E-Book, Deutsch, 405 Seiten
Sealsfield Das blutige Blockhaus
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3599-2
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 405 Seiten
ISBN: 978-3-8496-3599-2
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Aus den Tagen der amerikanischen Besiedlung. Sealsfield erzählt von den Abenteuern, die manche Siedler bei der Eroberung ihrer Grundstücke erlebten.
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2
Die Sonne senkte ihre Strahlen bereits durch die Liquidambarbäume, die die Ostseite der Pflanzung einsäumten, als mich ein brennendes Jucken an den Armen und im Gesicht aus dem Schlaf weckte.
Amadée stand vor mir. Er hatte die Moskitovorhänge zurückgeschlagen, und sogleich waren einige dieser Insekten über mich hergefallen, um mein frisches ausländisches Blut zu versuchen.
"Was willst du?" rief ich ein wenig unwillig.
Amadée legte den Zeigefinger auf den Mund und deutete auf die halbgeschlossenen Rolläden.
"Ich möchte noch schlafen!"
Amadée legte nochmals den Zeigefinger auf den Mund und hielt mir den Schlafrock hin. Ich erhob mich, um seinen Willen zu erfüllen. Das Gemach, in dem ich mich befand, lag an der Ecke der Veranda. Aus den Rollläden sah man in ein dichtes Gebüsch von Orangen, Palmen und Catalpas hinein, das sich bis zu den erwähnten Liquidambarbäumen hinzog wie eine dichte Laube.
Der Morgen war wunderbar erfrischend. Durch die goldenen und schneeweißen Früchte und Blüten schimmerte der Spiegel des Teche hindurch. Singvögel hüpften auf und zwischen den Zweigen, darunter zwei Spottvögel. Das Männchen saß auf einem Catalpazweig und besprach sich mit dem Weibchen, das einige Fuß tiefer sich wiegte. Es erhob sich, flatterte im Kreis um die Geliebte herum, auf diese zu, umflatterte sie, flog empor und brach in den herrlichsten Nachtigallengesang aus. Ich stand entzückt. Das liebliche Tierchen schwang sich abermals in die Höhe, umkreiste das Weibchen, ließ aus seiner winzigen Kehle die Töne einer miauenden Katze, eines bellenden Hundes, eines blökenden Lammes, aller Tiere hören, die im Hause den frohen Tag begrüßten. Das Weibchen gab einen seltsamen, wie lachenden Ton von sich, und das Männchen flog auf und brach wieder in den entzückenden Schlag unserer europäischen Nachtigall aus. Es war der erste amerikanische Spottvogel, den ich hörte. Wunderbar fühlte ich mich bewegt.
Amadée unterbrach mich, indem er mit dem Finger durch die halb aufgerollte Jalousie in die Laube hineindeutete. Sie war mit zahllosen Winden-, Orangen- und Zitronenblüten überhangen. Gehänge von wilden Weinreben umwanden Bäume und Strauchwerk, hingen in die Laube hinein und umfingen eine aus Baumästen gezimmerte Bank, vor der als Tisch ein ungeheurer Stumpf von einem Liquidambar stand.
Ich schaute genauer. Von der Bank glänzte es mir hell in die Augen. Überhangen von Windenblüten, saß Adelaide auf der Bank, das glänzend schwarze Haar um den Nacken geringelt, die schwimmenden Augen auf den kosenden Spottvogel gerichtet, dann wieder träumerisch zur Erde geschlagen. Jetzt fuhr sie mit der Hand über die Stirn, ein leiser Seufzer stahl sich aus ihrer Brust.
Amadée legte abermals den Zeigefinger auf den Mund und deutete auf eine zweite Gestalt am Eingang der Laube. Dort stand Monsieur de Morbihan und betrachtete das Mädchen mit gerunzelter Stirn. Zuweilen verzerrte eine Grimasse seine Züge, dann wieder hellten sie sich auf, etwas wie schadenfrohe Bitterkeit schien sie zu durchzucken. Ein seltsames Gemisch von Empfindungen mußte die Brust des Mannes durchwühlen, seine Gesichtsmuskeln waren in einer eigentümlich rollenden Bewegung.
Zuweilen hob er den Fuß, als wollte er sich der Tochter nähern, hielt aber inne wie einer, der den Mut nicht fand. Endlich nahm er sich zusammen und trat einen Schritt näher. Des Mädchens Augen waren noch immer halb geschlossen. Er tat einen zweiten Schritt. Jetzt richtete sie den Blick auf ihn, aber es war nicht der kindliche Blick der liebenden Tochter, die den Vater des Morgens begrüßt, es war der Blick einer Herrin, die unwillig ist, vom Hausmeister gestört zu sein. Der Vater schwieg noch immer. Wieder trat er einen Schritt näher.
"Was willst du?" fragte sie im Ton der Gebieterin.
"Teure Adelaide, ich habe dich heute noch nicht gesehen."
Ein halb bitteres, halb spottendes Lächeln spielte um die Lippen des schönen Kindes. Der Alte sah sie an, und es zuckte abermals eine Grimasse über sein Gesicht hin.
"Adelaide, was stimmt dich so verdrießlich?" fragte er lauernd.
Sie stierte auf die Erde und zertrat die Windenblüten, die sich um das Gestell der Bank schlängelten. Wer sie gestern gesehen in ihrer Beweglichkeit, in ihrer durch die ersten Regungen der Liebe verschönerten Zartheit, der erkannte sie nicht mehr. Sie war ein ganz anderes Wesen.
"Adelaide, du bist verdrießlich!"
"Ach, Papa! Wer würde es nicht sein? Deine Juba hat mein neues Seidenkleid zertreten, als sie aus deinem Schlafzimmer kam, und als ich sie schalt, lachte sie mir ins Gesicht. Papa, du darfst mir nicht meine Sklavinnen verderben!"
Diese Worte tönten mir gedehnt, zänkisch, halb gellend in den Ohren. Ich sah die schöne Sprecherin an, im Zweifel, ob sie es war, die gesprochen. Der Papa stand wie ein armer Sünder.
"Du hast sie seit einer Woche zu deiner Geliebten gemacht, ich will das nicht in meinem Hause haben!"
Der Mann schnitt abermals eine Grimasse. Ekelhaft erschienen mir die beiden. Das Mädchen sprach von der Sünde ihres Vaters, als wenn auf ihren Moskitofächer getreten worden wäre.
"Ah, Adelaide!" schmeichelte der Vater nach einer Pause, widerlich lachend. "Stimmt das dich so bitter?"
"Vielleicht was anderes?"
"Ah, du hast Geheimnisse vor mir!"
Sie schaute ihn einen Augenblick forschend an.
"Und wenn ich sie habe?"
"Adelaide, wie siehst du mich an? Dein Blick sagt: mußt du alles wissen? Adelaide, du kannst es nicht verbergen!"
"Was?" fragte sie.
"Daß ... daß ... daß Herr von ... Adelaide, mein Kind, sei aufrichtig! Du weißt, dein Vater ... freilich hat er dir nichts zu befehlen ... deine Mutter hat dich glücklicher bedacht als ihn."
"Meine Mutter!" seufzte das Mädchen.
Der schöne Kopf sank auf die Brust, dann hob sie ihn, blickte zum Himmel. Zwei glänzende Tränen spiegelten sich in den schwimmenden Gazellenaugen. Jetzt war sie wieder reizend, engelschön.
"Oh, meine Mutter!" seufzte sie.
"Würde besser getan haben, wenn sie dich, ihre Tochter, unter die Gewalt des Vaters gestellt hätte!"
Das Gesicht des Mädchens verzog sich unwillig, aber sie schwieg.
"Der sie gewiß nicht mißbraucht haben würde!" fuhr der Vater leiser fort.
"Papa, ich bitte dich, schweige! Nicht mißbraucht, du, der du jede meiner Sklavinnen ..." Sie hielt inne. "Mein Gott, ich kann ja kaum in meinem eigenen Hause mit Ehren verweilen!"
"Pah!" versetzte der Vater. "Du bist abgekommen von dem, worüber ich mit dir sprechen ... beraten wollte."
Sie starrte wieder auf den Boden.
"Du bist jung, meine Tochter, erst sechzehn Jahre alt. Ich bitte dich, übereile dich nicht! Du weißt, wir wollen nach Frankreich, sobald Friede ist."
"Ich will nicht nach Frankreich!"
"Du würdest die Welt sehen, die Menschen kennenlernen! Bei deinem Vermögen ..."
"Das du ..." fiel Adelaide ihm ins Wort, sprach aber den Satz nicht aus, wenn auch ihr Blick ihm deutlich sagte: "... gern in die Hände bekämst!"
Der Vater schnitt abermals eine Grimasse, wie einer, der auf Schleichwegen ertappt worden.
"Adelaide, gesteh nur!" flüsterte er lauernd. "Gesteh nur, der Herr de Ducalle hat Eindruck auf dich gemacht!"
Das Mädchen, bisher blaß, wurde glühend rot.
"Du liebst den Capitaine!"
"Du liebst den Capitaine!" wiederholte sie kaum hörbar, indem sie eine Windenblüte erfaßte und an die Lippen drückte. Dann rief sie: "Ob ich ihn liebe? Ich liebe ihn, Papa, ich muß ihn haben! O Papa, fordere, verlange, aber ... ich muß ihn haben!"
Sie sprang auf und faßte die Hand ihres Vaters. Dieser schnitt eine affenartige Fratze, dann durchzuckte sein Gesicht ein Gewirr von Furchen. Ich hatte selten ein so widerliches Mienenspiel gesehen. Erst allmählich legte sich die Bewegung der Züge, die zu verraten schienen, daß das väterliche Gefühl nicht ganz in dem Mann erstorben.
"Adelaide, hör mich! Lieber wollte ich, du hättest dich in den letzten Akadier verliebt."
Sie prallte vor dem Vater wie vor einer Kongoschlange zurück.
"Adelaide!" Sein Gesicht überflog ein wehmutsvolles Lächeln. "Glaub mir, lieber wollte ich, du liebtest den letzten Akadier."
Sie sah ihn unwillig, böse an.
"Ach, wenn du die Geschichte der ersten Jahre meiner Ehe mit deiner seligen Mutter kenntest!"
"Die du unglücklich gemacht hast", sprach das Mädchen kaum hörbar.
"Beide haben wir uns unglücklich gemacht. Glaub mir, Adelaide, eine Kreolin und ein Franzose passen nicht füreinander."
Sie...