Schwarze / Steinauer / Beeri | Somatische Pflege in der psychiatrischen Arbeit | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Reihe: Praxiswissen

Schwarze / Steinauer / Beeri Somatische Pflege in der psychiatrischen Arbeit

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Reihe: Praxiswissen

ISBN: 978-3-96605-020-3
Verlag: Psychiatrie-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Für eine neue Qualität der Behandlung
Körperliche Komorbiditäten werden bei Menschen mit einer psychischen Erkrankung noch immer zu wenig erkannt und bleiben daher unbehandelt. Dieses Buch füllt die Wissens- und Versorgungslücke und hilft bei der Abstimmung somatischer und psychiatrischer Pflege.
Mithilfe von Fallbeispielen zeigt das Autor*innenteam Ausprägungen und Auswirkungen von Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Erkrankungen der Lunge sowie endokrinologischer und Stoffwechselerkrankungen. Dabei geht es auch auf medikamenteninduzierte Problemstellungen ein, z. B. auf hohe Gewichtszunahmen, Polypharmazie oder Fehlernährung sowie auf pharmakainduzierte Wechselwirkungen.
Aus der Praxis werden Empfehlungen dafür abgeleitet, wie sich Qualitätszirkel und interne Fortbildungsangebote zur Sensibilisierung implementieren lassen.
Schwarze / Steinauer / Beeri Somatische Pflege in der psychiatrischen Arbeit jetzt bestellen!

Zielgruppe


Empfehlenswert für Pflegefachpersonen in der psychiatrischen Versorgung, Sozialarbeiter*innen und weitere nichtmedizinische Berufsgruppen wie Ergotherapeut*innen.

Weitere Infos & Material


Einleitung
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Lebensqualität der meisten Menschen auch dank des technischen und medizinischen Fortschritts erhöht. Dennoch können nach wie vor nicht alle Personen gleichermaßen profitieren. Dies gilt insbesondere für psychisch erkrankte Menschen. Das folgende Beispiel verdeutlicht diese Situation. BEISPIEL Herr und Frau H. sind sehr besorgt um ihren Sohn Peter. Angefangen hatte es vor rund drei Jahren, einige Wochen vor den Abschlussarbeiten zum Abitur. Es war ihnen aufgefallen, dass Peter sich mehr und mehr zurückzog, dauernd grübelte und Schwierigkeiten hatte, etwas Begonnenes zu beenden. Auch ging er nicht mehr zu seinem früher so heiß geliebten Volleyballtraining. Darauf angesprochen, meinte er, dass sich einige Kollegen ihm gegenüber komisch benähmen und ihn wohl nicht mehr in ihrem Team haben wollten. Zunehmend hatte er weniger Energie und die Vorbereitungen für die Abschlussprüfungen fielen ihm immer schwerer. Seine Eltern schoben die Veränderungen auf den momentan hohen Schulstress, machten sich aber dennoch mehr und mehr Sorgen, nachdem sich Peter zu beklagen begann, dass man ihn nicht ständig als Versager oder »Waschlappen« titulieren solle. Beim ersten Mal waren die Eltern konsterniert, bis sie realisierten, dass Peter wohl eine ihm nicht wohlgesonnene Stimme hörte, die außer ihm niemand hörte. Als Peter anfing, all seine Knöpfe von der Kleidung zu entfernen, da sie Überwachungsmikrophone seien, wurde der Sohn zum Hausarzt gebracht. Dieser vermutete eine psychische Störung und überwies ihn zur genaueren Abklärung an einen Psychiater. Da er mit dem Psychiater noch während der Konsultation telefonierte, konnte ein Termin in zwei Tagen vereinbart werden. Eindrücklich legte der Hausarzt der Mutter, die ihren Sohn begleitet hatte, nahe, diesen Termin wahrzunehmen. Der Sohn blieb beim Hausarzttermin eher passiv, antwortete auf die Fragen einsilbig und schnaufte nur dann und wann verächtlich durch die Nase. Die Praxis verlassend, sagte Peter zu seiner Mutter, dass der Hausarzt wohl nicht alle Tassen im Schrank habe. Ihm gehe es doch so weit ganz gut. Er sei nicht bereit, zum »Irrenarzt« mitzugehen. Zwei Tage später konnte Peter aufgrund des sanften Drucks der Eltern und der jüngeren Schwester überredet werden, zum Psychiater zu gehen. Wieder begleitete ihn seine Mutter. Der Psychiater diagnostizierte nach eingehender Abklärung eine psychotische Episode (bei Verdacht auf eine paranoide Schizophrenie) und verschrieb eine Psychotherapie sowie ein Antipsychotikum. Auf die Frage von Frau H., in welchem Zeitraum Peter wieder genesen würde, bekam sie eine ausführliche, aber dennoch sehr vage anmutende Antwort. Er lobte die Familie, dass sie ihn so schnell aufgesucht habe, wollte sich aber nicht klar zu den Erfolgsaussichten äußern. Stattdessen antwortete er, dass bei der Diagnoseerstellung keine hundertprozentige Prognose möglich sei. Dies hinge unter anderem mit der Krankheit selbst zusammen. Man könne bei ihr eine Vielfalt an Verläufen beobachten. So gebe es Personen, die nur eine psychotische Episode erleben und vollständig gesunden würden. Bei anderen Menschen könne es Jahre dauern. Es gebe aber auch einen sehr kleinen Prozentsatz, bei denen es zu einer Chronifizierung komme. Man könne am Anfang nicht wissen, wie die Krankheit im Einzelfall verlaufe. Frau H., leicht »geschockt« von dieser Diagnose, wollte daraufhin wissen, was sie, ihr Mann und ihre Tochter tun könnten, um Peter zu helfen. In erster Linie, antwortete der Psychiater, sollten sie die Hoffnung auf eine Genesung nie aufgeben. Es sei ihm bewusst, dass das Wort »Schizophrenie« sehr stigmatisierend wirke, in der Allgemeinbevölkerung als nicht behandelbar gelte, dass schizophrene Menschen als »gefährlich« eingestuft würden und die Meinung herrsche, ihnen sei auch gar nicht zu helfen. Aber dies sei falsch. Ein wichtiges Element der Behandlung bestehe neben einer ausführlichen Information über die Erkrankung und über mögliche Behandlungsformen in der korrekten Einnahme der antipsychotischen Medikamente. Da die Patienten oftmals nicht einsehen würden, dass die Medikamente ihnen wenigstens zu Beginn der Behandlung helfen können, sei die Bereitschaft (Adhärenz), sie gemäß Verordnung zu nehmen, häufig gering. In diesem Punkt könnte die Familie Peter unterstützen. Eine direkte Überweisung in eine psychiatrische Klinik kam für Peter nicht infrage, und auch der Psychiater sah hierfür momentan keinen Grund. Im Verlauf der nächsten drei Jahre kam es jedoch zu einigen Klinikaufenthalten. Immer wieder hatte Peter psychotische Episoden, die es den Eltern verunmöglichten, ihn während dieser Zeit daheim zu haben, außerdem zog er sich zunehmend von ihnen zurück und war kaum noch für Gespräche zu gewinnen. Obwohl Frau H. ihr Arbeitspensum reduzieren konnte, war es ihr manchmal nicht möglich, ihn zu Hause zu betreuen. Bei der Klinikentlassung hatte ihnen die Pflegefachfrau, die während des Aufenthaltes als Bezugsperson für ihren Sohn zuständig war, gesagt, dass man in Zukunft auch auf Peters körperliche Gesundheit zu achten habe. Da sie aber plötzlich wegen eines Notfalls weggerufen wurde, blieb ihnen keine Zeit, um nachzufragen, was sie damit gemeint habe. Ein Telefonat mit der Station am nächsten Tag ergab, dass die Pflegefachperson ab heute in den Ferien sei. Herrn H. ließ diese Aussage jedoch keine Ruhe. Was sollte das bedeuten, auf die körperliche Gesundheit sei stärker zu achten? Auch wenn in den letzten Jahren eine Verbesserung des psychischen Zustands von Peter sichtbar wurde, sollte man da nicht weiterhin das Augenmerk auf die psychische Genesung legen? Herr H. war realistisch genug, um sich damit abzufinden, dass sein Sohn wohl noch längere Zeit an dieser Krankheit leiden würde. Körperlich ging es Peter aber so weit gut, auch wenn er in den letzten Jahren 18 Kilogramm Körpergewicht zugenommen hatte. Herr H. beschloss kurzerhand, seine ehemalige Schulkollegin Anna anzurufen. Diese arbeitete als Oberärztin im Bereich Gynäkologie im Universitätsklinikum. Auf die körperliche Gesundheit von psychisch kranken Menschen angesprochen, antwortete sie ihm, dass das ja nicht ihr Spezialgebiet sei, sie aber zu wissen glaube, was die Pflegefachperson gemeint haben könnte. Sie wolle aber mit fachkundigeren Kollegen sprechen und sich erkundigen. Vier Tage später klingelte bei Familie H. abends das Telefon. Es war Anna, die sich nach dem Wohlergehen aller erkundigte und auch die Ergebnisse ihrer Recherche besprechen wollte. Herr H. stellte das Telefon auf Lautsprecher, da auch seine Frau und seine Tochter zuhören wollten. Peter hatte kein Interesse und ging auf sein Zimmer. »Was ich herausgefunden habe, ist nicht unbedingt positiv. Und da ist es mir wichtig, zu sagen, dass die Resultate oftmals einen arithmetischen Durchschnitt abbilden und nicht auf alle Einzelfälle projiziert werden können. Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen haben eine deutlich schlechtere körperliche Gesundheit als die Allgemeinbevölkerung. Auch haben sie eine deutlich geringere Lebenserwartung. Die Autoren verschiedener Studien reden von 10 bis 25 Jahren, das heißt, dass die Lebenserwartung im Durchschnitt um 10 bis 25 Jahre geringer ist, wenn jemand eine schwere psychische Erkrankung hat. Je nachdem, welche psychische Krankheit untersucht wurde, sind es mehr oder weniger Jahre, die verloren gehen können. Hinzu kommt, dass Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen oftmals komorbide Erkrankungen, das heißt von der Grundkrankheit abgrenzbare körperliche Begleiterkrankungen, im Bereich der endokrinologischen, kardiovaskulären, pneumologischen und neurologischen Krankheiten haben. Bei bis zur Hälfte der psychiatrischen Patienten werden klinisch bedeutsame komorbide körperliche Erkrankungen festgestellt. Es gibt je nach Diagnose unterschiedliche Zahlen. Eine Schizophrenie scheint eine Erkrankung zu sein, die mit einer statistisch signifikanten verkürzten Lebenserwartung einhergeht, weil diese Patienten nicht im selben Ausmaß wie die Allgemeinbevölkerung von den Fortschritten in der Medizin und von psychotherapeutischen Verfahren profitiert zu haben scheinen.« Herr und Frau H. wurden immer bedrückter. Schließlich räusperte sich Herr H. und fragte: »Wennichdasrichtigverstandenhabe, heißt das, dass Menschen mit einer schweren psychischen Erkrankung auch noch ein erhöhtes Risiko für körperliche Krankheiten haben?« »Ja. Zum Beispiel gibt es eine Studie, die zeigt, dass Menschen mit einer Schizophrenie im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bis zu dreimal häufiger Diabetes mellitus bekommen. Eine weitere Studie sagt aus, dass Menschen mit einer Schizophrenie ein um 74 Prozent erhöhtes Risiko für akute Komplikationen des Diabetes mellitus des Typs 2 haben. Auch was die kardiovaskulären Krankheiten angeht, sind Menschen mit einer Schizophrenie benachteiligt. Das relative Risiko, eine solche Krankheit zu entwickeln, ist bei Menschen mit einer schizophrenen Erkrankung um den Faktor zwei erhöht.« »Es reicht mir jetzt«, ging schließlich Frau H. aus dem Hintergrund dazwischen. »Das ist ja äußerst deprimierend. Wenn man das alles schon weiß, warum tut man dann nichts?« »Körperliche Komorbiditäten bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen werden noch immer zu wenig erkannt und bleiben daher unbehandelt. Auch scheinen sie oftmals gänzlich undiagnostiziert zu bleiben oder erst zu einem sehr späten Zeitpunkt diagnostiziert zu werden. Die somatische Diagnostik bei...


Schwarze, Thomas
Thomas Schwarze arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung angewandte Forschung und Entwicklung Pflege und im Bachelor Studiengang Pflege der Fachhochschule Bern, Departement Gesundheit.

Steinauer, Regine
Regine Steinauer ist als Pflegewissenschaftlerin in den UPK Basel in der Abteilung Entwicklung & Forschung Pflege, MTD und Soziale Arbeit tätig. Als pflegerische Abteilungsleiterin leitet sie das Ambulatorium für substanzgebundene Süchte ADS/Janus.

Beeri, Simone
Simone Beeri ist Pflegeexpertin und Pflegewissenschaftlerin MScN in der Direktion Pflege und Bildung der PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG.

Thomas Schwarze arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung angewandte Forschung und Entwicklung Pflege und im Bachelor Studiengang Pflege der Fachhochschule Bern, Departement Gesundheit.
Regine Steinauer ist als Pflegewissenschaftlerin in den UPK Basel in der Abteilung Entwicklung & Forschung Pflege, MTD und Soziale Arbeit tätig. Als pflegerische Abteilungsleiterin leitet sie das Ambulatorium für substanzgebundene Süchte ADS/Janus.
Simone Beeri ist Pflegeexpertin und Pflegewissenschaftlerin MScN in der Direktion Pflege und Bildung der PZM Psychiatriezentrum Münsingen AG.


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