E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
Sonntag Schwein gehabt, sagt die Liebe
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7457-5041-6
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
ISBN: 978-3-7457-5041-6
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Salzige Meeresluft und die Weite der Nordsee - auf Spiekeroog fühlt Nicole sich so unbeschwert wie nirgendwo sonst. Als sie dieses Mal auf die Insel reist, hat sie eine Mission: Sie will die tier- und gastfreundliche Pension der verstorbenen Martha retten. Doch dann erfährt sie aus sicherer Quelle, dass der Sohn und Erbe inkognito eingecheckt hat. Nicole beschließt, die infrage kommenden Männer zu daten und vom Potenzial der Pension zu überzeugen. Dabei kommen ihr ein frecher Papagei und ein anschmiegsames Hausschwein dazwischen. Und in all den Turbulenzen verliebt sie sich auch noch in den Falschen ...
Sabrina Sonntag ist Mitte zwanzig und hat in Regensburg und Durham, Großbritannien, Literaturwissenschaft studiert. Sie leitet Coachings, arbeitet ehrenamtlich mit Kindern und führt den Haushalt eines katholischen Priesters. Wenn sie nicht gerade schreibt, übt sie Krav Maga oder krault ihrem Lieblingsschäferhund die Ohren.
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2
Au, verdammt.
Dieser Moment zwischen Halbschlaf und Aufwachen ist definitiv der verwirrendste. Und für mich heute auch der schmerzhafteste. Als mir langsam dämmerte, dass ich kein Pferd war, das nach hinten ausschlug, hatte ich mir den Knöchel schon fast blutig geschlagen. Wer auch immer das Drehbuch für meine Träume schrieb – Fantasie hatte er. Vom Astronauten übers Rennpferd bis hin zum Schraubenzieher war ich schon alles einmal gewesen, obwohl ich sagen musste, dass man als Schraubenzieher keine so große Verletzungsgefahr hatte. Hoffentlich steht die Zimmerwand noch.
Keine Ahnung, wer im Nachbarzimmer wohnte, aber es gab einfachere Wege, sie kennenzulernen.
»Ludwig!«
Mein Hund machte knackende Kaugeräusche. So hörte es sich in meinem Mund höchstens an, wenn ich Eierschalen im Kuchen mitgebacken hatte oder eine Bierflasche mit den Zähnen aufbiss.
»Ludwig, bei Fuß!«, rief ich müde.
Er wusste, was jetzt kam. Wenn er im Passauer Stadtpark ein Stück Wurstsemmel aus dem Mülleimer zog, holte ich ihm die auch notfalls noch aus der Speiseröhre. Die Leute in Passau kannten mich vermutlich nur so: völlig durchgeschwitzt, den Hund zwischen die Knie geklemmt und den Arm bis zum Ellenbogen in Ludwigs Hals. »Bei Fuß, jetzt mach schon.«
Ehemalige Straßenhunde waren verfressen, das würde ich nie ändern können. Aber dafür umso kuschelbedürftiger. Lieb habe ich sie trotzdem, meine kleine Fressmaschine. Schließlich hatte ich ihn damals adoptiert, damit er endlich ein richtiges Zuhause hatte. So wie ich damals bei Martha, mit der ich nächtelang quatschen und so viel lachen konnte, bis ich Bauchschmerzen bekam.
»Spuck das aus!«
Diesmal hatte Ludwig keine Lust auf Besuch in seiner Speiseröhre. Bevor ich die Hand ausstrecken konnte, kotzte er ein paar Plastikteile aus. Der Rest lag zwischen seinen Pfoten.
Scheiße. Das sah verdächtig nach Wecker aus. Und was in Einzelteilen in einem Hundemaul gesteckt hatte, würde vermutlich nicht mehr rechtzeitig klingeln.
7.30 Uhr.
Ein entsetzter Blick auf die Wanduhr, und ich stürzte humpelnd aus dem Zimmer, um den Typen mit den gut aussehenden Nasenlöchern eine Stunde zu spät aus dem Bett zu ziehen.
»Nicole, bist du das?«, hörte ich eine tiefe, kräftige Frauenstimme auf dem Flur rufen und duckte mich schnell hinter einem riesigen Blumentopf.
»Nein«, rutschte mir gleichzeitig heraus.
Schon als Kind war ich im Versteckspiel nicht sonderlich begabt gewesen. Ich erinnere mich mit Schrecken an ein Indianerspiel in meiner Grundschule. Noch heute weiß ich genau, wie ich dastand, den Kopf geduckt, die Hände dicht am Körper und den Hintern in die Luft gereckt. Kein Wunder, dass das Ganze mit einen Saugnapf-Pfeil an meinem Hintern geendet hatte.
Und dann stand Susanne plötzlich neben mir. »Nicole, was machst du da?«
»Pflanzen-Yoga«, antwortete ich und richtete mich langsam auf. Keine gute Idee mit der Pflanze. Damit sie meinen Benjamin-Blümchen-Schlafanzug nicht länger mustern konnte, drehte ich mich lässig zur Seite.
»Ich habe Herrn Soerensen schon geweckt. Aber am Fährhafen kommt gerade Herr Krüger mit seinem Pferd an. Kannst du ihn in Empfang nehmen?«
Sie drückte mir eine Karotte in die Hand und warf mir einen strafenden Blick zu, als ich hineinbeißen wollte. Okay, dann verschob sich mein Frühstück eben.
»Äh«, machte ich. Dass äh ein Synonym für ja ist, wäre mir neu gewesen, doch von Susanne sah ich nur noch den wirbelnden blonden Pferdeschwanz, der hinter dem Treppengeländer verschwand. Zu spät.
Ich sprang die Treppen hinunter, packte im Vorbeifliegen Marthas Regenmantel, der Benjamin Blümchen auf meinem Schlafanzug nur unzureichend verdeckte, und hechtete hinaus in die Kälte.
Blasenentzündung, so hieß das Wort, das meine Zehen nun im Fünf-Sekunden-Rhythmus an die zuständigen Hirnareale sendeten. Nackte Zehen und Schlafanzug passten mit winterlichen null Grad Außentemperatur so gut zusammen wie Weißwürste mit Vanillesoße. Bei dem einen landet man mit Fieber im Bett, beim anderen brechend über der Kloschüssel.
»Erfrieren, erfror, erfroren«, bibberte ich und stakste mit nackten Füßen über den Hof wie ein Storch. Tja. Laufen, ohne den Boden zu berühren, ist quasi Fortbewegung für Fortgeschrittene. Und deshalb machte ich auch kehrt und schnappte mir die nächstgelegenen Stiefel aus dem Schränkchen neben der Garderobe für die Angestellten. Leider waren es nur ungefütterte Gummistiefel, aber immerhin passten sie zum dünnen Friesennerz.
»Verflixt«, schimpfte ich, als mein Versuch, mir im Laufen die Schuhe anzuziehen, beinahe waagrecht auf dem Boden endete. Ungelenk hüpfte ich wenig später auf meinem linken Fuß über den steinigen Weg.
Ich winkte dem Stallburschen zu, der gerade mit dem Fahrrad um die Kurve kam, ignorierte seinen irritierten Blick und schlüpfte humpelnd in den zweiten Schuh, dann gab ich Fersengeld.
Keine Sekunde zu früh.
Die Fähre lag ruhig im Wasser, hinter ihr konnte man im dichten Nebel das Meer erahnen. Ein groß gewachsener Mann lehnte an einem leeren Frachtcontainer und schien zu warten. Das musste Herr Krüger sein.
»Hi«, schnaufte ich, als ich vor ihm stand.
Ich versuchte wirklich, mir mein Schlottern nicht anmerken zu lassen. Aber nach einigen Minuten im Freien spürte ich nicht einmal mehr, dass ich einen Schlafanzug und eine dünne Regenjacke trug. Ich hätte genauso gut nackt sein können. Jetzt wusste ich endlich, wie sich so ein tiefgefrorenes Hühnchen fühlte. Großer Gott, wenn ich diese Woche ohne Erkältung überlebe, stricke ich Socken für alle Hähnchenschenkel im Gefrierfach.
»Simon Krüger.« Er gab mir die Hand und sah ein wenig irritiert auf Benjamin Blümchen, der unter der Regenjacke hervorlugte.
»Willkommen auf Spiekeroog, Herr Krüger«, sagte ich und hüpfte ein wenig dämlich auf der Stelle herum, in der Hoffnung, mich dadurch aufzuwärmen. Aus meinem Zittern wurde Schlottern.
»Ist Ihnen nicht kalt?«
Eine nett formulierte Frage, auch wenn ich genau wusste, was das übersetzt bedeutete: Was zum Kuckuck ist das für eine Pension, wenn man hier im Schlafanzug empfangen wird?!
»Stärkt das Immunsystem«, nuschelte ich und zwang mich, die Jacke nicht enger um mich zuzuziehen.
Stille.
Simon Krügers Pferd baumelte inzwischen irgendwo über unseren Köpfen. Ein leises Trappeln war aus der Box zu hören. Manchmal fand ich den Kran gruselig, besonders wenn er lebendige Fracht brachte.
»Mögen Sie Massivholzmöbel?«, fragte ich.
Sein Blick sprach Bände. Das schien keine Frage zu sein, die er erwartet hatte, aber die erste, die mir eingefallen war. Irgendetwas musste ich ja fragen. Schließlich konnte ich nicht länger einfach so neben ihm stehen wie eine Straßenlaterne.
»Ja, durchaus«, antwortete er schließlich. »Sie auch?«
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht«, gab ich zu.
Vielleicht erklärte das, warum ich bis jetzt noch nie wirklich Glück mit Typen hatte. Meine gut gemeinten Eisbrecher-Fragen steckten irgendwie manchmal im Trockendock fest.
»Wir sollten Ihr Pferdchen ausparken«, sagte ich geschäftig und deutete auf die Box, die nun auf sicherem Boden aufsetzte.
»Gern.«
Meine Beine, die noch immer im Schlafanzug steckten, spürte ich inzwischen fast nicht mehr. Ich machte probeweise ein paar Schritte mit durchgedrückten Knien, was sicher aussah wie bei einer Marionette, deren Fäden sich verknotet hatten. Aber solange ich noch nicht mit der Nase auf dem Boden gelandet war, verbuchte ich das als Erfolg. »Soll ich Sie herauswinken, oder hat das Pferdchen einen Rückwärtspiepser eingebaut?«
»Das wäre mir neu«, antwortete Simon, milde lächelnd.
Gerade als ich ihm die Karotte als Hilfsmittel anbieten wollte, holte Simon innerhalb von Sekunden sein Pferd heraus. Ich musste zugeben, dass ich länger gebraucht hätte, wenn ich Ludwig hätte aus der Box ziehen müssen.
»Zur Pension Martha geht es hier entlang«, sagte ich geschäftig und griff nach seinem Koffer, während ich einen schüchternen Blick auf sein Pferd warf. Was für ein riesen Vieh. So manches Kind könnte aufrecht unter seinem Bauch hindurchlaufen.
»Wie heißt das hübsche Pferdchen eigentlich?«, fragte ich.
»Amadeus.«
Trotz der Kälte musste ich lachen. »Wie das Pferd bei Bibi und Tina?«
Als ich zwei tiefe Falten zwischen seinen Augenbrauen sah, wurde mir klar, dass er keine Ahnung von Bibi und Tina hatte. Und ein dumpfes Gefühl in der Magengegend sagte mir ganz deutlich, dass es nicht meine Aufgabe war, ihn aufzuklären.
»Genau«, erwiderte er aber, vermutlich aus reiner Höflichkeit.
Verstohlen musterte ich ihn aus dem Augenwinkel. Nun ja, so verstohlen, wie ich es eben hinbekam. Wenn die Nase noch nach vorne zeigte, aber die Augen schon so weit rechts waren, dass man Angst bekam, sie könnten stecken bleiben, war das wohl nicht ganz unauffällig.
»Amadeus ist ein Araber«, erklärte er.
»Oh«, sagte ich. »Ich hoffe, er spricht Fremdsprachen. Wir haben einen Überschuss an Isländern.«
Da er meinen Scherz geflissentlich ignorierte, ging ich einfach schweigend weiter.
Ganz praktisch eigentlich. Wenn der Platz zu eng wird, können wir sie stapeln. Unter Amadeus’ Bauch...




