Serle | Ein Sommer in Italien | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

Serle Ein Sommer in Italien

Roman
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-641-30616-8
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 320 Seiten

ISBN: 978-3-641-30616-8
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Von der Autorin des SPIEGEL-Bestsellers 'In fünf Jahren'
Als ihre Mutter Carol stirbt, gerät Katys Welt ins Wanken. Denn Carol war ihre engste Vertraute und stets ihre erste Anlaufstelle. Ausgerechnet jetzt, wo Katy sie am meisten braucht, ist sie nicht mehr da. Und sie hatten doch diese ganz besondere gemeinsame Reise geplant, nach Positano - jenen Ort, an dem Carol einst einen magischen Sommer verbrachte, bevor sie Katys Vater traf. Kurz entschlossen reist Katy alleine an die Amalfiküste. Sobald sie das charmante kleine Hotel betritt, fühlt Katy sich zurückversetzt in die Zeit, als ihre Mutter jung war. Plötzlich steht die dreißigjährige Carol vor ihr - sonnengebräunt, lebenshungrig und quicklebendig. Im Laufe eines Sommers, der wie im Traum vergeht, muss Katy feststellen, dass sie nicht alles über ihre Mutter wusste ...

Rebecca Serle ist Autorin und Drehbuchschreiberin und lebt in New York und Los Angeles. Ihre Romane stehen regelmäßig auf der New-York-Times-Bestsellerliste und sind die Lieblinge der Leser*innen und Buchblogger*innen. Ihr Roman 'In fünf Jahren' stand wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Eine Verfilmung ist in Arbeit. Rebecca Serles Bücher erscheinen in 24 Ländern.
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2


»Bist du dir sicher, dass ich dich nicht fahren soll?«, fragt Eric.

Ich stehe im Eingang unseres Hauses wie ein artiges Kind mit dem Gepäck neben mir. Das Haus, von dem ich keine Ahnung habe, ob ich jemals hierher zurückkehren werde.

Eric trägt ein lachsfarbenes Poloshirt und Jeans, und seine Haare sind an den Seiten immer noch zu lang. Ich habe nichts dazu gesagt, und er auch nicht. Ich frage mich, ob er es bemerkt, ob auch er weiß, dass er mal wieder zum Friseur muss. Ich habe diese Termine immer für ihn gemacht. Auf einmal kommt mir seine Unfähigkeit, sich um seine Haare zu kümmern, wie ein Affront vor, wie ein unbewusster Angriff.

»Nein, das Uber ist schon auf dem Weg.« Ich halte mein Handy hoch. »Schau, in drei Minuten ist es da.«

Eric lächelt, aber es ist ein kümmerliches, trauriges Lächeln. »Okay.«

Als ich Eric erzählt habe, ich wolle nach Italien fahren und die Mutter-Tochter-Reise allein antreten, hat er gesagt, das sei eine tolle Idee. Er fand, ich brauchte eine Auszeit – schließlich hätte ich mich rund um die Uhr um meine Mutter gekümmert. Vor ein paar Monaten habe ich dafür meinen Job als Texterin bei einer Werbeagentur in Santa Monica aufgegeben. Ich habe damit aufgehört, als sie damals für die Behandlung nach Hause entlassen wurde, und ich wusste nicht, ob und wann ich wieder zurückwollte. Nicht dass jemand danach gefragt hätte. Momentan bin ich mir nicht einmal sicher, ob der Job immer noch auf mich wartet.

»Das hier wird dir guttun«, sagte Eric. »Wenn du zurückkommst, wird es dir viel besser gehen.«

Wir saßen bei dem Gespräch an unserem Küchentresen, eine Schachtel mit Pizza zwischen uns. Ich hatte mir nicht mal die Mühe gemacht, Teller und Besteck rauszuholen. Nur ein Stapel Servietten lag neben der Box. Es war uns alles egal.

»Das ist kein Urlaub«, sagte ich.

Mir gefiel der Gedanke nicht, dass es lediglich ein paar sonnenselige Wochen an der italienischen Küste brauchen würde, um mir einen Neuanfang im Leben zu bescheren.

»Das habe ich auch nicht gesagt.«

Ich spürte deutlich seine Frustration und seinen Wunsch, sie unter Kontrolle zu bringen. Ein Hauch Mitgefühl für ihn durchströmte mich.

»Ich weiß.«

»Wir haben immer noch nicht über uns gesprochen.«

»Ich weiß«, sagte ich noch einmal.

Ein paar Tage vorher war ich nach Hause gekommen. Wir schliefen im selben Bett, machten uns morgens Kaffee, spülten das Geschirr und räumten es weg. Eric ging dann in die Arbeit, und ich stellte Listen mit Leuten auf, die ich zu kontaktieren hatte – Dankesbriefe, die geschrieben werden mussten, manche musste ich zurückrufen, bei der Reinigung meines Vaters war etwas abzuholen.

Doch es sah nur so aus, als wäre alles so wie früher. Wir schlichen umeinander herum wie Fremde in einem Restaurant, ab und zu trafen wir zufällig aufeinander und schauten uns ratlos an.

»Du bist nach Hause gekommen. Heißt das, dass du bleibst?«

Auf dem College hat Eric vor einer großen Prüfung immer ein Sandwich aus dem Deli mitgebracht, das Three Pickles hieß. Darauf waren Schweizer Käse, Rucola und Himbeermarmelade, und es war köstlich. Bei einem unserer ersten Dates hatte er mich dorthin eingeladen und darauf bestanden, für mich zu bestellen. Wir nahmen die Brote mit nach draußen, setzten uns an den Straßenrand und wickelten sie aus. Bei meinem war der Käse zerlaufen, eine weiche, gelbe Schicht, und die Duftmischung, zusammen mit dem würzigen Grünzeug und der herben Süße der Himbeeren, war göttlich.

»Du kannst mir vertrauen«, hatte Eric damals gesagt.

Ich wusste, dass das stimmte.

Ich vertraute ihm bei unserem Umzug nach New York, als wir unsere erste Wohnung kauften. Ich vertraute ihm sogar, als meine Mutter ihre Chemo bekam. Eric hatte mitbestimmt, was gemacht wurde, wo sie am besten behandelt wurde, welche Medikamente sie bekam, welche Untersuchungen anstanden.

Aber jetzt. Wie konnte ich denn jetzt noch jemandem vertrauen? Wir hatten meine Mutter sterben lassen.

»Ich bin mir nicht sicher«, sagte ich. »Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich noch mit dir verheiratet sein kann.«

Eric stieß den Atem aus, als hätte ich ihm einen Schlag in den Magen versetzt. Und das hatte ich ja auch. Es war unfreundlich und barsch gewesen, wie ich das gesagt hatte, und ich hätte besser geschwiegen. Aber er hatte mir auch eine Frage gestellt, die unmöglich war. Er fragte mich nach einer Zukunft, die für mich nicht mehr greifbar war.

»Das ist brutal«, sagte er.

Eric nahm ein Stück Pizza und ließ es auf eine Serviette plumpsen. Es kam mir lächerlich vor, jetzt etwas zu essen. Überhaupt mit dem Essen zu beginnen.

»Ich weiß. Tut mir leid.«

Dass ich mich entschuldigte, schien ihm neuen Mut zu geben. »Wir können das gemeinsam durchstehen«, sagte er. »Du weißt, dass wir das können. Wir haben schon so viel zusammen durchgestanden, Katy.«

Ich nahm mir auch ein Stück Pizza. Es kam mir vor wie ein fremdes Objekt. Ich war mir nicht sicher, ob ich es essen oder draußen im Garten verbuddeln wollte.

Natürlich war das Problem, dass wir eigentlich noch gar nichts zusammen durchgestanden hatten, weil es nichts zum Durchstehen gegeben hatte. Nicht bis jetzt. Unser Leben hatte sich vor uns ausgebreitet wie eine endlos lange, offene Straße. Es gab keine Abzweigungen, keine Schlaglöcher, nur einen langen Weg in den Sonnenuntergang. In vielerlei Hinsicht waren wir immer noch die Leute, die sich mit zweiundzwanzig kennengelernt hatten. Wir lebten mittlerweile woanders, aber sonst war alles gleich. Was hatten wir in den vergangenen acht Jahren denn überhaupt gelernt? Welche Fähigkeiten hatten wir uns angeeignet, um das alles durchzustehen?

»Es ist einfach alles zu viel«, sagte ich.

»Lass mich bitte einfach nur ein Teil davon sein.« Er schaute mich mit großen, runden braunen Augen an.

Bevor Eric und ich uns verlobten, hatte er meine Eltern um Erlaubnis gebeten. Natürlich war ich nicht dabei, aber Eric berichtete, dass er eines Abends nach der Arbeit zu ihnen gefahren war. Meine Eltern waren zu Hause und machten Abendessen. Daran war nichts weiter ungewöhnlich. Eric und ich schneiten – getrennt oder zusammen – öfters bei ihnen vorbei. An diesem ganz besonderen Abend jedoch bat er sie um ein Gespräch im Wohnzimmer.

Wir waren damals gerade erst nach Culver City gezogen. Ich war fünfundzwanzig, wir waren seit drei Jahren zusammen, zwei davon hatten wir in New York verbracht, ich weit weg von meinen Eltern. Jetzt jedoch waren wir zu Hause und bereit, uns ein Leben aufzubauen, ganz in der Nähe von ihnen.

»Ich liebe eure Tochter«, sagte Eric, als sie sich gesetzt hatten. »Ich denke, ich kann sie glücklich machen. Und euch beide liebe ich auch. Ich finde es wunderbar, ein Teil eurer Familie zu sein. Ich möchte Katy um ihre Hand bitten.«

Mein Vater war begeistert. Er fand Eric toll. Eric hatte sich auf eine Weise in unsere Familie integriert, die meinem Vater dennoch erlaubte, der Boss zu bleiben. Wenn es nach den beiden ging, musste die Struktur nicht verändert werden.

Es war meine Mutter, die ganz still war.

»Carol«, hatte mein Vater gesagt. »Was meinst du?«

Meine Mutter sah Eric an. »Seid ihr zwei denn bereit dafür?«

Über ihre Liebenswürdigkeit und Gastfreundlichkeit hinaus war meine Mutter auch für ihre Unverblümtheit bekannt, für die man sie ebenso schätzte, wie man sie ein wenig fürchtete. Carol nahm kein Blatt vor den Mund.

»Ich weiß, dass ich sie liebe«, sagte Eric.

»Liebe ist schön«, erwiderte meine Mutter. »Wer weiß das besser als ich? Aber ihr seid beide noch so jung. Wollt ihr das Leben nicht erst noch ein bisschen genießen, bevor ihr euch festlegt? Es ist noch so viel zu tun, und um verheiratet zu sein, ist noch genug Zeit.«

»Ich möchte mein Leben mit ihr verbringen«, hatte Eric versichert. »Ich weiß, wir haben noch jede Menge Erfahrungen zu machen, und ich möchte, dass wir das zusammen tun.«

Da lächelte meine Mutter. »Na gut«, hatte sie gesagt. »Dann ist es wohl angebracht zu gratulieren.«

Als ich nun Eric über den Tisch hinweg ansah, die Pizza zwischen uns, dachte ich, dass sie mit ihrem Zögern zu Beginn recht gehabt hatte. Dass wir mehr hätten leben sollen. Dass wir den Eid, den wir ablegten, nicht wirklich verstanden hatten. Denn da sitzen wir nun, das Leben hat uns kräftig zugesetzt, hat uns zerbrochen. Es hat zerbrochen.

»Ich werde nach Italien fahren«, sagte ich zu ihm. »Ich werde diese Reise machen. Und ich denke, solange ich weg bin, sollten wir Abstand voneinander nehmen.«

»Na ja, du bist ja in Italien«, sagte er. »Das scheint mir reichlich Abstand zu sein.« Er versuchte sich an einem Lächeln.

»Nein, ich meine eine Auszeit«, sagte ich.

Ich wusste, dass wir beide in diesem Moment an eine Episode aus dachten, an die lächerliche und unmögliche Idee, dass eine Trennung eine Art Schwebezustand ist, nicht wie ein Auto, das mit Karacho die Stadt verlässt. Fast musste ich lachen. Was würde es mich schon kosten, ihn an der Hand zu nehmen, den Fernseher einzuschalten und es sich zusammen gemütlich zu machen? Und einfach so zu tun, als würde das, was gerade geschieht, nicht geschehen.

»Du denkst also an eine Trennung?«

Mir wurde kalt. Eine Kälte, die mir durch und durch ging. »Vielleicht«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll,...


Schwaab, Judith
Judith Schwaab, Jahrgang 1960, studierte Italienische Philologie. Sie ist Lektorin und Übersetzerin aus dem Englischen und Italienischen, unter anderem von Anthony Doerr, Daniel Mason, Jojo Moyes, Sue Monk Kidd, Maurizio de Giovanni und Stefania Auci. Für ihre Übersetzung von Chimamanda Ngozi Adichies "Blauer Hibiskus" erhielt sie 2020 den Internationalen Hermann-Hesse-Preis.

Serle, Rebecca
Rebecca Serle ist Autorin und Drehbuchschreiberin und lebt in New York und Los Angeles. Ihre Romane stehen regelmäßig auf der New-York-Times-Bestsellerliste und sind die Lieblinge der Leser*innen und Buchblogger*innen. Ihr Roman »In fünf Jahren« stand wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Eine Verfilmung ist in Arbeit. Rebecca Serles Bücher erscheinen in 24 Ländern.



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