E-Book, Deutsch, Band 4, 436 Seiten
Reihe: Caecilia Darkata
Seidl Caecilia Darkata
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7557-6543-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Im Gegenüber
E-Book, Deutsch, Band 4, 436 Seiten
Reihe: Caecilia Darkata
ISBN: 978-3-7557-6543-1
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Caecilias schlimmster Albtraum hat sich erfüllt. Sie ist nach Occasus entführt worden. Dort angekommen ist sie von der scheinbaren Friedlichkeit der Dunkelduodecim überrascht. Selbst als sie ihre Mutter in die Festung von Caligo holt, ändert sich das Bild der Schattentänzer nicht. Während Caecilia bewusst wird, dass sie viel mehr ist als nur eine Gefangene, rückt ihr ursprüngliches Ziel, die Flucht, immer weiter in den Hintergrund. Und als sie dann noch erfährt, warum die Herrin von Occasus Krieg gegen den Rat der Vier führt, ändert sich plötzlich alles. Die Grenze zwischen richtig und falsch verschwindet und Caecilia steht vor der schwierigsten Entscheidung ihres Lebens, ohne die Wahrheit zu kennen...
18 Jahre lang sind sie nun schon an ihrer Seite. Die Geschichten sind Chiara Sue Seidls älteste Freunde. Die am 11.02.2003 geborene Jungautorin aus dem Innviertel hat sich auf den ersten Blick in die Welt der Wörter verliebt und bald schon den Wunsch gefasst, ihre Magie aufs Papier fließen zu lassen. Im Februar 2018 durfte sie sich über ihren ersten veröffentlichten Roman (»Die sieben Gezeichneten«) freuen. Seitdem erscheinen jährlich neue Bände der im September 2018 begonnenen Caecilia-Darkata-Reihe (Band 1: »Zwischen Sonnenlicht und Schattenstrahlen«, Band 2: »Hinter dem Schein« und Band 3: »Jenseits des Echos«) und nun im Dezember 2021 der vierte Band (»Hinter dem Schein«). Der finale Abschluss der Saga wird im kommenden Jahr erwartet.
Autoren/Hrsg.
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ERWACHEN Die Kälte hatte sich bis in mein Herz gefressen. Ich hatte vergessen, wann ich begonnen hatte zu zittern. Womöglich war es Jahre her. Vielleicht auch nur Stunden. Ich war von einem undurchdringlichen Schwarz umgeben. Einem Schwarz, das nicht einmal Schattentänzeraugen zu vertreiben vermochten. Ein schaler Geruch nach Rauch lag in der Luft. Ich hatte versagt. Stöhnend tastete ich in meinem Inneren nach der Rettung, die mich im Stich gelassen hatte. Der Käfig war leer. Der Vogel hatte mich verlassen. Nein. Jemand hatte ihn vertrieben und die Tür hinter ihm zugesperrt, so dass er nicht den Hauch einer Chance hatte, zurückzukehren. Jemand hatte die Kälte in mir eingeschlossen. Die frostige Umklammerung der Schuld erdrückte meinen Brustkorb mit eiserner Entschlossenheit. Meinetwegen. Vor meinem Kopf flimmerte das Bild eines Augenpaars, das von der Blässe des Todes verschlungen worden war. Meinetwegen. Ich wollte schreien, um mich schlagen, mich befreien, doch mir fehlte die Energie. Meine Gliedmaßen wurden von unsichtbaren Gewichten an den Boden gefesselt. Meine Lippen ließen sich öffnen, aber meine Zunge war zu trocken, um auch nur ein Wort aus mir herauspressen zu können. Meine Handgelenke brannten schwach, als würden sie sich zwanghaft aus ihrer Starre zu lösen versuchen. Ich hatte einen Fehler begangen. Den größten Fehler meines Lebens. Und ich würde ihn nie wiedergutmachen können. Ich hatte sie alle enttäuscht. Professor Nubes, Professor Vienta, Professor Tenebrak, Diana, meinen Vater, Lucian. Ganz Audacia. Alles, was ich zu tun gehabt hätte, wäre still im Keller der Schule auszuharren, bis die Kämpfe vorbei gewesen wären. Bis Audacia gesiegt hätte. Aber hätte Audacia gesiegt? Ich würde es nie erfahren. Ich hatte seinen Verlust zwangsweise herbeigeführt, indem ich mich nicht zurückhalten hatte können. Ich hätte wissen müssen, dass ich viel zu schwach war, um mich gegen die Schattentänzer verteidigen zu können. Ich hätte auf meinen Verstand hören sollen. Innerlich verfluchte ich mein leeres Herz, dem die Kaltblütigkeit fehlte, die es in einem Krieg wie diesem benötigte. Lucian hatte Recht gehabt. Gefühle waren Schwächen. Jede einzelne Person, die einem wichtig war, konnte das Zünglein an der Waage sein. Jeder Freund war einer zu viel. Lucian. Allein der Gedanke an ihn ließ mich innerlich erneut zusammenbrechen. Allen voran seinetwegen hätte ich im Keller bleiben müssen. Er war der beste Schwertkämpfer Audacias. Wenn jemand dazu imstande war, die Schule zu verteidigen, dann er. Ein Schwertstich zuckte durch meine Brust, als sich die Frage in mein Bewusstsein schob, was mit den Kämpfern geschehen war, nachdem mich die Schattentänzer weggebracht hatten. War die feindliche Armee abgezogen? Ich konnte es nur hoffen. Aber womöglich war es dann bereits zu spät gewesen… Das Bild von Melodis bewusstlosem Körper erschien vor meinen Augen. Ich hatte nicht herausfinden können, ob sich der Tod ihrer bereits bemächtigt hatte. Dutzende mussten gefallen sein. Meinetwegen. Ein galliger Geschmack bahnte sich seinen Weg meine Kehle hinauf. Meine Wirbelsäule krümmte sich. Es war zu spät. Ich konnte nichts tun. Und genau diese Hilflosigkeit war es, die mir den letzten Nerv raubte. Ich hatte keine Chance herauszufinden, was ich genau angerichtet hatte. Ich wusste nur, dass es dem gesamten Kampf seinen Sinn genommen hatte. Jeder Tod war umsonst gewesen. Meinetwegen. Ein schmaler Streifen schnitt durch die Finsternis. Meine Augenlider zuckten, als ich langsame Atemzüge vernahm. Jemand war hier. Nur mit Mühe gelang es mir, den Kopf zu drehen. Meine Haare, die sich längst aus ihrem Pferdeschwanz verabschiedet hatten, spannten meine Haut. Krampfhaft biss ich die Zähne zusammen. Durch das wenige Licht, das in den Raum drang, konnte ich nur die Silhouette eines Wesens erkennen. Es war eher klein, was sofort ein riesiges Fragezeichen vor meinem inneren Auge entstehen ließ. »Caecilia?« Ihre Stimme war rau, hatte aber einen weichen Unterton. Die Wärme, die hinter ihren Worten schwebte, umschmeichelte meine Ohren und ließ das Brennen auf meinen Handgelenken abklingen. Erschrocken über die Wirkung, die ihr Erscheinen bei mir auslöste, kniff ich die Augen fest zusammen, bis farbige Flecken durch mein Sichtfeld tanzten. Wer auch immer sie war, sie war ein Feind. »Caecilia?«, wiederholte die Frau. Mein harmoniebedürftiges Gehirn meinte auch noch, Sorge aus ihrer Stimme herauszuhören. Ich musste dringend lernen, rational zu denken. Zu Beginn des Schuljahres hatte das doch noch so wunderbar funktioniert. Die Gestalt trat einen Schritt nach vorne und die Tür fiel hinter ihr zu. Mit einem dumpfen Schlag legte sich die Dunkelheit wieder über das Elend, das in meinem Herzen Einzug genommen hatte. »Ich weiß, dass du wach bist«, sprach die Stimme schließlich, »Ich höre dich denken.« Noch immer gab ich kein Lebenszeichen von mir. Doch ihre Worte ließen mich nicht unberührt. Konnte sie etwa Gedanken lesen? Ich war Zeuge von so vielen atemberaubenden Fähigkeiten geworden, dass es mich nicht wundern würde. Auf den Vieren war alles möglich. »Du musst schreckliche Angst haben«, fuhr die Frau fort. Ihrer Stimme folgten vorsichtige Schritte. Eine Gänsehaut lief über meine Wirbelsäule. Gleichzeitig entspannte sich meine Rückenmuskulatur. Irritiert suchte ich in meinem Inneren nach dem Auslöser meines Verhaltens. Ich hatte keinen Grund, ihr zu trauen. Ich hatte gelernt, dass sich das Böse allzu oft hinter einer lächelnden Maske versteckte. »Möchtest du nicht darüber sprechen? Ich will dir nichts tun«, versicherte mir die Frau in einem Ton, aus dem nun definitiv Besorgnis zu hören war. Entweder dieses Wesen war eine unglaublich gute Schauspielerin oder es meinte ernst, was es sagte. Hoffnung durchzuckte mich wie ein Blitz. So schnell, dass ich sie gleich wieder begrub. Nein. Ich durfte ihr nicht trauen. Ich hatte hier keine Freunde. Ich war auf mich allein gestellt. Plötzlich kam mir der Gedanke, dass es wenig Sinn ergab, stur schweigend hier liegenzubleiben. Womöglich war noch nicht alles verloren. Womöglich konnte ich durch diese Frau herausfinden, was in Audacia, nachdem ich weggebracht worden war, passiert war. Ob meine Freunde noch am Leben waren. Noch immer zögerte ich, für sie meine Zunge zu lockern. Sobald ich sprach, war der Bann gebrochen. Dann hatte ich eine Verbindung zu ihr aufgebaut. Eine Verbindung, die einen weiteren Fehler darstellen könnte. Und ich durfte mir keine Fehltritte mehr leisten. Doch die Stille war zu dicht und die Fragen zu vehement. Ich musste wissen, was nach meiner Entführung auf Vita geschehen war. »Ich…bin wach«, brachte ich mühsam hervor. Ich zuckte zusammen, als ich vernahm, wie sehr meine Stimme einem Wetzstein glich. »Grunkeldong! Du hörst dich ja gar nicht gut an. Warte eine Sekunde, ich hole dir etwas zu trinken!«, rief das Wesen aus. Eilige Schritte waren zu hören, bevor erneut ein Lichtstrahl zu mir drang, eine Sekunde später aber schon wieder verschluckt wurde. Das, was von meinem Verstand noch übrig war, pochte schmerzhaft gegen meine Stirn. Das war womöglich die Chance, auf die ich gewartet hatte. Wenn ich schnell genug war, könnte ich es schaffen zu fliehen. Vielleicht würde ich nicht weit kommen, aber zumindest bestand die Möglichkeit, dass mich jemand ein für alle Mal erledigte, so dass ich kein Trumpf Thanatas mehr sein konnte. Unter Aufwendung meiner ganzen Kraftreserven stemmte ich meine Hände gegen den eiskalten Stein unter mir und drückte meinen trägen Körper nach oben. Ich schaffte es gerade einmal in eine sitzende Position, bevor die Frau zurückkehrte. »Hier«, sagte sie auffordernd. Ich schlussfolgerte, dass sie mir ein Glas oder etwas Ähnliches reichen musste. Das stetige Stechen in meinem Kopf ignorierend streckte ich meine Hand aus und suchte in dem Dunkel vor mir nach etwas Greifbarem. In diesem Moment stieß das Wesen neben mir einen überraschten Schrei aus, der meine Ohren zum Klingeln brachte. Gereizt verzog sich meine Stirn zu einem Meer aus Falten. »Grunkeldong, du siehst nichts?«, fragte die Frau irritiert. Nun war es an mir, ebenfalls verwirrt zu sein. Konnte sie denn etwas sehen? Aber ich war eine Schattentänzerin. Wenn jemand imstande war, die Finsternis zu durchbohren, dann wohl ich. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meinem Bauch bemerkbar. Hatten sie mir diese Fähigkeiten etwa auch genommen? Waren sie zusammen mit dem Vogel ausgesperrt worden? Mein Brustkorb verengte sich. »Vermutlich sind deine Augen nicht an diese Art von Dunkelheit gewohnt«, murmelte die Frau nachdenklich, »Das wird bestimmt.« Mit zusammengekniffenen Augenbrauen lauschte ich ihren Worten. Diese Art von Dunkelheit? Gab es denn verschiedene Dunkelheiten? Und warum sollten meine Augen...




