E-Book, Deutsch, 460 Seiten
Seidl Caecilia Darkata
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7543-5807-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jenseits des Echos
E-Book, Deutsch, 460 Seiten
ISBN: 978-3-7543-5807-8
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zurück in Audacia hat Caecilia vor allem damit zu kämpfen, sich selbst wiederzufinden. Ihre Kräfte haben die Gitterstäbe ihres Herzens durchbrochen und ihren Körper unter ihre Kontrolle gebracht. Niemand darf ihr zu nahe kommen, geschweige denn, sie berühren. Caecilia weiß, dass ihr nur einer aus dieser Misere wieder heraushelfen kann: der zweite Schattentänzer Audacias, Professor Tenebrak. Und während Caecilia ihre eigene Schlacht zu schlagen hat, beginnt Thanata Occasus den Kampf gegen Mysteria. Der geheimnisvollste Planet der Vier schreit um Hilfe, stiehlt sich diese ausgerechnet aus den Mauern Audacias und reißt dabei noch das letzte Stück Caecilias Herzens mit sich.
Seit Chiara Sue Seidl das Geheimnis der Buchstaben entschlüsselt hat, verliebt sich die Innviertler Jungautorin immer wieder neu in die Welt der Wörter und Geschichten. Dementsprechend groß war die Freude der inzwischen siebzehnjährigen Schülerin des Musischen Gymnasiums, als sie 2018 ihr erstes, veröffentlichtes Buch in Händen halten durfte (Die sieben Gezeichneten). Drei weitere, zusammenhängende Fantasy-Romane haben es seitdem in gebundener Form auf den Markt geschafft. Doch die Caecilia- Darkata-Reihe ist noch nicht zu Ende. Zwei weitere Fortsetzungen stecken bereits in den Startlöchern.
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SECHS MONATE ZUVOR
Als wäre es gestern gewesen, erinnerte ich mich an meine Ankunft in Audacia auf dem Rücken eines Peryton. Als würde er vor mir stehen, sah ich Liams leichenblasses Gesicht vor meinen Augen und hörte immer noch das Echo seiner Worte in meinen Ohren: »Diana. Sie…sie ist…« In Zeitlupe sah ich die verstörten Grimassen der anderen Schüler vor mir zurückschrecken, als ich wie vom Blitz getroffen an ihnen vorbeischoss. Ich spürte kaum, wie sich der Vogel in meinem Inneren von seinen Ketten löste. Auch die Asche, die wie ein Vorhang vom Himmel schwebte, nahm ich nur am äußersten Rand meines Bewusstseins wahr. Erst als ich das Schloss viele Stunden darauf wieder verlassen würde, würde ich die dünne, graue Schicht, die sich wie Staub über das gesamte Gelände gelegt hatte, erblicken. Doch damals würden mich bereits alle Gefühle verlassen haben. Die bloße Hülle meines Körpers würde den Weg zum Domus Filia antreten, aus dem ich mich einige Tage zuvor als anderes Mädchen voller Anspannung und Aufregung davongestohlen hatte. Ohne die zurückschreckenden Schüler neben mir zu beachten, eilte ich durch die sich füllende Eingangshalle. Nach wenigen Sekunden hatte mich Lucian überholt. Sein breiter Rücken schrumpfte mit jedem Moment, der verstrich. In meinen Seiten spürte ich bereits die feinen Nadelstiche, die bald unerträglich werden würden. Ich biss die Zähne zusammen und stürmte weiter. Kaum hatten wir einen neuen Gang erreicht, machten uns die erschrockenen Schüler darin überhastet Platz, als strömte von uns irgendein Gift aus, das sie auf der Stellte tot umfallen lassen würde. Mein Kopf beachtete sie nicht. Ich fokussierte mich einzig und allein auf Lucians Rücken, der soeben hinter der nächsten Ecke verschwunden war. Schlitternd rutschte ich ihm nach, während ich spürte, wie mein Gehirn die Mauer bald nicht mehr aufrecht halten würde können. Nur noch wenige Sekunden und die Gedanken würden mich und meinen Körper übermannen. Sie würden…nein, ich musste mich konzentrieren. Endlich hatte ich die Tür zum Krankentrakt erreicht. Ich nahm den Raum nur unscharf war. Das Pult, die Stühle, da, ein offener Raum. Ich stürmte durch die Tür und wäre beinahe mit voller Wucht in Lucian gestolpert. Reflexartig zog ich meine Hände nach hinten, bevor sie mit Lucians Rücken kollidiert wären. Keuchend schnappte ich nach Luft. Da sah ich sie. In dem schmalen Krankenbett wirkte sie wie eine Puppe. Ihr Gesicht war leichenblass. Leblos hing ihre Hand von der Bettkante. Beinahe schwarz stachen ihre Sommersprossen von ihrer weißen Haut ab. Meine Brust krampfte sich zusammen und ich musste an mich halten, um nicht zu Boden zu sinken. Erst einen Moment später realisierte ich, was vor sich ging. Derselbe Doktor, der mich schon einmal untersucht hatte, stand über Dianas schmalen Körper gebeugt und drückte seine Lippen auf ihre. Keine Sekunde später erhob er sich und presste seine Hände mehrmals hintereinander rhythmisch auf ihre Brust. In der Luft lag ein durchdringender Geruch, der scharf in meine Nase stach. Rund um Dianas Bett hatten sich die Krankenschwester und einige Professoren versammelt, die angespannt die ruckartigen Bewegungen des Doktors beobachteten. Ein paar hatten sich bei unserem Ankommen schockartig zu uns umgedreht. Sie musterten uns mit weit aufgerissenen Augen, doch meine Aufmerksamkeit wurde vollkommen von der leblosen Gestalt am Bett gefesselt. Der Doktor wiederholte die Herzmassage und das Beatmen noch exakt vier Mal, bevor Diana ins Reich der Lebenden zurückkehrte. Nach Luft schnappend setzte sie sich auf und die Spannung im Raum riss. Ich fiel zu Boden. Lucian lehnte sich aufatmend an den Medizinschrank hinter ihm. Da fanden Dianas Augen meine und ein leichtes Grinsen trat auf ihre Lippen. »Also so habe ich mir meinen ersten Kuss nicht vorgestellt«, murmelte sie leise und ließ sich zurück in ihr Kissen fallen. In diesem Moment schwor ich mir, dass ich kämpfen würde, um mein altes Ich wiederzufinden. Zeitgleich zerfiel ein Blumentopf neben mir, den ich aus Versehen gestreift hatte, zu Asche. Eine Eskorte aus Professoren brachte uns in ein verlassenes Klassenzimmer und trug uns auf, dort zu warten. So seltsam es auch klingen mochte, in diesem Moment beschäftigte mich die Frage, was mit Lucian und mir geschehen würde, nicht im Geringsten. Krampfhaft klammerte ich mich an die Erinnerung der Welle der Erleichterung, die bei Dianas Wiederbelebung durch mich geströmt war. Eine Emotion. Ich war nicht verloren. Doch ich fühlte, wie die Erinnerung in meinem Kopf immer schwächer wurde und langsam verhallte. Sie entglitt mir. Egal, was ich versuchte, wie oft ich mir das Bild der grinsenden Diana auch vor Augen rief, ich schaffte es nicht, das warme Gefühl zurückzubringen. Der Herr von Vita verhörte uns persönlich. Wir befanden uns in irgendeinem Büro. Rund um mich und Lucian waren Wächter postiert. Während sich Lucian nervös an die Lehnen seines Stuhls krallte, war ich innerlich vollkommen ruhig. Nein, nicht ruhig, leer. Ich hatte keine Angst. Wenn ich den aufgebrachten Herrn vor mir ansah, fühlte ich nichts. Ich wusste, dass er der mächtigste Mann Vitas war. Ein Wort von ihm und der Wächter hinter mir würde mir ohne zu zögern die Kehle durchschneiden. Auch die Direktorin Professor Nubes war anwesend. Und noch jemand. Ich erinnerte mich fahl an sein schmales Gesicht und die auffällig stechenden Augen. Amino Dale. Sohn des Herrn von Ortus und vermutlich hier, um seinen Vater zu vertreten. Lucian schaffte es. Ich wusste nicht, wie, aber er erkämpfte uns unsere Freiheit. Ich hatte keine Ahnung, warum der Herr von Vita, der die meiste Zeit des Verhörs mit Brüllen verbracht hatte, auf seine Bedingungen eingegangen war. Der Deal war eigentlich ziemlich einfach. »Caecilia und ich dürfen auf der Schule bleiben. Unter normalen Bedingungen. Für uns werden keine Ausnahmen oder Sonderregeln gemacht, wir werden wie gewöhnliche Schüler behandelt. Außerdem müssen wir nichts über die Geschehnisse im Anwesen meiner Familie erzählen, was wir nicht preisgeben wollen. Und der Peryton, mit dem wir heute angekommen sind, darf in den Wäldern um Audacia leben und jederzeit das Gelände betreten. Er wird nicht gejagt oder gestört«, hatte Lucian selbstbewusst gefordert. Ich war mir nicht sicher, doch ich meinte, dennoch ein leichtes Zittern in seiner Stimme gehört zu haben. Der Herr von Vita schnaubte. »Warum zur Schlucht des Than sollte ich auf diese lächerlichen Bedingungen eingehen?« »Das wissen Sie genauso gut wie ich«, erwiderte Lucian ruhig. Diesmal schwankte seine Stimme nicht. Er wusste, dass nun jeder kleine Fehler das Ende für uns beide bedeuten konnte. Man konnte förmlich sehen, wie die Wut in Pandroklus Vita hochkochte. Empört wollte er auffahren, doch in diesem Moment trat Professor Nubes einen Schritt vor. Beide sahen mich an, als würden sie die richtige Entscheidung aus meiner eingesunkenen Gestalt lesen können. »Lass uns das kurz unter vier Augen besprechen, Pandroklus«, bat Professor Nubes schließlich mit eindringlichem Unterton. Der Herr von Vita zögerte einen Moment, bevor er schließlich zustimmte. Die beiden verschwanden hinaus in den Gang. Amino Dale ließen sie hier. Man konnte ihm die Verärgerung vom Gesicht ablesen. Als Professor Nubes und der Herr von Vita zurückkamen, wusste ich, dass Lucian es geschafft hatte. Pandroklus Vita bereitete es sichtliches Unbehagen, den Vertrag zu unterzeichnen, auf den Lucian bestand. Die Falten auf seiner Stirn traten deutlich hervor, als er uns widerwillig entließ. Die einzige Bedingung, auf die wir eingehen mussten, war, den anderen Schülern nichts von unserem Aufenthalt zu erzählen. Professor Nubes würde sich eine plausible Geschichte ausdenken. Ich hatte gehofft, dass es mir helfen würde, wieder in den Alltag zurückzukehren, doch im Gegensatz zu meinem Körper schien sich mein Geist nicht wieder auf die schulische Umgebung einstellen zu können. Physisch war ich in jedem Unterricht anwesend, doch meine Gedanken irrten während all dieser Zeit irgendwo in meinem Kopf umher. Ich hatte mir vorgestellt, dass es sich seltsam anfühlen würde, die Leiter zu meinem düsteren Einzelzimmer hinaufzusteigen. Ich hatte nie gedacht, dass ich es je wieder betreten würde. Aber ich fühlte gar nichts, als ich die staubige Luft des Dachzimmers einatmete. Genauso wenig kehrten die Gefühle zurück, als ich all die Leute wiedertraf, von denen ich innerlich schon längst Abschied genommen hatte. Einige Tage nach unserer Rückkehr sprach mich Hestia direkt an. Bis dahin hatten alle Klassenkameraden und Lehrer geflissentlich über meine Anwesenheit hinweggesehen. Ich wollte Hestia dankbar sein für ihre Aufgeschlossenheit. Ich wollte ihr erzählen, wie mutig ich es fand, dass sie sich zu mir stellte und mit mir sprach. Doch in meinem Inneren rührte sich nichts. Also antwortete ich kurz und höflich, um...




