Shirley | STADT GEHT LOS | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 245 Seiten

Shirley STADT GEHT LOS

Ein Cyberpunk-Roman - mit einem Vorwort von William Gibson
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7438-0119-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Ein Cyberpunk-Roman - mit einem Vorwort von William Gibson

E-Book, Deutsch, 245 Seiten

ISBN: 978-3-7438-0119-6
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Die Punk-Sängerin Catz Wailen hat einen absonderlichen Ruf, aber sie steht für ihre Freunde ein. Dazu gehört Stu Cole, Besitzer des Anesthesia-Clubs, der in San Francisco als einer der Letzten der Mafia trotzt und seinen Club unabhängig zu halten versucht. Eines Nachts taucht bei Catz' Konzert im Anesthesia ein unheimlicher, fremder Mann auf: Während er durch die Menge geht, ändern sich seine Kleidung, seine Hautfarbe, seine Statur, nur eines nicht - die undurchsichtige Spiegelbrille, die ihm direkt aus den Schläfen wächst... Dieser Mann ist die konkrete Inkarnation der abstrakten Stadt. Und er hat die allgemeine Korruption satt. Für Stu und Catz beginnt eine höllische Achterbahnfahrt durch die Halbwelt des zerfallenden San Francisco, denn: Die Stadt räumt gnadenlos auf!   STADT GEHT LOS - der großartige Archetypus der Cyberpunk-Literatur von John Shirley: ein bahnbrechender, rhythmischer und radikaler SF-Roman, ergänzt um ein Vorwort von William Gibson.

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  Zwo!    Cole starrte ungläubig auf das Formular. Er stand an einem grässlichen, nassen und windigen Montagmorgen im Mai am Fenster seines Hausflurs und las wieder und wieder, was der öffentliche PC ausgespuckt hatte. »Das musste ja an einem Montag kommen.« Er strich mit der Hand über die herrisch roten, elektronisch geprägten Buchstaben:   BITTE ÜBERWEISEN SIE DEN BETRAG VON $3.000,00 AN DIE INTERCASH ERFASSUNG. ZU HÄNDEN  J. SALMON, ABTEILUNG ELEKTRONISCHE AUSZAHLUNGEN: ÜBERFÄLLIGE BEARBEITUNGS-STEUERN...   »Überfällige Bearbeitungs-Steuern«, wiederholte Cole. Der Kaffee in seinem Mund (sein Magen brannte, er hätte keinen Kaffee auf leeren Magen trinken sollen) hatte einen säuerlichen Geschmack angenommen. Den Geschmack von Korruption, dachte er und spuckte in den Mülleimer im Treppenflur.   Mit dem Ausdruck in der Hand ging er in seine Wohnung und schloss die Tür hinter sich. Nachdenklich legte er ihn auf das verstaubte Fernsehgerät. Dann wandte er sich der Nachrichtenbox an der Seite des Apparates zu, drückte auf den Knopf und überflog die Titelseite, die auf dem Bildschirm erschien...     Präsident unterzeichnet ITC-Frist...        Er ließ seinen Blick weiter gleiten, schnappte ein paar Datenfetzen auf      ...bis November muss die Umstellung auf das elektronische Finanztransfersystem  abgeschlossen sein. Die Gouverneure von Louisiana und Washington haben protestiert und um mehr Zeit gebeten...  Senator Wiley beharrt darauf, dass genügend Zeit zur Verfügung stand, namentlich eingedenk der langen Liste von Städten, die Instant Transfer bereits einsetzen... Eine UN-Resolution fordert Fonds zur Realisierung des weltweiten Einsatzes des elektronischen Finanztransfersystems...       Da verschwand die Nachrichtenanzeige. Cole blinzelte verwirrt. Er warf einen Blick auf die Stecker. Das Gerät war angeschlossen. Ein anderes Programm erschien, ein Zeichentrickfilm, Fucky Graffiti, ein Grundkurs in Pornographie für Kinder: Ein grob skizziertes männliches Geschlechtsorgan – ohne Körper, dafür mit kleinen Beinchen – verfolgte eine flüchtende Vagina. Er drückte auf den Aus-Schalter und die hektischen Genitalien verblassten. Was sollte das? Er drückte wieder auf den An-Schalter und schaltete die Nachrichtenbox zu. »Was zum Teufel ist mit den Nachrichten los?«, murmelte er. Keine Nachrichten. Dafür Buchstaben, wie elektronisch geprägt: DER NACHRICHTENSERVICE IST BIS ZUR ZAHLUNG DER AEA-BEARBEITUNGSSTEUER EINGESTELLT... »Schweinepriester!«, brüllte er und drosch auf den Aus-Schalter, bevor Fucky Graffiti erneut übernehmen konnte. Er ging zum Telefon. Seine Finger drückten die Tasten fast automatisch, und voller Ungeduld betrachtete er den kleinen Bildschirm. Er kochte innerlich, während er darauf wartete, dass sein Anwalt auf dem Bildschirm auftauchte. »Büro Arthur Topp. Was kann ich für Sie tun?«, hörte er die Stimme eines jungen Mannes; vermutlich Arts Sekretär. Und Liebhaber. »Tja...«, fing Cole an und starrte dann mit wachsendem Argwohn auf seinen leeren Teleschirm. »Ich muss ihn sprechen. Stu Cole hier.« »Legen Sie Wert darauf, ohne Bild zu sprechen, mein Herr?« Der Junge klang verärgert. Es war sehr unhöflich, jemanden ohne Bildfunktion anzurufen, auch wenn der Empfänger die Möglichkeit hatte, ohne Bild zu antworten. »Äh, nein – mein Monitor funktioniert nicht. Muss wohl repariert werden oder so.« »Ich verstehe.« Pause, ein Klicken. »Stu? Was ist mit deinem Bild los? Hast du etwa Angst, dass dich jemand am Montagmorgen zu sehen bekommt?« Topps Stimme. Kein Bild. »Der Bildschirm funktioniert nicht – die AEA hat ihn abgeschaltet. Meine Nachrichtenbox haben sie auch abgeschaltet. Sie wollen mich unter Druck setzen, damit ich zahle. Die Tonverbindung werden sie auch bald kappen.«   »Also ist Mama AEA hinter dir her?« »Glaubst du, dass zwischen der Telekom und ITC konzerninterne Verbindungen bestehen? Ich bin mir fast sicher...« »Gut. Du schuldest ihnen also Geld...?« »Ja, ich – nein! Nein, das behaupten sie nur. Deshalb rufe ich dich an.« »Bei mir hast du auch noch Schulden«, sagte Topp, eher amüsiert als vorwurfsvoll. »Mhmm. Die werde ich umgehend begleichen, und dein halbes Honorar im Voraus. Aber hör zu, es geht um eine Bearbeitungssteuer.« »Ach.« Topps Stimme hatte plötzlich einen resignierten Unterton. »Das.« »Komm schon, dagegen kann man doch wohl angehen ...« »Nur wenn du bis vors Bundesgericht gehst. Das dauert allerdings. Ziemlich lange sogar. Die Gerichte sind im Augenblick ziemlich lahmgelegt durch die ganzen Verfahren um den Nuklearterroranschlag in Oregon.« »Was? Gegen wen haben die denn Anklage erhoben? Sie haben den Kerl doch nicht einmal erwischt, wie können sie...« »Die Regierung wird verklagt, weil das FBI ihn angeblich hat entwischen lassen. Die Anklage lautet auf Fahrlässigkeit. Will sagen, die Familien von zweihunderttausend Menschen, verstehst du – Familien im ganzen Land, die ganze Verwandtschaft. Es ist dumm von den Gerichten, es überhaupt zur Verhandlung kommen zu lassen, sie wissen doch, dass sie einen Präzedenzfall schaffen, wenn sie jemandem etwas zusprechen, und sie wissen, dass der Kerl – oder ein anderer – es wieder tun wird. Eine weitere Stadt – unsere vielleicht – verdampft in einem Atompilz, weil irgendein Kerl mit ein paar Semestern Physik so ein Ding zusammenbastelt und Erpresser spielt...« »Ja, klar – wahrscheinlich werden sie alles niederschlagen. Jedenfalls müssen wir irgendwo anfangen ...« »Im Ernst«, unterbrach ihn Topp hastig, »die ganze verdammte Stadt, Salem in Oregon, ist weg, ausgelöscht, nur noch ein Krater, und verflucht, es könnte genauso gut hier passieren.« »Du erzählst mir das, weil du nicht über die Bearbeitungssteuer sprechen willst. Komm schon.« »Wie du meinst.« Für eine Weile herrschte Stille bis auf ein Knistern aus dem Lautsprecher unter dem kleinen rechteckigen Bildschirm. Der Monitor war oberhalb einer roten Plastikgabel angebracht. Schließlich sagte Topp: »Ich kann dir da nicht helfen. Wir wissen beide, dass die Bearbeitungssteuer Schwachsinn ist, die Jungs von der AEA sahnen noch mal so richtig ab...« »Schön und gut. Das kann ich ja verstehen. Ich bin daran gewöhnt, Schutzgelder zu bezahlen. Aber ich soll diese angeblich überfällige Zahlung jetzt auf einen Schlag begleichen – verstehst du, alle anderen fangen bei Null an. Nur ich soll rückwirkend zahlungspflichtig sein für die ganzen Jahre, die ich ITC-Einrichtungen in Anspruch genommen habe... und weißt du warum?« »Warum?«, fragte Topp, obwohl er es wusste. Cole hörte ihn an seiner Zigarette saugen. »Weil ich die Huren in meinen Club lasse und sie um diese ganzen Steuer- und Schutzgeldgeschichten herumkommen. Die AEA will sie organisieren, und genau das wollen sie nicht.« »Du redest leichtfertig über gefährlichen Kram – hörst dich an, als wären sie die Mafia.« Eine klare Warnung, dass die AEA-Scheißer sehr wahrscheinlich mithörten. »Nenn es, wie du willst«, sagte Cole. »Deswegen sind sie hinter mir her – sie haben mich gewarnt – und sie wissen, dass ich den Unterschriften-Aufruf verfasst habe, damit kleinere Läden weiterhin Bargeld verwenden können, und sie wissen, dass ich...« »Cole, verdammt noch mal!« »Hör auf mit dem Gedruckse, Topp! Sie wissen Bescheid. Wenn sie mithören, erfahren sie nichts Neues, Mann.« »Gut. Sie wissen, dass du die Initiative gegen die Umstellung auf rein elektronische Transfers verfasst hast.« Topps Stimme klang müde. Cole zögerte. Ihm war ein neuer Gedanke gekommen. »Topp, haben sie -?« »Nur Drohungen.« »Also – du wirst mich in dieser Sache nicht vertreten?« »Nur wenn ich unbedingt aus der Anwaltskammer fliegen will.« »Erzähl mir jetzt bloß, das wäre alles legal, Mann. Sie können doch nicht ...« »Hör zu, die hiesigen Richter haben auch ihre Bankkonten, und die AEA findet immer einen Grund, jemandem das Kredit-Limit zu streichen, wenn er nicht brav ist. Du wirst hier in der Gegend niemanden finden, der zu deinen Gunsten entscheidet. Und wie ich dir bereits erklärt habe, die Bundesgerichte sind für Monate beschäftigt. Du könntest zu, hm...« Er zögerte; dann, etwas zurückhaltender: »Tja, weißt du... ähm ...« »Ach, möchtest du mir doch lieber keinen Rat geben?«, fragte Cole erbittert. »Ich muss zu einem Mittagessen. Geschäftlich, äußerst wichtig.« »Und ob du das musst. Hoffentlich beißt er ihn dir ab«, knurrte Cole und stach mit seinem Daumen auf den Trennknopf. Geistesabwesend nahm er eine Zigarre aus einem Schränkchen neben dem Telefon, zündete sie an, steckte sie sich zwischen die Zähne und paffte nachdenklich, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Er ging zum Sofa hinüber, setzte sich hin und starrte ins Leere. Das niedrige rote Sofa mit seinen schief liegenden, abgewetzten Kissen stand schräg in einer Ecke des Wohnzimmers. Er saß dem leeren Bildschirm des tragbaren Fernsehgerätes direkt gegenüber. Das Zimmer war ganz in gebrochenem Weiß gestrichen, die Leuchten direkt in...



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