E-Book, Deutsch, 264 Seiten
Schwegmann Bewährungsproben einer Nation
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-428-53570-5
Verlag: Duncker & Humblot
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland. Mit einem Vorwort von Volker Rühe
E-Book, Deutsch, 264 Seiten
ISBN: 978-3-428-53570-5
Verlag: Duncker & Humblot
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Warum entsenden wir Soldaten in die Welt? Ist das in unserem Interesse? Ist es rechtlich und moralisch zu rechtfertigen? Wie kommt ein Mandat zustande? Wie sehen zivile und militärische Einsätze in der Praxis aus? Diese Fragen bleiben für viele Bürger auch knapp 20 Jahre nach den ersten Einsätzen deutscher Soldaten vielfach unbeantwortet. Die politischen Prozesse der Mandatierung, die Gedanken und Argumente der Politiker und die Rolle von Parlament, Regierung und Bündnissen sind bis heute weitgehend unbekannt und vor allem unverstanden. Die in diesem Buch versammelten Praktiker aus Politik, Militär, Kirche, Wissenschaft, Journalismus und Verwaltung eint der Wille, dieses Informationsdefizit zu beheben und ihr eigenes Handeln transparent und allgemein verständlicher zu machen. Ausgehend von der Frage in welcher Welt wir leben und welche Werte und Interessen Deutschland zu wahren hat, berichten die Autoren über die Gedanken- und Entscheidungsgänge, die letztlich zu Beschlüssen von Nato und EU, Bundesregierung und Bundestag und schließlich zur Entsendung der Bundeswehr führen. Wie sich diese Überlegungen und Konzepte im Einsatz bewähren, berichten deutsche Offiziere und Entwicklungshelfer, die in Afghanistan stationiert waren. Essays über die beschränkten Möglichkeiten militärischer Gewalt, zur ethischen Legitimierbarkeit und den Rechtsgrundlagen von Bundeswehreinsätzen sowie zur Rolle der Medien bieten wichtige Grundlagen, aber auch erweiternde Einblicke in diese Thematik. Avi Primor erinnert uns aus dem Blickwinkel des Nahen Ostens, dass viele Staaten auf Deutschland zählen, wenn es für die internationale Gemeinschaft darum geht, Stabilität und Frieden auch mit militärischen Mitteln zu sichern. Und im Vorwort mahnt Volker Rühe, der erste Verteidigungsminister, der Auslandseinsätze der Bundeswehr politisch zu verantworten hatte, dass Entscheidungen für oder gegen die Entsendung der Bundeswehr stets Ergebnisse einer verlässlichen Sicherheitspolitik sein sollten, die den Werten und Interessen Deutschlands verpflichtet ist.
In jedem Beitrag dieses Bandes wird deutlich: Auslandseinsätze der Bundeswehr sind auf vielfältige Weise Bewährungsproben einer Nation.
'›Bewährungsproben einer Nation‹ ist bestens geeignet, eine wichtige und dringend notwendige Debatte über die Einsätze der Bundeswehr auf hohem Niveau weiterzuführen, indem es die unterschiedlichen Positionen des Militärs, der Wissenschaft und der Politik klar darstellt und die aktuellen Herausforderungen für unser Land treffend analysiert.' Prof. Dr. Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik
'So breit wie möglich, so tief wie notwendig – eine gründliche Gesamtschau aus vielen relevanten Blickwinkeln zu dem komplexen und stets aktuellen Thema der Beteiligung der Bundeswehr an Auslandseinsätzen.' General Volker Wieker, Generalinspekteur der Bundeswehr
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Volker Rühe
Vorwort: Sicherheitspolitik und Auslandseinsätze
Christoph Schwegmann
Einführung: Auslandseinsätze als Bewährungsproben einer Nation
I. Warum Auslandseinsätze?
Michael Rühle
In was für einer Welt leben wir? Sicherheitspolitische Folgerungen aus einer globalisierten Welt
Ulrich Weisser
Die Rolle Deutschlands in der Welt
Ralf Fücks
Werte und Interessen deutscher Sicherheitspolitik
Avi Primor
Deutschland wird gebraucht
Bastian Giegerich
Was Militär leisten kann: Die Bundeswehr als Instrument der Sicherheitspolitik
Robert von Rimscha
Ein Land tut sich schwer: Bundeswehr-Einsätze seit 1991
II. Der Weg in den Einsatz
Stephan Ackermann
Zur ethischen Legitimierbarkeit von militärischen Einsätzen
Claus Kreß
Zu den Rechtsgrundlagen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr
Heinrich Brauß
Militärische Einsätze und zivile Missionen – wie in Nato und EU entschieden wird
Christian Heldt
Die Regierung beschließt einen Einsatz – ein Blick in die Zusammenarbeit der Ministerien
Andreas Schockenhoff
Die Parlamentsbeteiligung in Regierung und Opposition: Die CDU/CSU
Niels Annen
Die Parlamentsbeteiligung in Regierung und Opposition: Die SPD
Elke Hoff
Die Parlamentsbeteiligung in Regierung und Opposition: Die FDP
Paul Schäfer
Die Parlamentsbeteiligung in Regierung und Opposition: Die LINKE
Winfried Nachtwei
Die Parlamentsbeteiligung in Regierung und Opposition: Bündnis 90/Die Grünen
Mathis Feldhoff
Die Medien, die Politik und der Krieg
III. Der Einsatz
Jörg Vollmer
Im Einsatz mit Partnern
Christian Freuding
Im Felde – die Sicht des Soldaten
Alexander Skiba
Entwicklungszusammenarbeit unter Kriegsbedingungen
Die Autoren
Die Parlamentsbeteiligung in Regierung und Opposition: Die LINKE (S. 155-156)
Von Paul Schäfer
Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 geklärt: Der Deutsche Bundestag muss entscheiden, ob Soldatinnen und Soldaten in bewaffnete Einsätze außerhalb des Landes geschickt werden. Spätestens seit dieser Zeit gilt die Bundeswehr als Parlamentsarmee. Aber auch wenn dies eine demokratische Errungenschaft ist, muss sie trotzdem tagtäglich mit Leben gefüllt werden. Das Bundesverfassungsgericht knüpfte damals die deutsche Beteiligung an internationalen Militärmissionen an zwei Voraussetzungen: Deutschland dürfe nur im internationalen Verbund Soldaten schicken, womit das Gericht nationale Alleingänge ausschloss. Und das Parlament muss an den Entscheidungen über bewaffnete Einsätze konstitutiv beteiligt werden.
Damit wurde im Grunde den besonders stark ausgeprägten Reserven und Vorbehalten der deutschen Gesellschaft gegenüber einer „militarisierten Außenpolitik“ Rechnung getragen. Im Prinzip wurde der gerade in Zeiten der Globalisierung immer wichtiger werdende Regierungsbereich der Außen- und Sicherheitspolitik der parlamentarischen und öffentlichen Kontrolle ausgesetzt. Die Zeiten der einsamen und intransparenten Kabinettsentscheidungen sind damit eigentlich vorbei. Um die Abgeordneten in die Lage zu versetzen, ihre Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen zu fällen, müssen sie durch die Regierung möglichst umfassend unterrichtet werden.
So sieht es das Gesetz vor. Und parlamentarische Befassung bedeutet zugleich, dass auch die Öffentlichkeit über die Medien an diesen weitreichenden Entscheidungen Anteil nimmt. So weit die Theorie. Die bisherigen Erfahrungen haben dagegen gezeigt, dass zwischen den Buchstaben des Gesetzes und der gelebten Wirklichkeit erhebliche Diskrepanzen bestehen können. Als in Deutschland in Sachen „Auslandseinsätze der Bundeswehr“ eine Art Allparteien-Konsens vorherrschte – dies war zwischen 2002 und 2005 der Fall – und danach eine Große Koalition regierte, konnte von parlamentarischer Kontrolle und breiter öffentlicher Debatte keine Rede sein – mit Ausnahme des Irak-Krieges von 2003.
Im Mittelpunkt stand nicht die Sinnhaftigkeit und Legitimität der jeweiligen Militärinterventionen, sondern das Bemühen der Regierung, über den Bundestag die größtmögliche Legitimation für ihre Militäreinsätze zu bekommen. Wohin so ein Allparteien-Konsens führt, zeigt die derzeitige Afghanistan-Debatte: Obwohl stabile Mehrheiten der Bevölkerung seit geraumer Zeit die deutsche Beteiligung am Isaf-Einsatz ablehnen und die Forderung nach einem raschen Rückzug der Truppen unterstützen, besteht eine große Diskrepanz zum regelmäßigen Votum des Parlaments.
Dass dieser Umstand vor allem den beteiligten Soldatinnen und Soldaten schwer zu schaffen macht, liegt auf der Hand. Ob er sich auf Dauer aufrechterhalten lässt, ist die Frage, die sich den politischen Entscheidungsträgern stellt und erheblichen Druck dahingehend auslöst, den geordneten Rückzug der Bundeswehr-Einheiten so schnell als möglich ins Auge zu fassen.