E-Book, Deutsch, 416 Seiten
Sheff Yoko
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-641-29010-8
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Biografie. Vom New York Times-Nr-1-Bestsellerautor
E-Book, Deutsch, 416 Seiten
ISBN: 978-3-641-29010-8
Verlag: btb
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Yoko Onos (geb. 1933) Leben ist eine erstaunliche Reise. Es spannt den Bogen von ihrer Geburt als Tochter wohlhabender Eltern im Tokio der Vorkriegszeit über ihre erschütternden Erfahrungen als Kind während des 2. Weltkriegs bis hin zu ihrer Ankunft in der Avantgarde-Kunstszene in London, Tokio und New York. Yoko taucht tief ein in ihre Kunst, ihre Musik, kämpft für Feminismus und Frieden. Als Ehefrau von John Lennon wird sie zur öffentlichen Zielscheibe: viele Fans machten sie für das Ende der Beatles verantwortlich. Heute gilt sie als bahnbrechende Künstlerin mit Soloausstellungen in den führenden Museen der Welt.
1980 lernte David Sheff Yoko und John kennen, als er wenige Monate vor dessen gewaltsamen Tod ein ausführliches Interview mit den beiden führte. Nach dem Mord blieben Sheff und Yoko in Kontakt, während sie ihr Leben neu aufbaute, Drohungen und Verrat überlebte und weiter innovative und couragierte Kunst und Musik schuf, sich politisch engagierte. Basierend auf seinen Erfahrungen und Interviews mit ihr, ihrer Familie, ihren engsten Freunden, Mitarbeitern und vielen anderen gewährt uns Sheff einen sehr persönlichen Blick auf ein fast ein Jahrhundert umfassendes, höchst ungewöhnliches und bemerkenswertes Leben.
Die große Yoko Ono-Ausstellung »Music of the Mind« kommt im April nach Deutschland: 11.4. bis 31.8.2025, Berlin, Gropius Bau.
David Sheff ist international erfolgreicher Bestsellerautor (u.a. New York Times-Nummer-1-Bestseller Beautiful Boy, verfilmt mit Steve Carell und Timothée Chalamet). Seine journalistischen Arbeiten sind unter anderem in der New York Times, Outside, Rolling Stone, Wired und Fortune erschienen. Sein Artikel für die New York Times, »My Addicted Son«, wurde von der American Psychological Association als herausragender Beitrag zur Förderung des Verständnisses von Suchterkrankungen ausgezeichnet. Erstmals begegnete er Yoko Ono 1980 anlässlich eines Interviews mit ihr und John Lennon kurz vor dessen Tod. David Sheff lebt mit seiner Familie in Kalifornien.
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EINLEITUNG
Ocean Child
TAUSENDE VON BÜCHERN und Artikeln wurden über John Lennon und die Beatles geschrieben, aber in den meisten taucht Yoko Ono nur als Karikatur auf, als Kuriosum oder gar als das Böse schlechthin – als undurchsichtige Verführerin, manipulative Hochstaplerin oder jaulende Betrügerin, die Lennon verhext hat und schuld ist an der Auflösung der großartigsten Band aller Zeiten. Die Geschichte von Lennon und den Beatles ist eine der großartigsten überhaupt, allerdings blieb Yokos Anteil daran im raumgreifenden Schatten der Band verborgen, verdeckt von unverhohlener Frauenfeindlichkeit und Rassismus.
Als Yoko John begegnete, befand er sich auf dem Höhepunkt seines beispiellosen Ruhms. John hatte einmal flapsig bemerkt, die Beatles seien populärer als Jesus. Das kann man getrost als nur leicht übertrieben bezeichnen.
Als John Yoko begegnete, hatte auch sie bereits ein gewisses Maß an Berühmtheit erlangt, wenn auch überschaubar im Vergleich zu dem Lennons, und stieg nun innerhalb der internationalen Avantgarde-Kunst auf. Sie wurde zu einer Hälfte von »John und Yoko«, dem berühmtesten Paar der Welt – Musiker*in, Künstler*in und Pazifist*in –, »der wundersame, geheimnisvolle Prinz des Rock ’n’ Roll … und die komische Asiatin«[1], beschrieb Lennon die öffentliche Wahrnehmung von sich und seiner »besseren Hälfte«.
Sie wurde von Anfang an verteufelt. Beatles-Fans hielten Mahnwachen vor dem Apple-Gebäude in London, dem Hauptquartier der Beatles, und sobald Yoko auftauchte, brüllten die fanatischen Fans, sie solle gefälligst in ihr eigenes Land zurückkehren. Sie wurde als »hässliche Japse« verunglimpft.[2]
Ständig wurde sie mit rassistischen und sexistischen Kommentaren konfrontiert: seitens der Presse, der Fans, des Umfelds der Beatles und der Beatles selbst. Der Musiker und Künstler Klaus Voormann, ein Freund und Wegbegleiter der Band, sagte, »die Männer, die sich von ihr bedroht fühlten, bezeichneten Yoko als – und fühlten sich allesamt von ihr bedroht.«[3] John nahm Yoko mit ins Aufnahmestudio, wenn die Beatles dort arbeiteten, und Paul McCartney räumte 2021 im Interview mit Terry Gross ein: »Wir waren überhaupt nicht scharf darauf, fragten uns: ›Wer ist das? Und wieso sitzt die auf meinem Verstärker?‹«[4] Anfang der Siebzigerjahre war Yoko laut dem amerikanischen Talkshow-Moderator Dick Cavett, »eine der umstrittensten Frauen seit Wallis Simpson, der Herzogin von Windsor«.[5] Der Journalist Ray Connolly griff jüngst noch einmal die Analogie zum Buckingham Palace auf: »Wie mit Meghan Markle umgesprungen wurde, als sie und Prinz Harry ein Paar wurden, war nichts im Vergleich zu dem Hass, den Yoko erfuhr, als sie mit John zusammenkam.«[6]
Dabei wurden ihr Leben und ihre Arbeit als unwichtig erachtet; abgesehen von dem Einfluss, den sie auf Lennon und seine Band hatte, galt sie als bedeutungslos. Die Vorstellung, die die meisten von ihr haben, fußt auf den viel bemühten, sensationslüsternen und frei erfundenen Versionen der Geschichte, die mit Yokos und Johns Kennenlernen begann und mit Johns Ermordung endete – einem Zeitraum von gerade einmal vierzehn Jahren in einem inzwischen über neunzig Jahre währenden Leben.
Yokos Geschichte beginnt in Tokio. Als Kind genoss sie materielle Privilegien, litt aber unter emotionaler Vernachlässigung; ihre Eltern begegneten ihr distanziert und abweisend. Nicht nur, dass sie nicht für ihre Tochter da waren, sie isolierten sie auch von anderen Kindern. Man brachte ihr bei, sie sei besser als diese und die anderen wollen sie ausnutzen. Yoko sehnte sich nach Liebe und Anschluss, doch in ihrer Kindheit und Jugend wurden ihre Bedürfnisse nicht befriedigt. Als Reaktion darauf errichtete sie Schutzwälle zwischen sich und anderen. Ihre Zurückhaltung wurde mit zunehmendem Alter häufig als Arroganz wahrgenommen, doch verbargen sich eine tiefe Sehnsucht und Traurigkeit dahinter.
Yokos privates und kreatives Leben war größtenteils eine direkte Reaktion auf die Vernachlässigung durch ihre Eltern und verschiedene Traumata, die sie in jungen Jahren erlitt. Als 1941 der Krieg ausbrach, war sie acht Jahre alt. Mit zwölf erlebte sie die Schrecken der Bombennacht in Tokio, anschließend wurde sie aus der Hauptstadt in ein Dorf evakuiert, wo sie um Lebensmittel betteln musste. Als sie nach Tokio zurückkehrte, lag die Stadt in Trümmern.
Yoko wuchs in Japan und Amerika auf, zwischen zwei Stühlen, und fühlte sich sowohl in Asien wie auch im Westen fremd. Als Jugendliche besuchte sie exklusive Junior und Senior Highschools. Sie zeigte überragende Leistungen, war aber ängstlich, depressiv und einsam. Als Teenager unternahm sie einen Selbstmordversuch und fand schließlich Zuflucht in ihrer Vorstellungswelt und der Kunst.
Sie besuchte Colleges in Tokio und in New York, brach ihr Studium aber beide Male ab. Anschließend zog sie ins New Yorker Greenwich Village, wo sie zu revolutionären Umwälzungen in der Kunstproduktion und künstlerischen Denkweisen beitrug. »Sie wollte sich nie auf eine einzelne Kunstform begrenzen lassen«, sagt der Kurator, Kritiker und Kunsthistoriker Hans Ulrich Obrist. »Sie ist Malerin, Poetin, Bildhauerin, Filmemacherin, Architektin und Autorin, was dazu führte, dass sie in keiner dieser Sphären akzeptiert wurde. Selbst innerhalb der Avantgarde gab es Widerstände.«[7]
Auch als Sängerin spaltete sie, indem sie ihre Stimme als Klageinstrument verwendete – misstönend, heulend, kreischend, bis in die Tiefen des Schmerzes und in ekstatische Höhen hinauf, womit sie Fans für sich gewann, gleichzeitig aber auch viel Häme erntete.
Nach ersten gescheiterten Versuchen, ein Publikum zu finden (und einem weiteren Selbstmordversuch), fand ihre Kunst Anerkennung in New York und London, wo sie 1966 John Lennon begegnete. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt seiner Berühmtheit, dennoch war die Künstlerin, deren Werk sich ansehen wollte. »Ich hatte von diesem ›Ereignis‹ gehört, einer japanischen Avantgarde-Künstlerin aus Amerika«, sagte er. »Sie war brandaktuell. Irgendwas mit schwarzen Säcken, und ich dachte, es ginge irgendwie um Sex: pseudokünstlerische Orgien. Super! Auf jeden Fall war es abgefahren, wenn auch nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte.«[8]
YOKOS ARBEITEN PROVOZIERTEN bewusst, und ein Publikum, das sich gerne provozieren ließ, fand das ebenso aufregend wie Lennon. Der Mainstream aber, der jetzt über die Beatles mit ihr in Berührung kam, reagierte zutiefst empört. In dem Jahr, als Yoko und John sich zum ersten Mal begegneten, waren die Beatles mit Popsongs wie »Paperback Writer« und »Yellow Submarine« in den Charts; Yoko dagegen klagte und stöhnte auf der Bühne und ließ Leute in Säcke steigen. Sie veröffentlichte einen Film mit dem Titel , der ausschließlich aus Aufnahmen nackter Pobacken bestand.
John, dem es zu der Zeit nicht gut ging – er fühlte sich als Beatle in die Enge getrieben und steckte in einer unglücklichen Ehe –, war von der Leichtigkeit und dem Humor in Yokos Arbeiten verzaubert, gerührt von deren Pathos. Er sagte einmal, Yoko drücke sich so effektvoll aus – so –, dass es für viele Menschen unerträglich sei. »Deshalb haben sie auch van Gogh nicht ausgehalten«, sagte er, »das ist zu real, es tut weh.«[9]
Die beiden verliebten sich, und John wurde ihr größter Verbündeter, Freund und Kollaborateur. Yoko hatte das Gefühl, ihre andere Hälfte gefunden zu haben, was sie auf eine Form von Glück hoffen ließ, das sie nicht für möglich gehalten hätte. Sie hatte nie zuvor eine solche Liebe und eine solche Verbindung gespürt wie zu John. Bei ihm fühlte sie sich sicher; es war eine Atempause von Schmerz und Einsamkeit. Allerdings hatte sie nicht mit den Angriffen durch die Presse und die Öffentlichkeit gerechnet. Als die Beatles sich auflösten, gab man ihr die Schuld daran und beschimpfte sie.
Verletzt durch die öffentliche Ablehnung, widmete sich Yoko dem, was ihr am wichtigsten war: Kunst, Musik, Aktivismus – und ihrem Mann. Es folgten mehr als zehn Jahre der künstlerischen Arbeit und Zusammenarbeit. Yokos Auffassungen von Wunscherfüllung und Positivität finden sich in ihren Soloarbeiten ebenso wie in der Zusammenarbeit mit John. Die Songs »Imagine« und »Give Peace a Chance« lassen sich auf ihre Kunst und Denkweise zurückführen. Ihre Gedanken über Kunst und Aktivismus wurden zur Grundlage zahlreicher Friedenskampagnen. John sagte über die berühmten Bed-ins der beiden: »Die eigentliche Friedensaktion, die wir inszeniert haben, kam direkt von Yoko.«[10]
Sie arbeiteten gemeinsam an witzigen, tiefgründigen und inspirierenden Veranstaltungen, an Musik, Kunst und politischen Aktionen – häufig handelte es sich um Mischformen verschiedener Disziplinen –, und Yoko und John wurden das wohl berühmteste Paar der Welt. Dann trennten sie sich für eine Weile, eine Zeit, die John als sein »lost weekend«, bezeichnete, kamen aber wieder zusammen und waren einander...




