E-Book, Deutsch, 184 Seiten
Schorm / Weigand WEIBERWELTEN
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-95765-934-7
Verlag: p.machinery
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Zukunft ist weiblich
E-Book, Deutsch, 184 Seiten
ISBN: 978-3-95765-934-7
Verlag: p.machinery
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rainer Schorm, geboren 1965. Jurastudium in Freiburg, Wechsel zum Studium der Visuellen Kommunikation, Tätigkeit in einer Werbeagentur, anschließend freiberuflich als Grafiker, Referent für Öffentlichkeitsarbeit und freier Autor. Neben Gruselromanen schreibt Schorm an der SF-Serie 'Perry Rhodan Neo' mit und ist seit 2017 neben Rüdiger Schäfer Exposéautor der Serie. Neben zahlreichen Kurzgeschichten in Zeitschriften und Anthologien legte er auch einen Band eigener Erzählungen vor: 'In Freiburgs Schatten' (2011). Jörg Weigand, Dr. phil., geboren 1940. Nach dem Studium der Sinologie, Japanologie und Politikwissenschaften Redakteursausbildung beim Zweiten Deutschen Fernsehen. Von 1973 bis 1996 Korrespondent im Studio Bonn des ZDF. Neben der Herausgabe zahlreicher Anthologien veröffentlichte er Sachbücher wie 'Fensterblumen. Papierschnittkunst aus China' (1977), 'Pseudonyme. Ein Lexikon' (1991), 'Träume auf dickem Papier. Das Leihbuch nach 1945 - ein Stück Buchgeschichte' (1995), 'Frontlektüre. Lesestoff für und von Soldaten der deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg' (2010). Dazu die Vampirnovelle 'Isabella oder eine ganz besondere Liebe', fünf Sammlungen mit Erzählungen sowie bislang achtzehn Unterhaltungsromane.
Autoren/Hrsg.
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Karla Weigand: Eisern durchhalten!
Nicht zum ersten Mal beglückwünschte Alexandra Hausmann sich dazu, einen Job ergattert zu haben, den sie von zu Hause aus erledigen konnte. Eine Vorgesetzte, die ihr andauernd prüfend über die Schulter schaute, oder auch neugierige Kolleginnen hätte sie in ihrer Situation gar nicht gebrauchen können.
Von Anfang an hatte Alex darauf bestanden, dass ihre Arbeit eine »künstlerische« sei und sie daher absolute Ungestörtheit benötige. Nur dies erlaube ihr, sich ihre Zeit eigenverantwortlich einzuteilen, um ihre Designentwürfe für »Haus- und Heimkunst« am Computer zu entwerfen.
Es handelte sich dabei um Dinge, die später im 3-D-Drucker hergestellt wurden, um die Wohnungen der Kundinnen zu schmücken, die dafür eine Stange Geld auszugeben bereit waren; als da waren kitschige Vasen, scheußliche Kerzenleuchter, Tier- und nackte Frauenfiguren oder – und sie waren der absolute Renner: – geschmacklose Aschenbecher in allen Größen und erdenklichen Formen.
Man schrieb das Jahr 2096, und seitdem ein Bronchialkarzinom nicht mehr Beschwerden machte als ein Schnupfen, wurde wieder gequalmt, was das Zeug hielt! Krankheiten wie Krebs, Parkinson, Multiple Sklerose, Aids und Alzheimer galten seit vier Jahrzehnten als weitgehend besiegt; die durchschnittliche Lebenserwartung lag bei Frauen bei rund einhundertfünf Jahren. Bei Männern konnte man es nicht so genau sagen … Aber davon später mehr.
Für heute machte Alex Schluss. Während sie ihren Laptop herunterfuhr, machte sich in ihr bereits die Vorfreude auf jene Tätigkeit breit, der sie sich seit sechs Jahren mit ganzem Herzen widmete. Heimlich natürlich. Falls auffliegen sollte, was sie und ihre beiden gleichaltrigen Freundinnen, junge Frauen von achtundzwanzig Jahren, in ihrer Freizeit anstellten, wäre »ihr Projekt« kaputt und sie selbst würden für unabsehbare Zeit hinter Gitter wandern.
Womit Alex, Dorit und Jenny sich beschäftigten, war dermaßen topsecret, dass nicht einmal ihre Mütter oder Schwestern davon wissen durften, geschweige denn fremde Frauen.
Ermöglicht worden war den dreien ihr Vorhaben dadurch, dass Alex von ihrer Großmutter einen Gutshof geerbt hatte, den ihre Oma schon nicht mehr bewirtschaftet, sondern in ein »Wellness-Areal« verwandelt hatte. Das Grundstück, welches das Wohngebäude umgab, war vergleichsweise riesig und von Alex mit einer hohen Mauer umgeben worden, sodass niemand so leicht überprüfen konnte, ob überhaupt und wenn doch, was dort Geheimnisvolles vor sich ging.
Um bei Fremden erst gar keine unziemliche Neugier oder gar Misstrauen aufkommen zu lassen, ließen sie das große Eingangstor meist offen und gewährten somit freien Einblick in den weitläufigen parkähnlichen Garten, der allerdings wegen seiner reichlich fantasielosen »Gestaltung« höchstens Befremden und bestenfalls Langeweile zu verbreiten vermochte; sodass nicht einmal die eifrigsten staatlichen Kontrollpersonen, die regelmäßig (zum Schutze der Bewohnerinnen!) ihre Runden drehten, sich bemüßigt fühlten, dieses Stück Urwald, wo alles wie Kraut und Rüben durcheinander wuchs, genauer unter die Lupe zu nehmen.
Galt das Ganze doch als das »adäquate Ambiente einer durchgeknallten Künstlerin«, die allerdings trotz ihrer sämtlichen »Besonderheiten« als hundertprozentig verlässliche Staatsbürgerin galt, der nichts mehr am Herzen lag, als ihrem Land und seinen Bewohnerinnen zu dienen.
Von Bewohnern redete man schon seit gut fünfzig Jahren nicht mehr. Anfangs hatte es natürlich Widerstände en masse gegeben, aber mittlerweile kam man längst ohne Männer blendend aus. Ja, viele junge Mädchen, die es gar nicht mehr anders kannten, konnten sich ein Leben mit Wesen, denen Bärte und Haare auf der Brust wuchsen, die eine tiefe Stimme hatten und im Allgemeinen größer und muskulöser als Frauen gewesen waren, gar nicht mehr vorstellen.
»Wie waren die denn so?«, fragten etwa die Jüngferchen ihre Mütter oder Lehrerinnen und es hörte sich an, als habe es sich bei diesen merkwürdigen Geschöpfen nicht um die Hälfte der Menschheit, sondern um irgendwelche seltsamen, längst ausgestorbenen Tiere oder bestenfalls um Vorstufen des weiblichen Geschlechts gehandelt.
Aber nur die wenigsten erhielten darauf eine Antwort, sondern wurden auf Zeitungsarchive, digitalisierte alte Büchereien und Filme verwiesen – oder auf uralte Großmütter, welche noch mit Individuen, die über XY-Chromosomen verfügten, persönlich verkehrt hatten.
Was die Mädels dann in der Regel zu hören bekamen, hörte sich nicht sehr verheißungsvoll an: »Je, nun! Die Kerle waren laut, anmaßend und unverschämt und hatten außer Alkohol nur Fußball, Autos und Sex im Kopf!«
Wenn man das hörte, war es kein Wunder, dass der weltweit agierende und alles beherrschende AFR (Allgemeine Frauen-Rat) sich dazu entschlossen hatte, alles daran zu setzen, den maskulinen Teil der Menschheit sukzessive auszuschalten! Zum Selbstschutz gewissermaßen. Und die bisherigen »Herren der Schöpfung« hatten es ihm auch noch leicht gemacht.
Dank einer Mischung aus schlechtem Gewissen, gutem Willen und Nachgiebigkeit hatten sie Schritt für Schritt an Boden verloren und schlussendlich ihre Handlungsfreiheit so weit eingebüßt, bis sie sozusagen zu einer Fußnote der Geschichte verkümmert waren, getreu dem abgewandelten Sprichwort: »Der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dumme ist!«
Es blieb dennoch nicht aus, dass es zu Beginn der »Säuberungsaktion« mordsmäßige Widerstände gegeben hatte. Aber man konnte sich ja auf das Konzept des Gender-Mainstreaming berufen, welches auf der Weltfrauenkonferenz in Peking (1995) entwickelt und u. a. von der EU im Vertrag von Amsterdam (1997) verankert worden war.
Nach diesem Konzept waren alle (politischen und gesellschaftlichen) Akteure für Geschlechterfragen und Frauenpolitik, und zwar Geschlechter (nicht nur Frauen!), für Veränderungen in den Geschlechterverhältnissen (v. a. Überwindung der Ausschließung und Diskriminierung von Frauen) zuständig. Step by step wurden die Männer hinausgedrängt und zuletzt hatten nur noch Frauen das Sagen.
Die rigorose Radikalität der Feministinnen fand allerdings zu Anfang durchaus nicht den Beifall aller Geschlechtsgenossinnen. Viele Frauen wollten partout nicht einsehen, dass sie auf ihre geliebten männlichen Partner verzichten sollten! Zudem war noch ein nicht geringer Prozentsatz der irrigen Meinung, Väter wären im Interesse der Kinder unbedingt notwendig.
So hatte es anfangs subtilster Indoktrination sowie massivster Zwänge bedurft, um auch der dümmsten Gans klar zu machen, dass sie »ohne« doch um vieles besser dran sei …
Es dauerte Jahrzehnte, bis sich der ganz große Gegenwind gelegt hatte und sich die allgemeine Ansicht durchsetzen konnte, im Alltagsleben benötige frau die XY-Träger nun wirklich nicht.
Die beste Freundin war auf jeden Fall vorzuziehen, falls Probleme anstanden: Als weibliches Wesen verstand sie es nämlich, wovon frau redete; empfand sie doch ähnlich und benutzte auch dieselbe Sprache, was bei den maskulinen Wesen häufig nicht der Fall gewesen war. Das nervige Debattieren und Erklärenmüssen – im Zusammenleben mit Männern ein leidiger Dauerbrenner und an der Tagesordnung – konnte künftig entfallen.
Anfangs war man noch vorsichtig zu Werke gegangen: Da es ein Leichtes war, vor der Geburt das Geschlecht des Nachwuchses festzustellen, sorgte der AFR dafür – häufig ohne Wissen der Schwangeren –, dass fast nur noch Mädchen das Licht der Welt erblickten.
Das war zwar illegal gewesen, aber im Dienste der guten Sache konnte man schon mal ein Auge zudrücken, nicht wahr? Der künftige Mangel an Männern war ja gewollt!
Ganz im Gegensatz zu China! Da hatte man es vor vielen Jahren wegen der Einkindpolitik genau anders herum gemacht und Knabengeburten bevorzugt. Folge war ein eklatanter Frauenmangel, der sich später zu regelrechten Raubzügen in den Nachbarprovinzen auswuchs, um sich Frauen zu »beschaffen« …
In Deutschland musste man – trotz aller gebotenen Vorsicht – gehörig Druck machen mit dem »Programm«, denn durch die Politik ausgerechnet einer Bundeskanzlerin, hatte sich das Land vor ungefähr achtzig Jahren von jungen männlichen Zuwanderern regelrecht überschwemmen lassen!
Eine wahre Crux bildete der immense Männerüberschuss, verursacht vor allem von muslimischen Neubürgern aus Nordafrika, die sich auch noch der Weiblichkeit überlegen fühlten – eine Haltung, die man nun so gar nicht mehr goutierte. Zum Teil sollte es mächtig Ärger gegeben haben, weil diese Individuen mit ihrer »Steinzeitmentalität« keine devoten Partnerinnen mehr fanden. Man kann darüber heute noch in alten Aufzeichnungen nachlesen.
Wie jedenfalls Alex und ihre Freundinnen erfuhren, war das Ganze ziemlich unerfreulich geworden, weil die Kerle »ohne Weiber« logischerweise ziemlich frustriert waren.
Noch eine ganze Weile hatten alle Frauen das einstmals so forsch gelispelte »Wir schaffen das!« im Kopf gehabt und der AFR nahm’s schlussendlich zum Anlass, zu handeln.
Allzu lange hatte man...