mit zärtlichem Lächeln, das nun nicht mehr dem Kinde allein galt, begegneten sich ihre Blicke. Das Fräulein trat ein, mahnte die Kleine, den Eltern gute Nacht zu sagen; gehorsam erhob sie sich, reichte Vater und Mutter die Lippen zum Kuß und ließ sich von dem Fräulein ruhig aus dem Zimmer führen. Fridolin und Albertine aber, nun allein geblieben unter dem rötlichen Schein der Hängelampe, hatten es mit einemmal eilig, ihre vor dem Abendessen begonnene Unterhaltung über die Erlebnisse auf der gestrigen Redoute wiederaufzunehmen.
Es war in diesem Jahre ihr erstes Ballfest gewesen, an dem sie gerade noch vor Karnevalschluß teilzunehmen sich entschlossen hatten. Was Fridolin betraf, so war er gleich beim Eintritt in den Saal wie ein mit Ungeduld erwarteter Freund von zwei roten Dominos begrüßt worden, über deren Person er sich nicht klar zu werden vermochte, obzwar sie über allerlei Geschichten aus seiner Studenten- und Spitalzeit auffallend genauen Bescheid wußten. Aus der Loge, in die sie ihn mit verheißungsvoller Freundlichkeit geladen, hatten sie sich mit dem Versprechen entfernt, sehr bald, und zwar unmaskiert, zurückzukommen, waren aber so lange fortgeblieben, daß er, ungeduldig geworden, vorzog, sich ins Parterre zu begeben, wo er den beiden fragwürdigen Erscheinungen wieder zu begegnen hoffte. So angestrengt er auch umherspähte, nirgends vermochte er sie zu erblicken; statt ihrer aber hing sich unversehens ein anderes weibliches Wesen in seinen Arm: seine Gattin, die sich eben jäh einem Unbekannten entzogen, dessen melancholisch-blasiertes Wesen und fremdländischer, anscheinend polnischer Akzent sie anfangs bestrickt, der sie aber plötzlich durch ein unerwartet hingeworfenes, häßlich-freches Wort verletzt, ja erschreckt hatte. Und so saßen Mann und Frau, im Grunde froh, einem enttäuschend banalen Maskenspiel entronnen zu sein, bald wie zwei Liebende, unter andern verliebten Paaren, im Büfettraum bei Austern und Champagner, plauderten sich vergnügt, als hätten sie eben erst Bekanntschaft miteinander geschlossen, in eine Komödie der Galanterie, des Widerstandes, der Verführung und des Gewährens hinein; und nach einer raschen Wagenfahrt durch die weiße Winternacht sanken sie einander daheim zu einem schon lange Zeit nicht mehr so heiß erlebten Liebesglück in die Arme. Ein grauer Morgen weckte sie allzubald. Den Gatten forderte sein Beruf schon in früher Stunde an die Betten seiner Kranken; Hausfrau- und Mutterpflichten ließen Albertine kaum länger ruhen. So waren die Stunden nüchtern und vorbestimmt in Alltagspflicht und Arbeit hingegangen, die vergangene Nacht, Anfang wie Ende, war verblaßt; und jetzt erst, da beider Tagewerk vollendet, das Kind schlafen gegangen und von nirgendher eine Störung zu gewärtigen war, stiegen die Schattengestalten von der Redoute, der melancholische Unbekannte und die roten Dominos, wieder zur Wirklichkeit empor; und jene unbeträchtlichen Erlebnisse waren mit einemmal vom trügerischen Scheine versäumter Möglichkeiten zauberhaft und schmerzlich umflossen. Harmlose und doch lauernde Fragen, verschmitzte, doppeldeutige Antworten wechselten hin und her; keinem von beiden entging, daß der andere es an der letzten Aufrichtigkeit fehlen ließ, und so fühlten sich beide zu gelinder Rache aufgelegt. Sie übertrieben das Maß der Anziehung, das von ihren unbekannten Redoutenpartnern auf sie ausgestrahlt hätte, spotteten der eifersüchtigen Regungen, die der andere merken ließ, und leugneten ihre eigenen weg. Doch aus dem leichten Geplauder über die nichtigen Abenteuer der verflossenen Nacht gerieten sie in ein ernsteres Gespräch über jene verborgenen, kaum geahnten Wünsche, die auch in die klarste und reinste Seele trübe und gefährliche Wirbel zu reißen vermögen, und sie redeten von den geheimen Bezirken, nach denen sie kaum Sehnsucht verspürten und wohin der unfaßbare Wind des Schicksals sie doch einmal, und wär’s auch nur im Traum, verschlagen könnte. Denn so völlig sie einander in Gefühl und Sinnen angehörten, sie wußten, daß gestern nicht zum erstenmal ein Hauch von Abenteuer, Freiheit und Gefahr sie angerührt; bang, selbstquälerisch, in unlauterer Neugier versuchten sie eines aus dem andern Geständnisse hervorzulocken und, ängstlich näher zusammenrückend, forschte jedes in sich nach irgendeiner Tatsache, so gleichgültig, nach einem Erlebnis, so nichtig es sein mochte, das für das Unsagbare als Ausdruck gelten, und dessen aufrichtige Beichte sie vielleicht von einer Spannung und einem Mißtrauen befreien könnte, das allmählich unerträglich zu werden anfing. Albertine, ob sie nun die Ungeduldigere, die Ehrlichere oder die Gütigere von den beiden war, fand zuerst den Mut zu einer offenen Mitteilung; und mit etwas...





